Wie uns Rassismus in der aktuellen Bildungskrise weiterhelfen könnte
Ist es „Whitefacing“, was Denzel Washington betreibt? Der beliebte US-amerikanische Charakterdarsteller soll Hannibal spielen. Nicht den Serienmörder litauischer Herkunft mit der Vorliebe für Chianti in Kombination mit Menschenfleisch. Den Feldherrn aus der Antike, der mit Elefanten über die Alpen zog und beinahe Rom bezwungen hätte, stellt der zweimalige Oscar-Gewinner in einer Netflix-Produktion dar. Im Netz ist – natürlich – eine Diskussion darüber entbrannt, ob „so ein Schwarzer“ diese Rolle überhaupt spielen darf.
Der echte Hannibal wurde im 3. Jahrhundert v. Chr. in Kathargo geboren. Die damalige Metropole lag nahe der heutigen tunesischen Hauptstadt Tunis. Es ist also davon auszugehen, dass Hannibal einen etwas helleren Hautton als Denzel Washington hatte. Zumal des Feldherrn Vater von der Iberischen Halbinsel stammte.
„Konservative Kreise“, wie es verharmlosend heißt, nennen solch eine Besetzung „Race Swapping“, also „Rassentausch“. Das ist quasi das Gegenteil von „Whitewashing“. Dies wiederum ist das Besetzen von Darstellern mit heller Hautfarbe in Rollen, deren Charaktere einer anderen Ethnie angehören. Angelina Jolie etwa trug eine schwarz-krause Perücke und wurde dunkel geschminkt, um in „Ein mutiger Weg“ die französische Journalistin Mariane Pearl zu verkörpern, Tochter einer kubanischen Mutter und eines niederländisch-jüdischen Vaters.
Wenn also die US-Amerikanerin Halle Bailey das Fabelwesen Meerjungfrau spielt, gibt es tatsächlich Leute, die in sozialen Medien laut aufbellen und geifernd in ihre Tastaturen hacken, um „Race Swapping“ anzuprangern. So passiert anlässlich Disneys Realverfilmung des hauseigenen Klassikers „Arielle, die Meerjungfrau“, der Zeichentrick-Adaption einer Märchenerzählung des dänischen Dichters Hans Christian Andersen. Kleiner Hinweis: Halle Bailey hat keine roten Haare wie Arielle im Original.
Genau diese „Konservativen“ applaudieren andererseits lauthals, wenn die amerikanisch-dänische Schauspielerin Scarlett Johansson in einem Science-Fiction-Film einen Cyborg spielt, der die Erinnerungen einer japanischen Frau in sich trägt („Ghost in the Shell“). Oder wenn Mickey Rooney in „Frühstück bei Tiffany“ ziemlich rassistisch einen japanischen Nachbarn stereotyp darstellt. Oder wenn der reichlich hellhäutige Brite Ralph Fiennes in einer TV-Serie Michael Jackson gibt.
Nein, die Schweiz gehört eher nicht zum natürlichen Habitat von afrikanischen und indischen Kriegselefanten. Es ist ebenso bemerkenswert wie verstörend, mit welchem Hass sich mittelalte Männer und Frauen mit heller Hautfarbe in Themen einarbeiten können, wie die tatsächliche Herkunft eines Feldherrn, der Tierquälerei betrieb, mit völkerrechtswidrigen Angriffskriegen illegale Landgewinne erzielte und beinahe Europa überrannt hätte. Da hätte es das Heilige Römische Reich vielleicht sogar nie gegeben.
Auf der anderen Seite muss man fast um jedes bisschen Bildung froh sein, das dieser Menschenschlag aufnimmt. Immerhin scheint es einen direkten Zusammenhang zwischen ausgeprägten Vorurteilen und geringem Bildungsniveau zu geben.
Aber zurück zu Denzel Washington. Eventuell wird die Kritik an seiner Darstellung ja auch eher leise ausfallen, da die Tastatur-Rassisten vermutlich auch einen seiner „Equalizer“-Streifen gesehen haben. Da haben die Gaming-Stuhl-Täter vielleicht Angst, die Filmikone werde ihnen in der Art seines Robert McCall mit einem Korkenzieher auflauern.
Ich selbst halte es wie ein Kommentator in einem sozialen Netzwerk: Von mir aus könnte Denzel Washington auch seinen Namensvetter George Washington spielen. Das ist einer der Väter der amerikanischen Verfassung, die als Meilenstein auf dem Weg zu demokratischen Grundrechten gilt, auf die sich auch reaktionäre Geister gerne beziehen – solange man eine gewisse Hautfarbe hat.
Zeit also, allgemeine Menschenrechte zu akzeptieren. Wer einen ersten Schritt machen möchte, kann sich etwa „Reaction-Videos“ bei Youtube zu „Arielle, die Meerjungfrau“-Trailern anschauen. Da weinen dunkelhäutige Mädchen bittere Tränen – weil diese zum ersten Mal eine Schwarze als positiv besetztes Rollenbild sehen.