Knapp ein Drittel der Hauptrunde ist absolviert, und die Eisbären Berlin thronen an der Spitze der Deutschen Eishockey-Liga. Das Team zeigt sich im Vergleich zur Vorsaison fundamental verbessert. Das hat viele Gründe.
Der Eisbären-Tag steht wieder vor der Tür – und diesmal soll er einer für die Geschichtsbücher werden. Für das große Fest am 18. November sind nicht nur Hüpfburgen für die Kleinen und ein umfangreiches Programm mit zahlreichen Mitmach-Stationen auf dem Vorplatz der Mercedes-Benz-Arena geplant. Der deutsche Eishockey-Rekordmeister will auch so viele Menschen wie möglich locken, um vor dem Highlight am Abend beim DEL-Spiel des Männer-Teams gegen die Grizzlys Wolfsburg noch eine Bestmarke zu knacken. Beim Heimspiel der Eisbärinnen gegen die EC Bergkamener Bären peilt der Club einen neuen Zuschauerrekord der 1988 gegründeten Damen Eishockeyliga an. Die 1.632 Besucher aus dem Finale zwischen Memmingen gegen Planegg am 16. März 2019 gilt es zu übertreffen, „diese Anzahl wollen wir unbedingt zusammen pulverisieren“, schrieb der Club auf seiner Internetseite: „Kommt alle vorbei! Euer Ticket für die DEL-Partie gegen die Grizzlys Wolfsburg ist auch für das Damenspiel gültig.“
Großer Publikumsmagnet
Das Männer-Team benötigt aktuell kein großes Marketing, um die 14.200 Zuschauer fassende Halle am Ostbahnhof vollzubekommen. Die Spieler sorgen selbst für das beste Marketing: Erfolg. Durch das 4:1 am vergangenen Sonntag gegen Vorjahres-Finalist ERC Ingolstadt haben die Eisbären ihre Tabellenführung in der DEL behauptet. Die Mission Wiedergutmachung für die katastrophale Vorsaison, als die Eisbären sogar die Pre-Play-offs verpasst hatten, ist bislang ein voller Erfolg. Die elftägige Spielpause wegen des Deutschland-Cups in Landshut können die Berliner also maximal genießen. Am 16. November geht es mit einem Gastspiel bei den Augsburger Panther weiter, ehe zwei Tage später beim offiziellen Eisbären-Tag das Heimspiel gegen Wolfsburg ansteht. Gespielt wird am neuen Samstag-Termin der DEL zur Primetime um 20 Uhr.
„Jetzt freue ich mich, mal ein paar Tage mit der Familie zu verbringen“, sagte Marcel Noebels. Der Stürmer hatte mit Bundestrainer Harold Kreis vereinbart, dass er bei den ersten Länderspielen nach dem sensationellen Gewinn der WM-Silbermedaille im vergangenen Mai nicht dabei sein wird. In der Pause wolle er sich erholen, neue Kraft tanken – und sich über seinen 400. DEL-Scorerpunkt freuen, den er im Spiel gegen Ingolstadt geholt hat. „Ein kleiner Meilenstein für mich persönlich“, sagte der 31-Jährige: „Aber noch schöner ist es, dass wir bei einem sehr guten Gegner drei Punkte geholt haben.“ Nach 18 Spielen haben die Eisbären bereits 39 Zähler auf dem Konto, einzig die Pinguins Bremerhaven (36) und Straubing Tigers (36) konnten da einigermaßen mithalten. Titelverteidiger Red Bull München (31) und Vizemeister Ingolstadt (23) sind deutlich schlechter in die Hauptrunde gestartet. „Da, wo wir jetzt stehen, wollen wir auch bleiben“, sagte Noebels: „Ich glaube, es macht unheimlich Spaß, uns zuzugucken. Da wollen wir weitermachen.“ Der Routinier warnte aber auch vor Selbstzufriedenheit: „Die Saison ist noch lang, bis jetzt können wir uns davon nichts kaufen.“
Es ist auch diese Demut, die ein Grund für den Berliner Höhenflug ist. Niemand hat die Vorsaison vergessen, sie scheint eine extreme Motivation innerhalb des gesamten Clubs zu sein. Doch es gibt noch andere Gründe, warum der DEL-Rekordchampion in dieser Spielzeit ein völlig anderes Gesicht zeigt. Bei den Neuzugängen hatten die Club-Verantwortlichen ein sehr gutes Händchen: Ob Tobias Eder, Frederik Tiffels, Blaine Byron, Ty Ronning, Kai Wissmann oder Jake Hildebrand – alle überzeugen. Und sie haben dem Kader eine Tiefe gegeben, die das Team deutlich unausrechenbarer macht. „Es ist schön zu sehen, dass alle vier Reihen ihren Beitrag leisten“, sagte Trainer Serge Aubin. Für die große Ausgeglichenheit im Kader spricht auch, dass Berlin sowohl die meisten Tore (73) als auch die wenigsten Gegentreffer (37) auf dem Konto hat. Zudem hat das Verhältnis zu den eigenen Fans durch die enttäuschende Vorsaison nicht gelitten, die Spieler zahlen das Vertrauen der Anhänger mit Leistung auf dem Eis zurück. Doch auch auswärts mit weniger Fan-Unterstützung läuft es prima: Die vergangenen sechs Spiele auf fremdem Eis wurde allesamt gewonnen – bei einem Torverhältnis von 37:9.
