Die Gastronomie entdeckt Sanktionen gegen die Essensverschwendung
Wenn wieder irgendwo auf der Welt eine von Menschen gemachte Hungersnot wütet, kommt stets ein Thema in den reichen und satten Ländern aufs Tablett der öffentlichen Wahrnehmung: die Verschwendung und Vernichtung von Nahrungsmitteln.
Nach Schätzungen von Experten landen in Deutschland jährlich rund 20 Millionen Tonnen oft noch genießbarer Lebensmittel im Müll und in der Bio-Tonne. Doch Lebensmittelverschwendung ist längst ein globales Problem. Weltweit wird etwa die Hälfte der produzierten Nahrungsmittel verschwendet. Für Deutschland schätzt man, dass ein Drittel aller Nahrungsmittel nicht verzehrt wird.
Die Gründe dafür sind vielfältig, etwa die perfektionistischen Ansprüche der Verbraucher. Diese haben dazu geführt, dass es für jedes Produkt ein Ideal und für das Ideal häufig sogar Richtlinien und Verordnungen gibt – etwa die Krümmung der Gurke, die Farbe von Tomaten und den Durchmesser von Äpfeln. Obst und Gemüse, das nicht den Vorgaben und Normen entspricht, wandert meist in den Müll. In die Regale des Handels gelangt also nur absolut perfektes Obst und Gemüse, ein guter Teil des geernteten Obsts und Gemüses schafft es allein wegen seines Aussehens nicht dorthin.
Von den Lebensmitteln, die es bis in die Küchen der Endverbraucher schaffen, wandert in Deutschland nach Schätzungen des Verbraucherschutzministeriums wiederum etwa ein Viertel in den Müll, die meisten davon wegen eines abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums. Dabei ist vieles davon noch einwandfrei und absolut genießbar.
Eine bislang in der Öffentlichkeit kaum thematisierte, aber beschämende Verschwendung von Nahrungsmitteln findet bei allen möglichen Events statt: im All-you-can-eat-Restaurant ebenso wie am Büfett im Urlaubshotel, auf Kreuzfahrtschiffen, der After-Show-Party und vielem mehr. Augenzeugen berichten, dass als Folge von All-you-can-eat bei vielen Nahrungssuchenden die eherne Regel zu gelten scheint: Pack Dir den Teller so voll, wie du kannst, und nimm dir so viele Teller, wie du tragen kannst.
Und das Ganze immer von der Furcht der Kämpfenden getrieben: Wer weiß, ob die Mozzarella-Häppchen, die Garnelen- und Hühnerfilet-Spießchen, die Wachteleier mit Kaviar oder die Hackfleischbällchen alle sind, wenn du noch mal ans Büfett gehst – und du für dein Geld nicht genug abbekommen hast. Was den Schluss zulässt, dass der Geist am Büfett völlig frei ist von moralinsaurer Rücksichtnahme und genussfeindlicher Bescheidenheit.
Der Trend zum All-you-can-eat am kalten Büfett zeigt verehrende Wirkungen. Nicht nur auf der Taille oder bei den zwischenmenschlichen Beziehungen, wenn plötzlich alle ringsum von Verbündeten zu Gegnern der Schlacht am Büfett mutieren. Nein, die verheerendsten Wirkungen zeigen sich später am Ende der Völlerei – in prall gefüllten Kübeln mit Essensresten. Abfallberge werden zum Statussymbol, die ein gelungenes Büfett auszeichnen. Und alles muss vernichtet werden!
Und weil das nicht nur ein gesellschaftliches Problem ist, sondern für die Wirte und Veranstalter der Büfett-Schlacht längst auch ein Kostenproblem, sind findige Gastronomen auf einen Ausweg verfallen. Nicht nur, dass sie die Teller von Natur aus klein und schwer gemacht und die Nahrungsausgabe am Büfett möglichst weit von den Essplätzen entfernt untergebracht haben.
Wenn auch mit wenig Erfolg. Stattdessen fängt die Gastronomie inzwischen an, marktwirtschaftliche Gesetze als Regulativ bei All-you-can-eat-Ereignissen anzuwenden. Endlich, möchte man hinzufügen.
Laut „Süddeutsche Zeitung“ erhebt beispielsweise das Asia Oriental Gourmet in Wilhelmshaven, das für seine Büfett-Genüsse bekannt ist, eine Strafgebühr für nicht geleerte Teller. Für übrig gebliebene Speisen muss der Gast pro 100 Gramm 3,50 Euro bezahlen. Im Asia-Restaurant Fang in Rhauderfehn in Ostfriesland beträgt das Bußgeld für Prasserei pauschal sogar zehn Euro.
Das zeigt, es rührt sich was in der Gastronomie-Verschwendungsszene. Das macht Hoffnung. Gerade auch für Kinder und Jugendliche, die auf diesem Weg lernen, dass man nicht alles straflos zusammenraffen soll, was man kriegen kann. Das kalte und warme Büfett als Schule des Lebens – wer hätte das gedacht.