Wir verbringen im Schnitt 10.000 Tage unseres Lebens mit Erwerbsarbeit. Trotzdem mangelt es an Fachkräften – auch für die Klimawende. Luis Hanemann und das „Project Together“ versuchen deshalb, Menschen und Klimajobs zusammenzubringen.
Herr Hanemann, wie kamen Sie auf die Idee für dieses Projekt?
Eigentlich sind es drei Akteure, die da entscheidend waren. Ich mache mir seit drei Jahren viele Gedanken darüber, was man gegen die Klimakrise tun, und wie ich meine Fähigkeiten einbringen kann. Mit dem Team von der gemeinnützigen Organisation Project Together kam ich letztes Jahr zusammen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte Interesse, ein Projekt zu unterstützen, das Open Social Innovation zeigt. Anfang des Jahres haben wir angefangen, hinter den Kulissen zu arbeiten, und vor ein paar Wochen war der offizielle Start.
Was ist mit Klimajobs gemeint?
Für uns sind das Jobs, die entscheidend sind, um die Klimaziele zu erreichen. Bei manchen Jobs ist das sehr offensichtlich, wie beispielsweise bei Installateuren von Solaranlagen und Menschen, die Wärmepumpen einbauen. Aber es ist auch die Busfahrerin oder der Schaffner im öffentlichen Nahverkehr.
Was bedeutet Open Social Innovation?
Im Endeffekt bedeutet es, dass man ein klares Ziel hat, aber der Weg dahin noch offen ist. In unserem Bereich wäre das Ziel, den Fachkräftemangel in den Klimajobs zu bekämpfen. Die Lösungsansätze für dieses Problem sind zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Medien, Expertengruppen und der Zielgruppe selbst – die häufig vernachlässigt wird –, ziemlich breit verteilt. Die Offenheit meint, dass man nicht weiß, welches der vielen Projekte erfolgreich sein wird. Außerdem ist es keine geschlossene Veranstaltung, wo ich oder sonst jemand entscheidet, wer mitmachen darf. Sondern am Anfang kann jeder mitmachen und sich einbringen. Der Innovationsteil ist der, dass man nicht genau weiß, was herauskommt, aber es in die richtige Richtung leitet. Und der soziale Teil meint, dass wir nur Ziele und Herausforderungen angehen, die gesamtgesellschaftlich relevant sind und es nicht darum geht, Geld zu verdienen.
Worum geht es Ihnen persönlich dabei?
Um das Klima. Aber auch, wenn man es nur volkswirtschaftlich sieht, ist dieses Projekt – wir nennen 10.000 Tage auch eine Mission – notwendig. Wenn wir das nicht hinbekommen, verliert Deutschland den Anschluss. Neben der Klimathematik muss Deutschland in der Lage sein, besser mit Fachkräftemangel umzugehen, eine Willkommenskultur aufzubauen und dafür zu sorgen, dass Auszubildende nicht ausgebeutet werden. Es gibt natürlich auch sehr viele Menschen ohne einen Schul- oder Berufsabschluss. Die Idealvorstellung wäre, Menschen eine berufliche Perspektive zu geben und etwas für das Klima zu tun.
Was genau kann man sich unter dem Projekt vorstellen?
Der Name Project Together trägt unsere Überzeugung in sich, dass man nur gemeinsam Probleme lösen kann. Die Politik kann es nicht allein schaffen, die Zivilgesellschaft kann es nicht, ebenso wenig wie einzelne Firmen oder Start-ups. Unter 10.000 Tage kann man sich einen Prozess vorstellen, der viele Menschen zusammenbringt. In diesem Prozess soll es um die Fragen gehen: Was sind die Herausforderungen? Was sind Wirkungsfelder? Was sind Lösungen?
Wir als Project Together bauen den Rahmen und öffnen Räume, aber das Ergebnis ist offen. Unsere primäre Aufgabe ist es, die richtigen Leute an den Tisch zu bekommen. Manchmal ist es ein echter physischer Tisch im Büro, manchmal aber auch der Zoom-Raum. Wenn man verschiedene Expertinnen und Experten in einem Format hat, kommen immer wieder Dinge auf, die gemacht werden müssten, aber nicht gemacht werden. Dann fragen wir ab, warum nicht. Am Anfang haben wir selbst von einem Thema noch relativ wenig Ahnung. Aber mit der Zeit kristallisiert sich heraus, wo die Herausforderungen liegen, und die gehen wir an. Das ist ein Weg, um systemische Veränderung voranzutreiben.
