Messen, Konzerte und andere Veranstaltungen produzieren riesige Abfallmengen. Doch nicht immer muss alles in der Tonne landen. Einige Initiativen zeigen, wie es besser geht.
Ob Holzlatten, Pressspanplatten oder Teppiche: Es gibt kaum ein Material, das Fabian Höffner noch nicht gerettet hat. „Letztens waren wir in Zürich“, erzählt der 32-Jährige, „da sind zwanzig Tonnen Abfall bei einem vierstündigen Event angefallen“. Er kann es immer noch kaum fassen. „Zwanzig Tonnen“, wiederholt er, „die ohne uns einfach entsorgt worden wären“.
Höffner ist Gesellschafter der Trash Galore GbR. Die 2018 in Leipzig gegründete Initiative holt Gegenstände ab, die nach Messen und anderen Großveranstaltungen übrig bleiben. „Allein letztes Jahr haben wir über 84 Tonnen gerettet“, sagt Höffner. „Wir verschenken sie, wo sie gebraucht werden, meist direkt vor Ort.“ Zu den Abnehmern zählten soziokulturelle Zentren, landwirtschaftliche Betriebe, Theater oder Behindertenwerkstätten. Für fast alles finde sich eine Verwendung. „Aus einem PVC-Banner kann man zum Beispiel super ein Zelt machen“, sagt Höffner.
Über 84 Tonnen Materialien gerettet
Die Arbeit der Initiative wirft ein Schlaglicht auf ein bislang kaum bekanntes Problem: Messen sind gigantische Müllproduzenten. „Bei solchen Veranstaltungen kommen sehr viele Menschen in sehr kurzer Zeit zusammen“, sagt Christina Dornack, Professorin für Abfall- und Kreislaufwirtschaft an der TU Dresden. Zum einen verursache die Anreise per Auto und Flugzeug viel CO2. Zum anderen landeten viele Gegenstände einfach im Müll, und zwar nicht nur die Gestänge der Messestände. „Das fängt beim Einweggeschirr an und hört bei den Namensschildern auf“, weiß die Expertin. „Trotzdem habe ich das Gefühl, dass zumindest das Problem-bewusstsein zunimmt.“
In harten Zahlen lässt sich dieses Gefühl nur schwer fassen, denn es gibt keine Instanz, die das jährliche Abfallaufkommen misst. Bei einer Umfrage unter deutschen Messestandorten zeigt sich, dass recht unterschiedlich mit der Thematik umgegangen wird. So können Köln und München keine konkreten Zahlen nennen, wie viel Müll bei ihnen jährlich anfällt. Aus Hannover hingegen liegen Daten vor: Der vorläufige Abfallbericht der Deutschen Messe AG geht von einer Müllmenge von 2.600 Tonnen im Jahr 2022 aus. Davon seien 19 Prozent recycelt und knapp 80 Prozent „thermisch verwertet“ worden – also verbrannt. „Auf das Abfallaufkommen haben wir als Veranstalter nur bedingt Einfluss“, heißt es von der Messefirma. Die Verwertungsquoten hingen im Wesentlichen vom Verhalten der Besucher und Aussteller ab.
Ganz anders ist die Herangehensweise in Frankfurt: Zwar fällt auch dort regelmäßig viel Müll an – allein im vergangenen Jahr waren es rund 5.600 Tonnen. Aber: „Insgesamt liegt die Wiederverwertungsquote auf unseren Veranstaltungen bei über 90 Prozent“, sagt Wolfgang Marzin, Vorsitzender der Geschäftsführung. Erreicht worden sei dieser hohe Wert unter anderem durch eine gute Mülltrennung und durch Abfallberater, die Aussteller schon im Vorfeld sensibilisieren.
