Die HG Saarlouis hat 2024 viel vor: Nach einer Siegesserie und noch bevor ein Ex-Bundesligaspieler das Team verstärkt, steht der Handball-Drittligist plötzlich auf Platz drei und wahrt die Aufstiegs-Chance.
Viel besser als die HG Saarlouis kann man ein Sportjahr nicht beenden. Vor dem Jahreswechsel holte der Handball-Drittligist sechs Siege in Folge und beschenkte sich selbst noch vor den Weihnachtsfeiertagen mit dem dritten Platz in der Süd-West-Staffel. Als wäre das noch nicht genug, setzte der Vorstand gleich noch eins drauf: Mit Rückkehrer Yves Kunkel holt er zur kommenden Saison einen Ex-Bundesligaspieler zurück nach Saarlouis. Der frühere A-Nationalspieler (drei Spiele, sechs Tore) stand bereits in der Saison 2012/2013 in Diensten des damaligen Zweitligisten und kommt nach zwischenzeitlichen Erstliga-Stationen von Ligakonkurrent TV Homburg.
„Gerade die zweite Hälfte der Hinrunde war natürlich top“, freut sich HG-Cheftrainer Philipp Kessler: „Die sechs Siege am Stück waren so vielleicht nicht unbedingt zu erwarten, aber wir hatten uns in dieser Phase in einen richtigen Flow gespielt.“ Der Höhepunkt wurde im letzten Spiel des Jahres 2023 erreicht, als die Saarlouiser in Düsseldorf/Ratingen einen Sieben-Tore-Rückstand zur Halbzeit (17:24) nach einer beispiellosen Aufholjagd noch in einen 41:34-Kantersieg verwandelten. „Damit konnten wir schon sehr zufrieden in die Winterpause gehen“, findet Kessler. Sein Team gehört zur vom Rest leicht abgesetzten Spitzengruppe. Gleich hinter den Aufstiegsfavoriten TuS Ferndorf (29:1 Punkte) und der HSG Krefeld-Niederrhein (24:6) rangieren die Saarländer (21:9) auf Platz drei.
Kantersieg nach hohem Rückstand
So gesehen kam die gut zweiwöchige Winterpause zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Der Fluss wurde jäh unterbrochen – und das ausgerechnet vor dem Spitzenspiel gegen Tabellenführer Ferndorf am 20. Januar. „Die Jungs haben für die freie Zeit individuelle Trainingspläne mitbekommen und wir befinden uns seit dem 2. Januar schon wieder im Training. Ob der Flow anhält, wissen wir aber erst nach den Spielen“, sagt Kessler und ergänzt mit Blick auf das „Hammer-Spiel“ zum Auftakt gegen den Spitzenreiter: „Wir wollen voll dagegenhalten und rechnen uns vor unserem Publikum auch Chancen aus, etwas Zählbares mitzunehmen.“ Mit dem Auswärtsspiel beim TV Aldekerk und dem anschließenden Derby gegen Homburg folgen mit dem Tabellen-Vorletzten und dem Schlusslicht hingegen zwei machbare Aufgaben, geradezu Pflichtsiege. „Danach werden wir sehen, wohin die Reise gehen kann“, sagt Kessler.
Ob die Reise schon vor der Verstärkung mit Yves Kunkel in Richtung 2. Bundesliga gehen kann, sei für das Trainerteam derzeit „kein Thema. Natürlich nehmen wir die Möglichkeit wahr, wenn eine Chance besteht. Aber wir können auch realistisch einschätzen, wie schwer die Hinrunde war und wie schwer die Rückrunde noch wird“, betont Cheftrainer Philipp Kessler und merkt an: „Um ganz vorne angreifen zu können, muss man eine qualitativ gute Kaderbreite und eine gute Kaderspitze haben. Das haben Ferndorf und Krefeld den anderen Teams derzeit voraus.“ Außerdem habe sein Team gegen einige starke Teams zuerst zu Hause gespielt – im Handball ein durchaus ernst zu nehmender Faktor. Demnach hat die HG in der Rückrunde ein paar schwere Auswärtsspiele vor der Brust. „Im Wettbüro dürften Ferndorf und Krefeld klar die Nase vorn haben“, findet Kessler. Und in der nächsten Saison dann die HG Saarlouis?
