In den Minen Burkina Fasos müssen schon die Jüngsten ihren Eltern bei der schweren Arbeit helfen. Und begeben sich dabei in Lebensgefahr. Lokale Initiativen wollen die Kinder von den Minen fernhalten.
![Lehrer Rahim Kabre hat früher in den Minen gearbeitet](/sites/default/files/inline-images/06_2024_Leben___Menschen_Kinder_Burkina_Faso_001.jpg)
Ein tiefes Loch klafft in der Erde. Steile, nur mit Steinen und zerschlissenen Autoreifen befestigte Pfade führen in den Schlund hinab. Dort unten verbrennen Männer ausrangierte Reifen unter der rotbraunen Erde. Die hohen Temperaturen sollen das Granitgestein für den Abbau lockern. Dichter Qualm dringt aus den Erdhaufen heraus. Die Rauchschwaden wabern über das milchig grüne Gewässer, das am Grund des Loches entstanden ist. Grundwasser, das nicht abgepumpt werden kann und die Arbeit der Männer zusätzlich erschwert. Mit schweren Hämmern hauen die Männer auf das Gestein ein, stapeln die Gesteinsbrocken in Metallwannen, die sie auf ihren Köpfen aus der Grube hinaustragen. Der Geruch des verbrannten Gummis brennt im Hals, der Staub lässt den Mund trocken werden. Die Hitze des Tages senkt sich wie eine Glocke über den Krater.
Viele Opfer von Kinderarbeit
Zwei Straßen weiter schallt das Lachen kleiner Kinder über eine zwei Meter hohe Mauer. Ein bunt bemaltes Metalltor steht einen Spalt weit offen. Dahinter toben im Schatten eines Wellblechdaches die Vorschulkinder über den sandigen Pausenhof, der nicht größer ist als ein Klassenzimmer. Ein Mann tritt auf den Schulhof hinaus, steht leicht erhöht auf dem offenen Flur zu den Klassenräumen. „Alle Kinder reinkommen!“, ruft er mit kräftiger Stimme. Als Jugendlicher musste Rahim Kabre, 35, in der nahegelegenen Mine Steine hacken, schleppen und zerschlagen. Heute steht er als Lehrer an der Tafel und unterrichtet die Kinder der Minenarbeiter.
Mitten in Ouagadougou, der Hauptstadt des westafrikanischen Krisenstaats Burkina Faso, hat die Armut einen Namen: Pissy. Die Granitmine heißt wie das Stadtviertel, in dessen Herz sie sich frisst. Eine asphaltierte Straße führt in das Viertel hinein, doch wer zur Mine will, muss auf eine mit tiefen Schlaglöchern übersäte, rote Sandpiste abbiegen. Der Weg führt an flachen, aus Lehmziegeln erbauten Häusern vorbei. Meckernde Ziegen suchen im Plastikmüll, der die Straße säumt, nach Essbarem. Nach 200 Metern türmen sich auf einer freien Fläche am Straßenrand Granitsteinhaufen. Drei Männer schaufeln die zerkleinerten Steine auf die Ladefläche eines klapprigen Lastwagens. Hinter den aufgeschütteten Haufen, von der Straße aus kaum zu sehen, stehen hunderte Verschläge, aus Stöcken, Stoffresten und Plastikplanen am Rand der Abbruchkante erbaut. Bei 40 Grad im Schatten schützen sie die Menschen, die darunter arbeiten, vor der Sonne. Es sind vor allem Frauen, die mit ihren selbstgefertigten Werkzeugen die großen Granitsteine aus dem Schlund der Mine zerkleinern. Sie sitzen gekrümmt auf dem Boden, barfuß, ohne Handschuhe oder Schutzbrille, und gehen mit kräftigen Schlägen unablässig ihrer Arbeit nach. Für einen Hungerlohn, der sich an dem Gewicht der zerschlagenen Steine orientiert, und an den meisten Tagen gerade so für ein Abendessen reicht.
