In trockenen, heißen Sommern sind die Feuerwehren in Habachtstellung. International nehmen Waldbrände zu. Deshalb spezialisieren sich mittlerweile sogar Unternehmen auf die Waldbrand-Früherkennung.
Wenn ein Wald zu brennen beginnt, zählt jede Minute. Ein kleines Unternehmen in Berlin, das eigentlich aus der Raumfahrt kommt und sich mit Satellitenkommunikation beschäftigt, hat sich auf Waldbrand-Früherkennung spezialisiert. Gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurde im Wissenschafts- und Technologiepark Berlin-Adlershof eine Detektionssoftware mittels Sensoren entwickelt, die vor genau 20 Jahren erstmals zum Einsatz kam. Mittlerweile wird der eine Million Hektar große Wald des Bundeslandes Brandenburg zu fast 100 Prozent von den Früherkennungssensoren abgedeckt.
Brandenburg ist wegen seiner Kiefernwälder und trockenen Sandböden besonders brandgefährdet, erzählt Kurt Winter, seit vier Jahren Geschäftsführer von IQ Firewatch. „Dort, wo früher die Firespotter auf Feuerwachtürmen den ganzen Tag bei 40 Grad bei durchaus schwierigen Arbeitsverhältnissen mit dem Fernglas in der Hand gestanden sind, haben wir unsere Sensoren platziert.“ Gern werden heute auch Mobilfunktürme dafür verwendet. Fünf bis zehn Meter über den Baumkronen sind ideal. Die erkannten Rauchereignisse werden dann in eine Zentrale übermittelt.
Zeitfaktor ist entscheidend
„Dort sitzt Personal, meistens sind es diejenigen Leute, die vor vielen Jahren auch auf den Feuerwachtürmen gestanden haben“, sagt Winter. „Die können es sehr gut einschätzen, ob es sich um Brand oder Staub von einer Landmaschine oder anderes handelt.“ Denn nicht immer sei der Rauch eindeutig zu erkennen. Nach der Beurteilung geht im Brandfall der Alarm weiter an die Feuerwehr.
Die Kamera mit ihren drei Sensoren dreht sich in vier bis sechs Minuten um 360 Grad und bleibt ungefähr alle zehn Grad stehen, wobei etwa acht bis zehn Bilder aufgenommen und weitergeleitet werden. Ungefähr 450 Systeme hat das Unternehmen in aller Welt im Einsatz, von Patagonien in Chile über die Weinbauregion des Napa Valley in Kalifornien bis Kasachstan.
Die Früherkennung mittels Kamera-Sensoren kann auf bis zu 30 Kilometer Entfernung einen Brand auf fünf bis zehn Meter genau bestimmen und weitermelden. Damit ist dieses System einer Satellitenüberwachung überlegen, weil deren Branderkennung einmal durch Wolken eingeschränkt ist, ein anderes Mal aufgrund eines spiegelnden Solarpanels Fehlalarm auslöst, sagt der Verkaufschef von IQ Technologies, Thomas Fiessler. „Die Satelliten sind durchaus in der Lage, Hitzesignaturen auf der Erde zu erkennen. Sie sind aber leider nicht ständig über dem zu überwachenden Gebiet, weil sie nicht geostationär sind.“ In der Früherkennung kommt es auf den Zeitfaktor an, das heißt, es muss innerhalb von 15 Minuten nach Ausbruch des Brandes die Alarmierung erfolgen.
In Gebirgsregionen ist diese Form der Früherkennung von Waldbränden allerdings schwierig: Sensoren können nicht über Berge blicken und dort aufsteigenden Rauch erkennen. Dennoch ist IQ Technologies derzeit im Alpenland tätig: bei einem Pilotprojekt, an dem es gemeinsam mit den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) arbeitet. Es geht um die Früherkennung von Böschungsbränden. Die Sensoren entlang der Bahnstrecken könnten entstehende Feuer sofort detektieren.
„Früher hat man als Präventionsmaßnahme die Böschungen abgebrannt, wodurch diese weniger leicht Feuer fangen konnten“, sagt Winter. Infolge von Bremsvorgängen können nämlich mitunter glühende Teilchen von den Bremsbacken abspringen und Böschungsbrände entfachen. „Wenn das auf den Wald übergreift, ist das ganz schnell unangenehm.“
In Kanada sind seit Beginn dieses Jahres 100.000 Quadratkilometer Wald und andere Landschaften durch Brände zerstört worden. Das entspricht mehr als der Gesamtfläche Österreichs. Noch sind die Bilder der kanadischen Waldbrände präsent, deren Rauch New York in dichten Nebel gehüllt hat. Deshalb ist die Sorge groß, dass auch in unseren Breiten Waldbrände zur Gefahr für Großstädte werden könnten. Etwa für Wien, das im Westen, woher meist der Wind weht, vom Wienerwald begrenzt wird. Doch Experten geben Entwarnung.
