Der persönliche CO2-Fußabdruck jedes Bundesbürgers muss kleiner als eine Tonne Kohlendioxid pro Jahr werden. Derzeit ist er laut Bundesumweltministerium mehr als zehnmal so groß. Wo können wir kürzertreten?
Noch bevor wir morgens unser Zuhause verlassen, haben unsere Beine erste Teile unseres CO2-Fußabdrucks hinterlassen: Dem Umwelt- und Verbraucherschutzministerium des Bundes zufolge entfallen 19 Prozent unseres persönlichen Anteils an klimarelevanten Emissionen auf das Wohnen. Fünf Prozent der durchschnittlichen CO2-Bilanz verursacht die Stromversorgung.
Natürlich könnten wir umziehen und schauen, ob wir ein neues Haus finden, dessen Emissionsbilanz beim Baumaterial gesenkt worden ist – nehmen wir mal an, um ein Fünftel. Das würde uns versöhnlicher gegenüber unserem Wohndomizil stimmen. Der Energieaufwand für die Herstellung von hochwertigem Beton aus Zement, Wasser, Gesteinskörnungen oder zunehmend auch speziellen Mehrstoffsystemen ist hoch. Gerade deshalb lohnt es sich hinzuschauen, was sich Forscher, Entwickler und Planer einfallen lassen, um die Öko- und Klimabilanz der Hochleistungs- und Dämmmaterialien zu verbessern.
Balkonkraftwerk spart 200 Euro Strom im Jahr
Charmant ist die Vorstellung, dass Material aus Hausmüllverbrennungsasche, die sonst verwendete Gesteinskörnung und den Zement im Beton zum Teil ersetzt, somit Schotter, Sand, CO2-Emissionen und Deponieraum einspart. Gut klingt es, 20 Prozent Zement einzusparen, weil der Feinanteil der Asche als Bindemittel aufbereitet wird: In Hessen forscht man an solchen Einsparpotenzialen, unter anderem an der Uni Kassel. In „Praxisbeispiele und Potenziale“ steht, dass aus solchen Beton-Rezepturen zunächst Demonstrationsprodukte hergestellt werden. Dabei konzentriert man sich auf Betonfertigprodukte ohne Stahlbewehrung. Konkret fertigt man mit klimafreundlicherem Beton Pflastersteine, Stadtmöbel und Betonblocksteine.
Ein anderes Forschungsprojekt, genannt „Ashcon“, geht gleichfalls der Frage nach, wie sich aufbereitete Müllverbrennungsaschen als Ausgangsstoff für Beton verwerten lassen.
„Ashcon“ gehört zur Maßnahme „Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft – Bauen und Mineralische Stoffkreisläufe (ReMin)“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Reichlich vorhanden ist auch Bauschutt. Wenn dieser „Abfall“ nicht auf Deponien landet, sondern als Baumaterial wiederaufbereitet wird, kann sogar Bauschutt die Klima- und Energiebilanz von Beton in unserem Wohnumfeld senken.
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH), hat einen weiteren Tipp parat: „Mit Balkonkraftwerken kommt die Energiewende zu Hause an. So können auch Menschen, die zur Miete wohnen oder weniger Budget haben, etwas fürs Klima tun – und für den eigenen Geldbeutel.“ Die DUH rechnet vor: „Je nach Ausrichtung können jährlich bis zu 550 Kilowattstunden Strom erzeugt werden, was beispielsweise 900 Waschgängen einer Waschmaschine entsprechen kann.“ Balkon-Kraftwerke können somit im Jahr 200 Euro Stromkosten und über 200 Kilogramm Kohlendioxid pro Haushalt sparen.
Einfache Solarmodule finden nicht nur am Balkongeländer, sondern auch im Garten oder auf der Terrasse einen Platz. Selbst Verbraucherschützer schwärmen von der privaten Photovoltaikanlage neben Petunien und Petersilie: Wenn der eigene Strom tagsüber fürs Kochen oder Waschen verwendet wird, können nachts Filme und Musikvideos genossen werden, ohne Energierechnung und Umwelt insgesamt zu stark zu belasten.