Burkina Faso zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Rund 40 Prozent der gut 20 Millionen Menschen im Land gelten als arm. Und die Bevölkerung wächst schnell. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen könnte sich die Einwohnerzahl des krisengeschüttelten Landes bis 2050 fast verdoppelt haben. Die Not der Menschen ist erdrückend. Seit Jahren überschwemmt eine Welle der Gewalt das Land. Der Terror im Namen eines radikalen Islams breitet sich wie ein Flächenbrand aus. Über weite Teile des Nordens und Ostens des Landes hat die Regierung längst die Kontrolle verloren. Die prekäre Sicherheitslage facht die Armut weiter an. An den Ampeln stehen Kinder, drängen sich an die wartenden Autos und führen ihre Hände immer wieder an den Mund. Ihre Kleider zerrissen, die Gesichter mit rotem Staub bedeckt. Dass Kinder die Familien miternähren ist in Burkina Faso trauriger Alltag. Fast die Hälfte der Jungen und jedes dritte Mädchen zwischen fünf und 14 Jahren ist Opfer von Kinderarbeit. Der Staat will das ändern, tut aber wenig.
Früher arbeiteten Kinder in der Mine
![Für die Kinder wird in der Schule auch gekocht](/sites/default/files/inline-images/06_2024_Leben___Menschen_Kinder_Burkina_Faso_003_1.jpg)
„In unserer Mine arbeiten keine Kinder mehr“, sagt Edouard Sawadogo, Vorsitzender einer lokalen Organisation, die die Anliegen der Frauen und Männer des Steinbruchs von Pissy vertritt. „Früher gab es neben den 4.000 Menschen, die in der Mine arbeiten, auch rund 300 Kinder.“ Das habe sich schon vor 20 Jahren geändert. „Damals kam ein Vertreter des Gesundheitsministeriums in die Mine und drohte, sie zu schließen. Die Kinder sollten raus aus der Mine, an einen sicheren Ort.“ Doch nicht der Staat, sondern internationale Hilfsorganisationen bauten überall im Land Vorschulen, sogenannte Bisongos, auf. Das Wort setzt sich aus zwei Mooré-Wörtern, der geläufigsten Sprache Burkina Fasos, zusammen und heißt frei übersetzt: „Wohlergehen der Kinder“. Auch der Verband der Minenarbeiter von Ouagadougou erhielt internationale Hilfe. In den vergangenen zwei Jahrzehnten baute er mit Geldern aus dem Ausland nach und nach zwei Vorschulen, eine Krippe und ein Ausbildungszentrum ganz in der Nähe der Mine auf. Einfache Bauten, spärliche Ausstattung – und doch sind es sichere Orte für die Kinder und Jugendlichen, die sonst wenig haben.
„Fast alle Eltern arbeiten in der nahegelegenen Mine“, sagt Rahim Kabre. Auch die Mutter der fünfjährigen Nafi zerschlägt von morgens bis in den später Nachmittag hinein Granitsteine in der Mine. Ein hartes Leben, das auch ihre Tochter zeichnet. Nafi blickt mit starren, leeren Augen und leicht geöffnetem Mund auf die Tafel. Über ihr braunes Schulkleid hat sie einen dicken, grauen Sweatpullover an, auf dem Weihnachtsmänner und Rentiere gedruckt sind. Ihre Haare wurden mit Metalldrähten zu kleinen Zöpfen zusammengebunden. 15 Jungen und 18 Mädchen sitzen auf dünnen Teppichen, die auf dem hellbraunen Fliesenboden verteilt liegen. Tische und Stühle gibt es nur für die Lehrkräfte. Als Stille einkehrt, trägt der Wind das Hämmern und Klopfen aus der Mine durch die offenen Fenster herüber. Heute lernen die Kinder die Zahlen von eins bis fünf. Sie recken ihre Hände in die Luft, wollen zeigen, was sie schon können. „Monsieur, Monsieur!“, ruft ein Junge, der endlich gesehen werden will. Der Lehrer lässt den Blick durch den Klassenraum schweifen und ruft Nafi zu sich, die ihre Augen nur mit Mühe aufhalten kann. Nafi läuft langsam, setzt den Fuß vorsichtig auf, nimmt die Kreide aus der Hand des Lehrers. Dass sie mit ihren fünf Jahren schon ein paar Wörter IN der Amtssprache Französisch spricht, die Kreide richtig halten und eine Eins malen kann, ist in Burkina Faso keinesfalls selbstverständlich. Unter den Erwachsenen fehlt es immer noch rund 60 Prozent der Menschen an Grundkenntnissen im Lesen und Schreiben.
