Ein halbes Jahrhundert hat Armin Lang Sozial- und Gesundheitspolitik gestaltet und unermüdlich wegweisende Projekte vorangetrieben. Jetzt will er sich aus öffentlichen Ämtern zurückziehen.
Armin Lang war über Jahrzehnte der Ansprechpartner, wenn es um Gesundheits- oder Sozialpolitik ging, im Land und darüber hinaus. Mit seinen kreativen Initiativen hat er immer wieder problemlösende Projekte auf den Weg gebracht, die heute noch prägend für das Land sind. Mit 76 Lebensjahren soll nun Schluss sein mit öffentlichen Ämtern. Er gibt jetzt auch das Amt des Landesvorsitzenden des Sozialverbandes VdK ab. Wer ihn kennt, kann kaum glauben, dass sich Armin Lang nicht weiter an der ein oder anderen Stelle einmischt, mit originellen Ideen, guten Ratschlägen und sicher auch mit kritischen Diskussionsbeiträgen zu aktuellen Entwicklungen.

Ein halbes Jahrhundert war Armin Lang ein ständiger Unruheherd im positiven Sinn. In seinem Engagement angetrieben war er durch die Erfahrungen in seiner Kindheit. Er selbst berichtet, wie er seinen Vater dabei erlebt hat, wie er am heimischen Küchentisch Menschen aus dem Ort half, Anträge zu schreiben. Es war die Zeit nach dem Krieg, aus dem sein Vater selbst schwer verletzt heimkehrte. Die Lage insbesondere der alleinerziehenden Kriegerwitwen mit in der Regel mehreren Kindern ohne Einkommen war katastrophal. Es gab keine soziale Unterstützung, sie mussten um ihre Rechte und Entschädigungen kämpfen. Langs Vater half dabei, ganz persönlich, aber auch durch politische Initiativen im damals neugegründeten VdK Saarland und als Kommunalpolitiker. Das prägte den Sohn. „Ich erlebte, es gab unbeschreibliche Not, es gab aber auch Möglichkeiten zu helfen und helfen machte Spaß“, sagt Armin Lang. Und dies hat er dann in gewisser Weise zum Motto seiner Arbeit an den unterschiedlichsten Stellen und in unterschiedlichsten Funktionen, beruflich oder ehrenamtlich, lokal oder bundesweit, gemacht.
Armin Lang gehörte zu den ersten protestantischen Studenten an der Katholischen Hochschule für Soziale Arbeit in Saarbrücken. Bereits während seines Studiums (1967 bis 1971) organisierte er Protestdemos, als die damalige Landesregierung das Studium der Sozialen Arbeit und der Sozialpädagogik nicht in die neue Fachhochschule einbeziehen wollte. „Ich will nicht sagen, dass ich ein ‚68er‘ war“, meint Lang im Blick auf die damals bewegenden Zeiten der großen Studentendemos, bestreitet aber nicht, dass auch diese Zeit ihn nachhaltig geprägt hat. Er engagierte sich vielfältig in hochschulpolitischen Gremien, in denen er die Rolle des „Alibi-Protestanten“ vielfältig zu nutzen wusste. So übte er als evangelischer Christ über längere Zeit die Funktion des Stellvertretenden Vorsitzenden der Gründungsversammlung der Katholischen Hochschule aus. Mit eigenen Ideen mitgestalten war damals schon sein Ding. Dass daraus ein leidenschaftlicher „Sozialreformer“ und ein über Parteigrenzen hinweg anerkannter Politiker wurde, hatte in dieser frühen Persönlichkeitsentwicklung ihren Ursprung.