Haben Sie ein Beispiel?
Wir arbeiten mit dem Klimacampus Südwestfalen zusammen, um die bestehenden Aus- und Fortbildungen weiterzuentwickeln. Wir planen Solarcamps, wo junge Menschen lernen können, wie sie innerhalb von sieben bis zehn Tagen Solaranlagen installieren. Wir kooperieren mit einer Organisation mit dem Namen „Ohne Hände keine Wände“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen für die Arbeit im Handwerks-, besonders im Solarbereich, zu motivieren.
Einerseits geht es darum, die Menschen zusammenzubringen. Andererseits aber auch, sie zu unterstützen. Das tun wir, indem wir mit Einzelpersonen und Organisationen sprechen, um Lösungen zu schärfen. Und danach schauen wir, wen es für diese Lösungen braucht. Dann wird es eine Art Jury geben, die auswählt, welche dieser Lösungsansätze besonders vielversprechend sind. Und die bekommen dann eine finanzielle Förderung.
Welche Mittel stehen zur Verfügung?
Wir können auf Mittel von 1,5 Millionen Euro zugreifen. Wer wie viel bekommt, steht noch nicht fest, weil wir auch die Anzahl an Projekten noch nicht kennen. Aber grob kann man sagen, dass Summen zwischen 50.000 und 100.000 Euro pro gemeinsame Initiative zur Verfügung stehen.
In den Solarcamps arbeiten Sie zusammen mit Fridays for Future, richtig?
Das ist richtig. Um dieses Projekt erfolgreich zu machen, braucht es einmal jemanden wie Fridays for Future. Dann braucht es Ausbilder und Ausbilderinnen. Es braucht einen Ort, wo so etwas stattfinden kann. Und jemanden, der ein Zertifikat ausgeben kann, also entweder der Betrieb selbst oder eine externe prüfende Person. Im August ging es in Berlin mit den ersten Solarcamps los, aber auch noch in anderen Städten.
Stand jetzt haben sich schon circa 400 Interessenten bei Ihrem Projekt gemeldet. Wer sind diese Menschen?
Es ist total bunt. Wir haben Handwerkskammern, Leute aus Kommunen, relativ viele Menschen, die im Bereich Klima aktiv sind. Das kann ein Klimaschutzmanager oder eine Klimaschutzmanagerin einer Stadt sein, aber auch Menschen, die sich mit Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen beschäftigen. Wir haben Leute, die aus der Personalbrille auf das Thema gucken.
Zum Beispiel, wenn ein Unternehmen oder eine Gemeinde nicht ausreichend Fachkräfte findet. Dann bringen sie sich ein, um zu lernen, was sie tun müssen, um Menschen für die eigene Institution zu begeistern. Wir haben relativ viele Start-ups, die bewusst etwas Neues ausprobieren möchten. Weil sie davon überzeugt sind, dass sich nur so etwas ändern kann. Aus der Stiftungswelt haben wir viel Zuspruch und Teilnahme bekommen, auch aus Wohlfahrtsorganisationen und Gewerkschaften. Natürlich sind Leute dabei aus dem Ministerium, das uns fördert, aber auch aus anderen Bereichen der Politik, zum Beispiel Bürgermeister.
Wer fehlt Ihnen noch?
Uns fehlen noch Leute, die nah an jungen Menschen dran sind, beispielsweise Lehrerinnen und Lehrer. Wir sind super zufrieden mit der Anzahl der Leute, aber jetzt müssen wir eben gucken, wer noch fehlt. Und diese Menschen dann beim nächsten Aufschlag mitnehmen.
Was ist Ihre Vision?
Ich fände es großartig, viele Menschen begeistern zu können und aufzuklären, welche Möglichkeiten es gibt. Wer in Klimajobs arbeitet, tut etwas Gutes für das Klima und die Gesellschaft. Aber auch für sich selbst ist es einfach toll. Man spürt die Wirksamkeit und es sind sehr sichere Jobs. Alles wird elektrifiziert. Wenn ich Elektrikerin werde oder Solateur, sind die Jobs für die nächsten 30 Jahre auf jeden Fall gesichert.
Ich träume von einer Art Climate Career Institute: einem Ort, wo Menschen, die sich einbringen wollen, ankommen und dann Beratung erhalten, welche Möglichkeiten sie mit ihrem Hintergrund haben. Viele möchten sich gerne einbringen, wissen aber nicht genau wie.