„Sie haben hier einen guten Start ins Leben“, sagt Rahim Kabre. Er weiß, dass die meisten Kinder ihre Tage in der Mine verbringen müssten, wenn es die Schule nicht gäbe. Die Falten auf seiner Stirn ziehen sich zusammen, wenn er über seine verlorene Jugend in der Mine spricht. Sein Traum war es zum Militär zu gehen, doch er war noch zu jung und die Familie brauchte das Geld zum Überleben. Erst der Bau der Schule hat sein Leben verändert. „Ein Vertreter der Minenarbeiter-Organisation fragte mich, ob ich als Lehrer arbeiten will.“ Er wollte und durchlief ein zweimonatiges Training im Sozialministerium. Heute fährt er ein großes Motorrad, seine drei Kinder gehen in die Schule. Er kennt die Last, die die Familien der Schülerinnen und Schüler zu tragen haben. „Die meisten Mütter bringen ihre Kinder mit dem Fahrrad zur Schule“, sagt Rahim Kabre, „einige müssen eine Strecke von 20 Kilometern zurücklegen.“ Und haben dabei nicht selten zwei Kinder auf dem Gepäckträger sitzen. Die meisten seiner Schützlinge kommen ohne Frühstück in die Schule, froh um die zwei Mahlzeiten, die in einer dunklen Kammer mit rußgeschwärzten Wänden über dem offenen Feuer gekocht werden.
Kinder verletzen sich in der Mine
![Die Kinder können in der Schule ihren Mittagsschlaf halten](/sites/default/files/inline-images/06_2024_Leben___Menschen_Kinder_Burkina_Faso_004.jpg)
Oft gibt es Le tô, einen Brei aus Mais- oder Hirsemehl, ein Grundnahrungsmittel in dem westafrikanischen Binnenstaat. Heute hat die Köchin, die ein Kleinkind mit einem Tuch auf dem Rücken festgebunden hat, Reis gekocht. Sie füllt ihn in große Aluminiumschüsseln und verrührt ihn mit einer Kelle Soße. In den Klassenräumen setzen sich die Kinder immer zu fünft oder sechst um eine Schale herum auf den nackten Fliesenboden und greifen mit den Fingern hinein. Nafis Hand bewegt sich wie die Hände der anderen Kinder schnell. Schon nach wenigen Minuten ist die Kumme leer. Auf dem Schulhof steht ein blauer Eimer, über dem die Fliegen kreisen. Die Kinder waschen sich darin. Danach legen sie sich auf dünne Matten im Klassenraum. Hart und unbequem sieht das aus. Nafi ist nach wenigen Minuten eingeschlafen.
Während die Mädchen und Jungen in den Klassenräumen des Bisongos schlafen, fegen drei Frauen den Hof und kümmern sich um den Abwasch. Es sind Minenarbeiterinnen, deren Kinder in die Vorschule gehen. Jede Mutter muss an einem Tag im Monat Dienst in der Schule leisten. Toiletten putzen, die Böden wischen, kochen und die Kinder beaufsichtigen. „Das machen wir auch, weil wir den Müttern zeigen wollen, was ihre Kinder hier lernen und wie wichtig Bildung ist“, sagt Rahim Kabre. Zwei Stück Seife und 7.500 CFA, umgerechnet knapp zwölf Euro müssen die Eltern pro Schuljahr für ihr Kind bezahlen. In der Grundschule ist der Betrag oft sechs- oder siebenmal so hoch. „Unsere große Sorge ist, dass sich Eltern das Schulgeld später nicht leisten können und die Kinder doch wieder in die Mine mitnehmen.“ Nicht jedes Kind kann gerettet werden. Rahim Kabre weiß das.
