Es ist der Transfer-Hammer in der Dritten Liga: Lars Weissgerber kehrt nach fünf Jahren in der Handball-Bundesliga zu seinem Herzensclub zurück und spielt ab diesen Sommer wieder für die HG Saarlouis.
Es war 2018, im Alter von 21 Jahren, wechselte Lars Weissgerber, genannt „Whity“, vom damaligen Zweitliga-Absteiger HG Saarlouis in die Handball-Bundesliga zur HSG Wetzlar. Seine Rolle war klar: Als zweiter Mann auf der Rechtsaußen-Position sollte er behutsam zur perspektivischen Nummer eins aufgebaut werden. Und dieser Plan ging auf. Zu Beginn der laufenden Saison war Weissgerber gesetzt, wurde von Fans sogar zum „Spieler des Monats September“ gewählt. Dabei setzte sich der gebürtige Saarländer mit fast der Hälfte aller abgegebenen Stimmen (49,1 Prozent) gegen namhafte Konkurrenz durch, darunter Magnus Saugstrup vom Deutschen Meister SC Magdeburg (35,4 Prozent), Dominik Mappes (VfL Gummersbach 5,4 Prozent) und Tomáš Mrkva (THW Kiel, 3,8 Prozent). Ausschlaggebend dafür waren vor allem seine hohe Trefferanzahl (35 Tore in sechs Spielen) und die mit 81,4 Prozent hervorragende durchschnittliche Erfolgsquote. Zweimal sogar mit einer hundertprozentigen Trefferquote. Vom Siebenmeter-Strich verfehlte von 19 Strafwürfen nur einer das Ziel. In dieser Zeit hatte sich Weissgerber auch auf den Zettel von Bundestrainer Alfred Gislason gespielt.
Bis heute keine Begründung erhalten
Doch nach dem vorläufigen Höhepunkt folgte nur wenig später der Tiefpunkt, der letztlich sein Karriereende als Profi einläutete: Im Dezember 2022 wurde Trainer Ben Matschke vom Verein entlassen und durch Hrvoje Horvat ersetzt. Unter ihm hat Weissgerber keinen guten Stand und „gefühlt keine Minute mehr gespielt“, berichtet der Saarländer: „Das hat mich schon etwas verwundert.“ Noch mehr Verwunderung kam auf, als ihm der Verein in der Winterpause mitteilte, dass man die Zukunft ohne ihn plane und ihm einen Vereinswechsel nahelegte. Dass der ihn zurück in die alte Heimat führt, sorgte wiederum für Verwunderung bei vielen Handball-Fans. „Der Kontakt zur HG war ja nie abgerissen, und so kamen dann auch relativ schnell konkrete Gespräche zustande“, sagt Weissgerber dazu, der seine Enttäuschung über die Neuausrichtung seines langjährigen Bundesliga-Vereins HSG Wetzlar nicht hinterm Berg hält: „Natürlich bin ich persönlich enttäuscht. Ich konnte es auch nicht nachvollziehen, die Begründung habe ich bis heute nicht verstanden – aber: So ist das im Sport nun mal. Es ist einfach ein schnelllebiges Geschäft.“ Dazu passt, dass Anfang April auch Horvat in Wetzlar gefeuert wurde. Er hatte wohl heimlich mit einem anderen Verein verhandelt.
Trotzdem: Zwischen Erstliga-Abstiegskampf und Drittliga-Mittelmaß sollte es doch für einen talentierten Linkshänder weitere Optionen geben, die Profikarriere fortzusetzen. „Es gab auch andere Optionen, aber ich habe für mich den Entschluss gefasst, dass ich so langsam mal ins Berufsleben einsteigen möchte“, sagt der 26-Jährige und nennt die Rückkehr zu seinem Heimatverein daher „die perfekte Lösung, um beides miteinander zu verbinden.“ Seinen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt „Finance and Controlling“ hat er bereits in der Tasche, die vom Verein unterstützte Suche nach einer passenden Arbeitsstelle läuft derzeit. „Ich bin grundsätzlich recht offen, aber es sollte schon etwas im Wirtschaftsbereich sein, also zu meinem Studium passen“, sagt er dazu.