„Bei der HGS haben sich neue Strukturen gebildet, die sehr erfolgversprechend sind“, findet jedenfalls Yves Kunkel, der an seiner künftigen Wirkungsstätte „nochmals etwas bewegen“ möchte. In seiner Karriere hat der Rechtshänder schon vieles bewegt: Mit den Nachwuchsteams der deutschen Nationalmannschaft wurde er U18- und U20-Europameister und holte bei der U19-WM 2013 die Bronzemedaille. In Saarlouis wurde Horst „Hotte“ Bredemeier auf ihn aufmerksam und holte ihn zum Erstligisten GWD Minden. Zur Saison 2015/16 wechselte Kunkel dann nach dem Mindener Abstieg zum HBW Balingen-Weilstetten, wo er in der Folge-Saison insgesamt 171 Treffer erzielte. Ab Sommer 2017 stand er beim SC DhfK Leipzig unter Vertrag, bevor er zur MT Melsungen wechselte und vier Jahre lang auf hohem Niveau in der Bundesliga spielte. Mit dem Wechsel zum damaligen Oberligist TV Homburg zur Saison 2022/2023 startete der Familienvater das zweite „saarländische Kapitel“ seiner sportlichen Vita.
„Er ist ein echter Zocker“
Dies fing mit dem Aufstieg in die Dritte Liga planmäßig an. Seither bleibt der TVH allerdings weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. „Bei der Kaderzusammenstellung musste man davon ausgehen, dass sie weiter oben platziert sein würden. Es gehören einige erfahrene Spieler dazu, die auch schon oberhalb der Dritten Liga Erfahrung gesammelt haben. Von daher bin ich über den letzten Tabellenplatz etwas überrascht“, gibt Philipp Kessler zu. Er weiß aber auch: „Die Erwartungshaltung an Spieler, die aus höheren Ligen kommen, ist enorm hoch. Dabei müssen sie in ihre neue Aufgabe erst einmal hineinwachsen. Letztlich sind solche Spieler auch nur einzelne Teile des großen Puzzles.“
Das gilt auch für HG-Leistungsträger Lars Weissgerber. Der Linkshänder war zu Beginn der laufenden Saison nach fünf Jahren bei Erstligist HSG DJK Wetzlar zu seinem Heimatverein nach Saarlouis zurückgekehrt. Nach Jahren auf der Außenposition ist er zwei Ligen tiefer auf der verantwortungsvolleren Position im rechten Rückraum gefordert. „Ich kenne Lars schon sehr lange. Er ist ein ausgebuffter Außen, ein echter Zocker. Das hilft ihm natürlich, sich auch im Rückraum zurechtzufinden. Er hat ein sehr gutes Auge und sieht immer, was der Torhüter macht“, schwärmt Trainer Kessler von seinem Schützling, mit dem er noch zusammen im HG-Dress auf dem Feld stand, und lobt: „Gerade im zweiten Teil der Hinrunde ist er deutlich stärker geworden. Von daher bin ich mit seiner Entwicklung sehr zufrieden.“
Weil er auch mit der Entwicklung von Weissgerbers Teamkollegen sehr zufrieden ist, wird es im Winter keine Neuverpflichtungen geben. Bis auf Kevin Suschlik, der nach einem Adduktoren-Abriss länger ausfällt, sind alle Akteure zum Vorbereitungsauftakt an Bord. Suschlik wurde erfolgreich operiert, wann er wieder in den Trainingsbetrieb einsteigen kann, ist allerdings noch unklar.