1973 kam Armin Lang zum Diakonischen Werk an der Saar, das er mit seiner Wahl in den Saarländischen Landtag 1985 als Sprecher der Geschäftsführung verließ. Neue soziale Fragen wie die Berufsnot junger Menschen, die Zuwanderung von Flüchtlingen und Spätaussiedlern, neue Herausforderungen in der Versorgung pflegebedürftiger und psychisch kranker Menschen und höhere professionelle Ansprüche in der Hilfe für sozial benachteiligte Kinder und Jugendlichen mit ihren Familien forderten in dieser Zeit den Sozialstaat und die sozialen Verbände. Armin Lang bezeichnete die 1970er-Jahre später einmal als das „Jahrzehnt der sozialen Dienste“ und er sorgte ganz wesentlich dafür, dass die Diakonie im Saarland „an der Spitze des Fortschritts“ wichtige Impulse setzte. Er war Vorsitzender der ersten Sozialstation im Saarland, brachte das erste Bundesmodell in der Schulsozialarbeit ins Land, sorgte für Förderprojekte für benachteiligte Kinder und Jugendliche, für die er zusammen mit zwei Kollegen 1976 mit dem Deutschen Jugendhilfepreis ausgezeichnet wurde. Er baute das Evangelische Bildungszentrum in Wiebelskirchen und in St. Wendel auf, damals bundesweit die erste Bildungsstätte, in der benachteiligte Jugendliche außerhalb eines Betriebes eine berufliche Ausbildung absolvieren konnten. Herausragend war auch der Aufbau der Neuen Arbeit Saar (ab 1977) als bundesweit eine der ersten Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften für langzeitarbeitslose Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Diese Neue Arbeit brachte dann später auch das „Ausbildungszentrum Burbach – AZB“ auf den Weg und stand Pate bei der Gründung der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft der Stahlstiftung. „Es war die schwierigste Baustelle in meinem Leben“, sagte Lang, als er sich vor zwei Jahren aus dem Verwaltungsrat der NAS zurückzog. Das ehemalige „Sorgenkind“ war in bis dahin 45 Jahren prächtig gediehen und ist heute immer noch eine der größten Gesellschaften ihrer Art in Deutschland.
Prägende Zeit als „Alibi-Protestant“
Es sind diese (und viele andere) Projekte, in denen sich Armin Lang über die Jahrzehnte zum Experten in Sachen „sozialer Strukturwandel“ entwickelte. Auffällig ist, dass der „Sozialreformer“ immer wieder die gleichen Wege ging: soziale Probleme wahrnehmen, Lösungen erarbeiten, Ressourcen akquirieren, Menschen zum Mitmachen begeistern und Lösungen umsetzen, oft mit langem Atem. „Menschen befähigen, sie instandsetzen, damit sie ein selbstbestimmtes Leben in Würde führen können“, dies war immer sein vorrangiges Ziel.
Für den Verband der Ersatzkassen (vdek) baute Lang in den 90er-Jahren mit damals sieben Arbeiter- und sieben Angestelltenkrankenkassen ihre Landesvertretung Saarland auf und half in Rheinland-Pfalz von 2003 bis 2010 aus, als dort Veränderungsbedarf offenkundig wurde. 2010 gab er diese Leitungsfunktionen ab, die in den letzten beiden Jahren auch noch verbunden waren mit der Funktion des „Vorstandbeauftragten für die politische Kommunikation“ des Ersatzkassen-Verbandes in Berlin.
Im Saarland erwarb er sich in dieser Zeit große Anerkennung mit seiner maßgeblichen Beteiligung an der Reform der psychiatrischen Versorgung, der bedarfsgerechten Ausgestaltung der Herzmedizin, der Errichtung des ersten stationären Hospizes und der flächendeckenden Hospiz- und Palliativversorgung. Auch die Gleichbehandlung der Medizinischen Rehabilitation mit der Akutmedizin und der Ausbau der geriatrischen Rehabilitation zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit waren ihm stets besondere Anliegen. In seinen letzten Berufsjahren bemühte er sich, modellhaft für Deutschland, um den Aufbau der Pflegestützpunkte als wichtige Hilfsquellen für die dramatisch steigende Zahl der pflegebedürftigen Menschen und ihrer hilfesuchenden Angehörigen im Saarland und in Rheinland-Pfalz.
Gesundheits- und Sozialexperte

In seiner Zeit als Landtagsabgeordneter (1985 bis 2009) entwickelte sich Lang landes- und bundesweit zum ausgewiesenen Sozial- und Gesundheitsexperten. Er war von 1985 bis 2004 Vorsitzender des Gesundheits- und Sozialausschusses im Landesparlament, war viele Jahre Landesvorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Gesundheit (ASG) und schließlich auch zehn Jahre Bundesvorsitzender dieser mit 110 Jahren ältesten Arbeitsgemeinschaft in der SPD. In dieser Zeit war er auch Mitglied im SPD-Parteivorstand.
Mit „SALUT! DaSein gestalten“, dem ersten Gesundheitskongress im Saarland für die gesamte Gesundheits- und Pflegebranche, mit mehr als 40 Einzelveranstaltungen an drei Tagen und zuletzt über 1.200 Teilnehmern krönte Armin Lang als Veranstalter von 2014 bis 2019 seine gesundheitspolitische Arbeit.
Gesundheitspolitik ist nach seinem Verständnis immer auch Gesellschaftspolitik. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen beeinflussen ihre Gesundheit, die Dauer und Schwere ihrer Pflegebedürftigkeit und entscheiden maßgeblich über ihre Lebensqualität und ihre Lebenserwartung. „Wenn du arm bist, musst du früher sterben, bist öfters krank, früher und länger pflegebedürftig, hast weniger Ressourcen, um nach einer Krankheit wieder zu gesunden, auch wo du wie deine letzten Tage verbringst, entscheidet dein Geldbeutel!“ Diese alten und neuen Tatsachen trieben den überzeugten Sozialdemokraten in seinem Leben immer wieder an, auf Verbesserungen hinzuwirken, insbesondere für die Menschen, die sich nicht oder nicht mehr selbst vertreten können.