Seine Bundesliga-Bilanz fällt schon jetzt positiv aus. „Das war eine tolle Zeit. Ich denke, das sieht jeder so, der sein Hobby zum Beruf machen konnte. Es ist der Traum jedes kleinen Kindes, das mit dem Handballspielen anfängt, irgendwann einmal in der Bundesliga aufzulaufen“, blickt er zurück und betont: „Von daher bin ich sehr stolz darauf, fünf Jahre dort gespielt zu haben.“ Allerdings gibt er auch zu, dass die Zeit in der stärksten Handballliga der Welt nicht immer einfach war: „Man muss sich auch mal hintenanstellen. Dabei lernt man viel: einerseits Geduld, andererseits aber auch, dass man immer weitermachen und an sich arbeiten muss“, sagt er und hat festgestellt: „Vieles ist Kopfsache im Profisport und dabei kann man sich persönlich weiterentwickeln.“
Der wohl schönste Moment seiner Karriere bleibt sein erster Bundesliga-Einsatz überhaupt: In seiner ersten Saison durfte er ausgerechnet gegen Rekordmeister THW Kiel unverhofft von Beginn an spielen, weil sich der eigentlich Gesetzte Kristian Björnsen verletzt hatte. „Das war schon eine krasse Sache für mich, als junger Spieler in der vollen Kieler Hütte aufzulaufen“, erinnert sich Weissgerber an die starken ersten 20 Minuten des Bundesligaspiels, in denen er aus drei Torchancen drei Treffer erzielte. Doch auch hier folgte nach einem Hoch ein Schock: Ein Gegenspieler ließ sich beim Versuch, ein Stürmerfoul zu ziehen, auf ihn fallen und brach ihm den Innenknöchel des linken Fußes – Weissgerbers erste und bisher einzige schwere Verletzung, die ihn drei Monate außer Gefecht setzte.
Von Konkurrent Björnsen viel gelernt
Genau diese Erfahrungen sind es, die den jungen Mann aus dem Saarland stärker und reifer haben werden lassen. Gepaart mit wertvollen Tipps älterer Spieler – beispielsweise seinem eigentlichen Konkurrenten Björnsen, der ihn nicht nur unfreiwillig auf seinem Weg in die ersten Sieben unterstützte: „Er hat mir sehr viel geholfen und war auch ein sehr angenehmer Mitspieler, der einem nie etwas Schlechtes wollte und der mir immer wertvolle Tipps gegeben hat. Von ihm konnte ich vieles mitnehmen“, erzählt Weissgerber voller Hochachtung: „Er hat ja gefühlt fast alles gewonnen, war Vize-Weltmeister und ein international gestandener Spieler.“
Ab Sommer wird Lars Weissgerber selbst die Rolle des Vorbildes einnehmen – vornehmlich als Rückraumspieler. Aus der jungen Mannschaft der HG Saarlouis ragt der frühere Jugend-Nationalspieler heraus. „Man hat schon gesehen, dass sich die Mannschaft in der Dritten Liga erst einmal zurechtfinden musste. In den letzten Jahren ist die Entwicklung leider etwas stagniert, sodass man ins tabellarische Mittelfeld abgerutscht ist“, beschreibt Weissgerber den Stand der Dinge: „Aber es ist und bleibt mein Herzensverein, für den ich schon in der Jugend gespielt habe. Ich möchte hier wieder etwas aufbauen und meinen Teil dazu beitragen, im Saarland wieder eine Euphorie zu entfachen.“
Dazu gehört es, wieder in den Wettkampf um die vorderen Plätze der Liga einzugreifen und auch die Perspektive 2. Bundesliga ins Visier zu nehmen. „Neben mir kommen ja noch einige andere neue Spieler, von daher muss sich die Mannschaft in der kommenden Saison erst einmal neu finden“, findet „Whity“, der in Saarlouis einen Dreijahresvertrag unterzeichnet hat. Er stellt aber auch klar: „Mein persönliches Ziel ist es, in den nächsten drei, vier Jahren mindestens zu den Top vier Mannschaften der Staffel zu gehören und an der Aufstiegsrunde teilzunehmen.“