Die Voraussetzungen seien hier ganz andere als etwa in Kanada. Der Wienerwald besteht zu 60 Prozent aus Rotbuchen. „Buchen verursachen eine ganz andere Brandsituation als es in Kanada der Fall ist“, sagt der Forstdirektor der Stadt Wien, Andreas Januskovecz. „Wir haben Gott sei Dank gute, tiefe Böden mit normalerweise guter Feuchtigkeit. Das heißt, in diesen Dimensionen, wie das derzeit in Kanada abläuft, ist das für Wien nicht vorstellbar.“
Eine Einschätzung, die von der Wissenschaft geteilt wird, etwa von Harald Vacik vom Institut für Waldbau an der Universität für Bodenkultur in Wien. „Generell Nadelwälder bergen eine viel größere Gefahr für das Auftreten von Waldbränden“, sagt er. Es komme auf die Streuzusammensetzung an, auf Zapfen, Zweige, die von den Bäumen fallen, auf das Verhältnis von Oberfläche zur Feuchtigkeit, auf den Harzgehalt.
Hinzu kommt, dass es sich bei den brennenden Wäldern in Kanada wie auch in Südeuropa um Urwälder handelt, die kaum durch Wegenetze erschlossen sind. „Wir haben ein Kooperationsprojekt mit den Feuerwehren, wo wir zum Beispiel Risikopläne ausarbeiten, sodass die Vernetzung für den Ernstfall gut passt und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter quasi dann als Lotsen fungieren und die Feuerwehren als Löschende“, sagt die stellvertretende Leiterin des Forstbetriebs Wienerwald der Österreichischen Bundesforste, Alexandra Wieshaider.
Die Bundesforste sind der größte Waldbesitzer in Österreich. „Wir schauen auch jetzt schon drauf, dass die Zugangswege in Schutzgebieten, wo keine forstwirtschaftliche Nutzung stattfindet, auch weiterhin befahrbar bleiben, und denken da den Brandschutz mit“, sagt Wieshaider.
Noch etwas spielt eine zentrale Rolle: Im Wienerwald liegen zahlreiche kleinere und größere Gemeinden. Jede hat ihre freiwillige Feuerwehr – eine Institution, die eigentlich nur im deutschsprachigen Raum üblich ist. In den meisten anderen Ländern gibt es Berufsfeuerwehren. Die haben dann zu wenig Personal, um sich Waldbränden entgegenstellen zu können.
Drohnen mit Wärmebildkameras
Michael Gindl, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr von Purkersdorf, einer Wienerwaldgemeinde vor den Toren Wiens, zieht einen Vergleich: „Wenn man in den Nachrichten hört, dass in Kroatien bei einem Waldbrand über 150 Feuerwehrleute im Einsatz sind, entspricht das bei uns einer Größenordnung von einem Wohnhausbrand.“
Seit einigen Jahren werde bei den Freiwilligen Feuerwehren verstärktes Augenmerk auf Waldbrände gelegt, sagt Gindel, sowohl bei den Geräten wie bei der Ausbildung. Die Zunahme solcher Einsätze hat, von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, auch zu einer intensivierten internationalen Zusammenarbeit geführt.
„Unser letzter solcher Einsatz war in Nordmazedonien. Wir waren mit niederösterreichischen Einheiten und steirischen Einheiten vor Ort“, erzählt der Branddirektor von Wien, Mario Rauch. „Das ist etwas, das in den letzten Jahren häufiger geworden ist, weil es dementsprechende Mittel und die sogenannten EU-Module im Sinne des Katastrophenmechanismus gibt. Ein- bis zweimal im Jahr, in der Sommerzeit, kommen österreichische Einheiten irgendwo anders zum Einsatz.“
Umgekehrt halfen vor zwei Jahren Löschflugzeuge aus Italien beim bisher größten Waldbrand Österreichs, im niederösterreichischen Hirschwang an der Rax. Damals kämpfte dort auch die Wiener Berufsfeuerwehr gegen das Feuer. Wien hat als eine von sechs Landeshauptstädten eine Berufsfeuerwehr. Die älteste der Welt, mit 1.700 Einsatzkräften.
Wien verwendet zur Früherkennung weder Sensoren noch Satelliten. Die Stadt setzt laut Forstdirektor Januskovecz auf ein anderes Mittel: „An einem Sonntagabend fliegen wir mit Drohnen über Gebiete, wo besonders viele Erholungssuchende waren und auch Feuer gemacht haben, obwohl sie das nicht dürfen. Die Drohnen haben Wärmebildkameras drauf. Und da können wir Stellen detektieren, wo Feuer entstehen.“ Damit kein Funke übersehen wird.