„Wir laufen 60 Minuten ohne Wenn und Aber“
Ein Hauptgrund für den Sprung an die Tabellenspitze ist auch das gestiegene Fitnesslevel. Die Eisbären bestechen in dieser Saison durch ihre aggressive Spielweise, die sie über das gesamte Spiel durchziehen können. „Wir sind unglaublich fit, wir laufen 60 Minuten ohne Wenn und Aber. Das ist schon eine sehr erstaunliche Leistung“, sagte Torhüter Jonas Stettmer über die Laufleistung seiner Vorderleute. Auch Noebels sieht darin einen Schlüssel zum Erfolg: „Wir haben vier Reihen, die das ganze Spiel marschieren.“ Die positiven Ergebnisse würden die Beine zudem leichter machen, erklärte der Nationalspieler: „Wir haben sehr viel Selbstvertrauen.“ Rückschläge werfen das Team nicht um, das war in der Vorsaison noch ganz anders. „Auch wenn ein Drittel mal nicht so funktioniert, ist das nächste Drittel meist eines der besten“, meinte Noebels: „Ich glaube, das zeichnet gute Mannschaften aus.“
So war es auch bezeichnend, dass die Eisbären nach der kuriosen Niederlage gegen die Kölner Haie im Spiel gegen Ingolstadt wieder dreifach gepunktet haben. Gegen Köln hatten Noebels und Co. trotz 48 Schüssen aufs Tor nicht einen einzigen Treffer erzielt. Da auch die Haie in dieser Partie zahnlos blieben, endete sowohl die reguläre Spielzeit als auch die Verlängerung mit dem im Eishockey höchst seltenen Ergebnis 0:0. Im Penaltyschießen ging die „Tor-Allergie“ weiter, einzig Haie-Stürmer Maximilian Kammerer traf. „Das kann man nicht logisch erklären“, sagte Eisbären-Stürmer Leo Pföderl: „Wenn ich das könnte, wäre ich wahrscheinlich Gott. Aber ich kann es leider nicht.“ Man habe „ganz, ganz dicke Chancen“ gehabt, zeigte sich Pföderl selbstkritisch, „das ist natürlich schon ärgerlich. Aber so Tage gibt es. Manchmal ist es leider wie zubetoniert. Das macht uns jetzt nicht kaputt.“ Der anschließende Sieg bei den immer stärker aufkommenden Ingolstädtern gab ihm recht.
Der Chancenwucher gegen Köln kam auch deshalb unerwartet, weil das Team im Spiel zuvor eine gnadenlose Effektivität an den Tag gelegt hatte. Mit 10:1 hatten die Berliner die Nürnberg Ice Tigers vom Eis gefegt und damit den höchsten Auswärtssieg in ihrer DEL-Geschichte gefeiert. „Es war eines dieser Spiele, in denen wir Kapital aus nahezu jeder unserer Chance schlagen konnten“, sagte Aubin, der das Ergebnis nicht zu hoch hängen wollte: „Solche Partien gibt es im Hockey.“
Ein Grund für die Null gegen Köln war auch der gegnerische Torhüter, der bis auf die Haarspitzen motiviert ins Spiel gegangen war: An Tobias Ancicka, der in der vergangenen Saison noch das Tor der Eisbären gehütet hatte, bissen sich seine ehemaligen Teamkollegen die Zähne aus. „Wir hatten unsere Chancen, sind aber auf einen Torhüter in Topform getroffen“, lobte Aubin. Den Wechsel auf der Torhüterposition bereut in der Hauptstadt aber niemand, denn die neue Nummer eins ist ein Garant für den bisherigen Top-Saisonverlauf. US-Goalie Jake Hildebrand hat von allen DEL-Torhütern den besten Gegentorschnitt (1,768), die beste Fangquote (93,523) und die meisten Zu-Null-Spiele (3). Gegen seinen Ex-Club Ingolstadt durfte aber Ersatzmann Jonas Stettmer an alter Wirkungsstätte ins Berliner Tor, und auch er wusste zu überzeugen.