Anders als die meisten anderen Messegesellschaften liefert die Messe Frankfurt auch eine ausführliche Antwort auf die Frage, was genau mit dem anfallenden Müll passiert. „Wir können detailliert monitoren, welche Reststoffe auf dem Messegelände anfallen“, antwortet die Pressestelle. „So sind ein Großteil der Abfallmengen keine Teppiche, sondern ein sehr großer Anteil besteht aus recycelbarem Holz, das wiederum als Baumaterial wie zum Beispiel für OSB-Platten genutzt werden kann. Papier wird als Rohstoff für die Papierproduktion eingesetzt. (…) Die Gangteppiche werden nach der Nutzung recycelt und das Granulat wird als Beimischung zur Produktion neuer Teppiche und für Kunststoffspritzguss und Ähnliches genutzt.“
Darüber hinaus kümmert sich eine Tochtergesellschaft, die Messe Frankfurt Fairconstruction, um den sogenannten Systemstandbau. Bei Systemständen handelt es sich um Messeaufbauten, die mehrfach verwendet werden können. „Dadurch wird der Wiedereinsatz von (Miet-)Materialien garantiert, die größtenteils auf dem Messegelände gelagert werden, sodass kurze Transportwege entstehen“, erklärt das Unternehmen. Auf Wunsch produziere die Messe Frankfurt Fairconstruction auch individuell. „Hierbei wird überwiegend mit regionalen Servicepartnerinnen und -partnern zusammengearbeitet, sodass Transportwege ebenfalls reduziert werden. Grundsätzlich bieten wir immer die Option, auf nachhaltigere Verbrauchsmaterialien zurückzugreifen.“
„Einlagern ist teurer als neues Material“
Am Ende profitiert nicht nur die Umwelt, sondern auch der Geldbeutel: „Aussteller haben einen finanziellen Vorteil, je weniger Abfall sie produzieren“, heißt es aus Frankfurt. Immerhin werde der Abfall den Ausstellern „verursachergerecht“ in Rechnung gestellt.
Auch andere Messestandorte wollen weniger wegwerfen. In Berlin (3.900 Tonnen Müll im Jahr 2022) arbeitet die Messe GmbH unter anderem mit der lokalen Tafel zusammen, um übrig gebliebene Lebensmittel an Bedürftige zu spenden. Im Mai gab es zudem einen Aktionstag, bei dem Mitarbeitende „Tiny Houses“ für Obdachlose bauten. Das Material dafür stammte aus ehemaligen Messeständen. Die Münchener Messegesellschaft wiederum arbeitet mit dem Projekt „Treibgut“ zusammen, das Material für Kulturschaffende sammelt. Außerdem stelle man dem Stadtfest Holz zur Verfügung.
Abnehmer gibt es genug. Die Online-Landkarte der „Initiativen für Materialkreisläufe“ zeigt 13 Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in denen es entsprechende Sammel-Initiativen gibt. Trash Galore, das Start-up aus Leipzig, hat aus dem Event-Überfluss mittlerweile ein funktionierendes Geschäftsmodell entwickelt. Gegen Gebühr holt die Firma übrig gebliebene Materialien nach den Veranstaltungen ab; für dieses Jahr erwarte man einen Umsatz von 250.000 Euro. Als Entsorger versteht sich Trash Galore aber explizit nicht – immerhin werden die Materialien im Anschluss verschenkt.
Doch so munter die Spenden auch fließen: Das Grundproblem der Müllberge ist damit noch nicht gelöst. „Wir sind eine Nische und lindern nur ein Symptom“, räumt Mitgründer Fabian Höffner ein. „Eigentlich sollten die Gegenstände wiederverwertet werden. Aber für Aussteller ist das Einlagern immer noch teurer, als neues Material zu kaufen. Außerdem wollen viele Unternehmen, dass ihre Stände jedes Jahr anders aussehen.“
Das Umweltbundesamt hat einen Leitfaden für die nachhaltige Organisation von Veranstaltungen herausgegeben. Auf Messen empfiehlt das Amt langlebige, recycelbare und gesundheitlich unbedenkliche Materialien. Statt PVC könne man zu zertifiziertem Holz greifen oder Produkte mit dem „Blauen Engel“ nutzen. Klingt gar nicht so kompliziert, wenn man einmal darüber nachdenkt.