Deshalb engagierte er sich in seinem „Ruhestand“ seit 2008 als Landesvorsitzender des Sozialverbandes VdK Saarland und davon zehn Jahre auch als Mitglied des Präsidiums des mit über 2,2 Millionen Mitgliedern, davon 60 000 im Saarland, größten Sozialverbandes in Deutschland.
Auch wenn Armin Lang sich nun aus der aktiven Verantwortung zurückzieht, hält ihn das keineswegs davon ab, seine Ideen zu aktuellen Entwicklungen vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen und seiner Kompetenz in die Debatte einzubringen, was er über die Jahre immer wieder mit Positions- und Denkpapieren getan hat.
Für die Zukunft formuliert Lang angesichts des demografischen und sozialen Wandels und des jetzt schon akuten Pflegenotstandes: „Wohnpolitik ist die neue Pflegepolitik.“ Das heißt nichts anderes als, dafür zu sorgen, dass ältere Menschen möglichst lange zu Hause und im eigenen Quartier bleiben können, wie sie es in der Regel auch selbst wollen. Dafür müssen dann auch die infrastrukturellen Voraussetzungen mit barrierearmen, digitalvernetzten und bezahlbaren Wohnungen geschaffen und mit zugehenden „Kümmerern“ für all die Menschen ausgestattet werden, die sich selbst nicht mehr helfen können.
Armin Lang, der selbst aus dem Ostertal im St. Wendeler Land stammt, treibt auch die Zukunft der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen um. Vor dem Hintergrund des medizinischen und digitalen Fortschritts geht er davon aus, dass es die klassische medizinische Einzelpraxis in wenigen Jahren nicht mehr geben wird. „Wir brauchen neues Denken und neue Organisationsformen“, fordert Lang. Nach seiner Überzeugung wird es in den nächsten Jahren im ganzen Land regionale Gesundheitszentren geben, mit Haus- und Fachärzten, verbunden mit Therapie- und Pflegeangeboten und ausgestattet mit einem professionellen „Case- und Care-Management“, „damit kranke Menschen nicht mehr einsam im Versorgungsdschungel herumirren müssen“, so Lang. Weil diese neuen Versorgungsstrukturen auch notwendig sind, damit aus der aktuell bereits großen Personalnot kein Versorgungsnotstand wird, müssen derartige ambulante Versorgungszentren ebenso öffentlich gefördert werden wie die traditionellen stationären Einrichtungen.
Herzensprojekt Bildungszentrum

Neben der „großen“ Politik hat sich der quirlige SPD-Politiker immer auch für die Entwicklung in seinem Heimatkreis St. Wendel engagiert. So hat er wesentlichen Anteil daran, dass das Hofgut Imsbach, bei Theley mit seinem aus 16 Gebäuden bestehenden Ensemble, der Gutskapelle und dem Landschaftspark wieder eine attraktive touristische Adresse wurde. Das zu napoleonischer Zeit stolze Anwesen war in den 1980er-Jahren, obwohl denkmalgeschützt, vom Verfall bedroht. Armin Lang ergriff mit Jo Leinen, Hajo Hoffman und der LEG die Initiative. Die Idee, dort ein regionales ökologisches Entwicklungs- und Bildungszentrum zu gestalten, ließ sich nur in Ansätzen realisieren. Mit dieser Initiative sei er damals „der Zeit voraus“ gewesen. Die aktuelle hektische Klima- und Ökologie-Debatte belegten dies, sagt Armin Lang rückblickend.
Kämpfen musste Lang auch bis das Adolf-Bender-Zentrum in St. Wendel, eines seiner Herzensprojekte, das wurde, was es heute ist. Der Maler Adolf Bender verewigte sein Leben und Leiden als Gefangener in den Moor-KZs Esterwegen und Börgermoor in seinem Bilderzyklus „Die Moorsoldaten“. „Damit so was nie mehr geschieht!“, präsentierte Adolf Bender in ganz Deutschland seine „Moorsoldaten“, bis er Armin Lang 1983, an seinem 80. Geburtstag bat, ein ständiges Aufklärungs- und Bildungszentrum im St. Wendeler Land zu schaffen.
Nach und nach entwickelte sich aus dieser historisch bedeutenden Moorsoldaten-Ausstellung ein Aufklärungs-, Beratungs- und Bildungszentrum welches heute mit fast 20 qualifizierten Beratungs- und Bildungsexperten und einer eigens entwickelten Methodik und Didaktik der politischen Bildung eine für unsere Gesellschaft geradezu existenzielle Aufklärungs- und Bildungsarbeit betreibt. Schulen und berufliche Ausbildungsstätten sind ebenso „Kunden“ wie Aus- und Weiterbildungsstätten für Lehrer und Polizisten, für Juristen und Journalisten, für Betriebsgemeinschaften und ganz besonders für verzweifelte Eltern, deren Kindern in den rechtsradikalen „Sumpf“ abzudriften drohen. Immer geht es um die Bekämpfung von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit, von Antisemitismus und um die immer wieder neue Entlarvung der Strategien rechtsradikaler Organisationen, die mit neuen Sündenböcken Menschen bedrohen und Gewalt säen. Mit engagierten Mitstreitern aus dem St. Wendeler Land hat Armin Lang das „Adolf Bender Zentrum e. V.“ 1985 gegründet und 32 Jahre lang als Vereinsvorsitzender geführt, bis 2017.