Wie viel an Emissionen jeder individuell auf dem Weg zur Klimaneutralität einsparen könnte, thematisiert auch der E.on-Zukunftsindex. Er ist sortiert nach „Energiewende Zuhause“, „Verkehrswende“ und „Verbrauchswende“, also nach Plänen und Möglichkeiten der persönlichen Energie- und Verbrauchswende, neben den Potenzialen, die Fahren und Speichern mit E-Autos bereithalten. Ein Marktforschungs- und ein Analyse-Unternehmen haben für den Energiekonzern am Index mitgewirkt.
Civey hat 10.000 Menschen dazu befragt, wie sie erneuerbare Energien in ihr Leben zu Hause einbauen wollen. Tobias Federico, Gründer und Geschäftsführer von Energy Brainpool, erklärt, was Daten-Experte daraus machten: „Die CO2-Einsparpotenziale haben wir in umfassenden Hochrechnungsverfahren auf Basis der Umfrageergebnisse, externer Datenquellen und Modellierungsverfahren ermittelt.“ Heraus kam, dass mehr als zehn Prozent der Menschen in Wohnungen, die noch keine Balkon-Solaranlage besitzen, dieses Manko innerhalb eines Jahres beseitigen wollen. Mehr als 16 Prozent der Hausbesitzer planen, bald Photovoltaik auf ihren Dächern zu installieren. Sollte das tatsächlich wahr werden, wären – dem Zukunftsindex des Energieunternehmens zufolge – allein daraus resultierend rechnerisch fast vier Millionen Tonnen Kohlendioxid-Einsparung möglich.
CO2-Schnellcheck beim Umweltbundesamt
Professor Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau wünscht sich – wie so viele – nachhaltige Städte, die im Bedarfsfall auf saugstarken, grünen Böden Wasser von den Oberflächen wegleiten. Zuerst speichern solche „Schwammstädte“ den Regen, können bei Hitze über Verdunstung aber auch zur Abkühlung beitragen. Der Bauingenieur sagt: „Wir müssen Städte nach dem Prinzip Schwammstadt errichten und wir müssen entsiegeln statt versiegeln.“ Gebbeken fordert deshalb: „Jede Anstrengung, Fläche zu entsiegeln und multifunktional zu nutzen, sollte belohnt werden. Das fängt schon im Kleinen an, zum Beispiel bei Privatleuten, die auf Steingärten verzichten und stattdessen auf viel Grün setzen.“
Doch wie stellen wir fest, wo wir in unserem persönlichen „Klimopoly“ stehen, und welche Schritte uns weiterbringen, damit wir im Kampf ums Klima nicht auf die Verliererseite rutschen? Etwa 30 Minuten dauert es, mithilfe des Umweltbundesamts (UBA) mittels eines CO2-Rechners auf der Webseite das eigene Umweltverhalten zu erkunden. Den eigenen CO2-Schnellcheck oder eine detaillierte CO2-Bilanz kann man mit dem Bundesschnitt vergleichen und ein persönliches Zukunftsszenario erstellen. Das Ergebnis des CO2-Rechners bekommt man in Form von CO2-Bilanz -Äquivalenten in Tonnen pro Jahr (t CO2e). Tipps für den Alltag gibt es obendrauf, damit der Fußabdruck kleiner wird.
Auch andere bieten solche Checks des persönlichen Klima-Lifestyles an. Juliane Petrich vom TÜV-Verband erklärt, warum nicht nur Kohlendioxid zu den CO2-Äquivalenten zählt: „Neben Kohlenstoffdioxid sind Methan und Lachgas weitere Treibhausgase, die Wärme in der Erdatmosphäre halten und die in die Berechnung des CO2-Fußabdrucks einfließen. Der Einfachheit halber wird die Menge der Treibhausgase bei der Messung in die jeweilige Menge CO2 umgerechnet, die im betrachteten Zeitraum die gleiche Erderwärmung verursacht. Das Ergebnis sind CO2-Äquivalente.“
Beim Erproben neuer Wege bei unserem Bummel durch den neuen Klima-Lifestyle sollten wir uns allerdings nicht zu viel Zeit lassen. Denn sonst rutscht das Klimopoly-Spielbrett über den Kipppunkt, während wir noch überlegen.