Auch für Nafi und ihre Freunde geht es am Nachmittag in die Mine. Der Lehrer läuft mit einem Pulk Kinder über die staubige Straße dem Hämmern und Klopfen entgegen. Sobald die Granithaufen am Straßenrand erreicht sind, rennen die Kinder los, suchen ihre Mütter im Gewirr der Verschläge. Ramata Kabore, die Mutter von Nafi, sitzt unter einer löchrigen, grauen Wolldecke, die auf vier Holzstöcke gesteckt wurde. An der Seite hängt ein zerschlissenes Moskitonetz herunter. Die Abbruchkante der Mine ist nur einen Steinwurf entfernt. Die 34-Jährige ist Mutter von drei Kindern. Nafi ist die Jüngste. Als das Mädchen ihrer Mutter in die Arme fällt, lacht sie. Die Mutter zieht ihr den dicken Pullover aus, streicht ihren Fuß und ihren Ellenbogen mit einer Creme ein, drückt sie fest an sich. „Als meine Tochter noch kleiner war, ist ihr bei der Arbeit ein Steinsplitter ins Auge geflogen“, sagt sie leise, den Kopf gesenkt, ihr fehlen Zähne. Nafi hat keine bleibenden Schäden davongetragen, aber es war ein Warnschuss. Immer wieder verletzten sich Kinder in der Mine. Die Organisation der Minenarbeiter sprach Nafis Mutter an, empfahl den Vorschulbesuch im Bisongo. „Ich habe Kinder, ich habe Pflichten, deswegen bin ich hier. Es ist harte Arbeit.“
![Somaila muss die Familie ernähren](/sites/default/files/inline-images/06_2024_Leben___Menschen_Kinder_Burkina_Faso_005.jpg)
Wenn die Hitze des Tages abflaut und die Sonne sich langsam senkt sind noch immer Dutzende Kinder in der Mine. Sie müssen warten, bis ihre Eltern mit der Arbeit fertig sind. Einige helfen mit, sortieren die Steine der Größe nach, tragen kleine Metallschüsseln mit Granitsteinen hin und her. Fatoumata Ouedraogo arbeitet seit 25 Jahren in der Mine. Die 67-jährige Minenarbeiterin klopft mit harten Schlägen die Steine klein, Seite an Seite mit ihrer Tochter. Splitter fliegen durch die Luft. Meterweit. Ihre zwei Enkelinnen tragen Vorschulkleider, auch sie besuchen das Bisongo. Doch jetzt wollen sie helfen, sammeln in Blechdosen Steine ein, tragen sie auf ihren Köpfen und schütten ihre Ausbeute auf einen Haufen. Die herumfliegenden Splitter verfehlen die Mädchen oft nur um Zentimeter. „Als die Schule eröffnet hat, war es eine Erlösung für uns“, sagt die Großmutter, „vorher waren die Kinder nicht sicher, der Rauch schadete ihnen, sie hatten immer wieder Wunden.“ Nun sind sie immerhin bis in den Nachmittag hinein in Sicherheit.
Doch nicht alle Eltern wollen oder können ihre Kinder in die nahe gelegene Vorschule samt Krippe schicken. Wer den Krater umrundet, sieht viele Babys, die auf den Rücken der Mütter festgebunden sind, kleine Kinder in zerrissenen Kleidern, die auf dem wohl gefährlichsten Spielplatz der Welt herumtoben. Neben einem rostigen Stacheldrahtzaun nur wenige Meter entfernt von der Abbruchkante des Steinbruchs sitzt ein Junge, vielleicht ein Jahr alt. Ihm rinnt der Schnodder aus der Nase und bahnt sich ihren Weg über seine Lippen. Welche Farbe das T-Shirt des Kindes einst hatte, lässt sich nur noch erahnen. Es hält einen leeren Joghurtbecher in den Händen, wendet ihn hin und her, blickt sich suchend um. Die spitzen Stacheln des Zauns zeigen bedrohlich auf das Kleinkind. Die Mutter ist nicht zu sehen.
Eltern haben kein Geld für die Schule
Rahim Kabre kennt die Menschen, die in der Mine arbeiten. Immer wieder bleibt er stehen, grüßt und fragt, wie die Arbeit läuft. „Schlecht“, antworten die Menschen, „die Dinge laufen nicht gut.“ Das Grundwasser, das meterhoch in der Mine steht, erschwert den Zugang zum Abbaugebiet, die Preise für die Granitsteine sind im Keller. „Früher haben abends die Lastwagen vor der Mine Schlange gestanden“, sagt Rahim Kabre. Heute ist nur der eine Lastwagen da. „Manchmal müssen die Menschen abends ohne Lohn nach Hause gehen“. Und damit auch ohne Geld für ein Abendbrot. Einige Meter weiter hockt eine Frau vor einem der Verschläge. Neben ihr steht eine rostige, blaue Schüssel auf dem Boden, in der flache Granitplatten aufgestapelt sind. Ihr Kind rennt den ausgetrampelten Pfad, der um den Krater herumführt, auf und ab. „Ich kann mir das Schulgeld nicht leisten“, sagt sie, „was soll ich machen.“ Eine andere Frau kommt hinzu. Hinter ihrem Rock lugt ein kleines Mädchen hervor, „vielleicht können wir sie in ein paar Jahren zur Schule schicken“, sagt sie, „wenn sie größer sind.“ Rahim Kabre schüttelt den Kopf. „Ich sage ihnen immer wieder, dass die Schule der bessere Ort für die Kinder ist, wir auch eine Krippe für die Babys haben, aber sie hören nicht auf mich, und wir können sie nicht zwingen.“
![Viele Kinder verbringen die Tage in der Mine](/sites/default/files/inline-images/06_2024_Leben___Menschen_Kinder_Burkina_Faso_007.jpg)
Umso mehr schmerzt es ihn, wenn er auf Kinder trifft, die täglich in der Mine arbeiten. Und das tun sie, selbst hier in der Hauptstadt – auch wenn der Staat und die Vereinigung der Minenarbeiter sie nicht sehen wollen. Einer von ihnen ist der zwölfjährige Junge Somaila. In zerrissener Jeans und ausgeleierten, löchrigen T-Shirt sitzt er mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden und schlägt mit einem Eisenstößel Granitsteine klein. Seine kräftigen Hände, die mit ihren trockenen Falten deutlich älter aussehen als sie sind, arbeiten ohne Unterlass, routiniert. Es ist die immer gleiche Bewegung. Den Stein zerschlagen, dann die einzelnen Brocken zur Seite schieben. Unachtsamkeit kann sich der Junge nicht leisten. Seine Hände sichern das Einkommen von ihm und seiner Familie. Schlägt er daneben und verletzt sich, muss die Familie am Abend hungern.
„Bis vor zwei Jahren ging Somaila noch zur Schule“, sagt seine Mutter Rosalie Simporé, 39, die unter einem Verschlag drei Meter weiter sitzt und mit kräftigen Schlägen das Gestein zerkleinert, „dann konnten wir uns die Schulgebühren nicht mehr leisten.“ Somaila hat vier Geschwister. Sie alle gehen zur Schule. „Das würde ich auch lieber machen“, sagt er leise und blickt auf die Steine. Er ist jeden Tag in der Mine. Von 7 Uhr am Morgen bis in den späten Nachmittag hinein. Wenn er alt genug ist, will er sich beim Militär melden. Den Traum vom Soldatenleben träumte auch Rahim Kabre als junger Minenarbeiter. Heute schüttelt der Lehrer den Kopf darüber. Die Schule hat sein Leben verändert, es in allen Bereichen reicher gemacht, hoffnungsvoller. „Meine große Motivation sind die Kinder selbst“, sagt er. Ihr Ehrgeiz, ihr Wissensdurst, ihr Überlebenswille. Kinder wie Somaila zu sehen, die ihre Kindheit und Jugend im Glutofen von Pissy verbringen müssen, macht ihn wütend. „Es geht doch um die Kinder, ihre Zukunft“, sagt er aufgebracht, „die Eltern verstehen einfach nicht, wie wichtig ein guter Start ins Leben ist.“ Doch er gibt nicht auf, spricht immer wieder Mütter an, zeigt mit dem Finger in die Richtung, in der die Schule liegt. Nur fünf Minuten Fußweg entfernt. So nah und für manche Kinder doch so fern.