Die EU hat das Satelliten-Navigationssystem Galileo auf den Weg gebracht. Im Sommer soll die Satelliten-Flotte endgültig komplett sein.
Das globale Satelliten-Navigationssystem GPS hat vieles verändert – Google Maps auf dem Smartphone nutzt heute ebenso GPS wie jedes Navi. Allerdings ist es ein rein US-amerikanisches System. Das ab 1973 aufgebaute Navigational Satellite Timing and Ranging Global Positioning System – Navstar GPS, kurz GPS – war eine militärische Entwicklung, um Soldaten die Orientierung und Marschflugkörpern den exakten Flug ins Ziel zu ermöglichen. Deshalb senden die GPS-Satelliten die Daten für militärische Nutzung verschlüsselt. Der erste GPS-Satellit wurde 1978 ins All geschickt, ab 1993 wurde das System langsam einsatzfähig.
Um Navigationsfehler wie den, der 1983 zum Abschuss eines südkoreanischen Passagierflugzeugs führte, das sich über die Sowjetunion verirrt hatte, zukünftig zu vermeiden, wurde die zivile GPS-Nutzung komplett freigegeben. Die unverschlüsselten Daten für zivile Nutzung waren jedoch bis zum 2. Mai 2000 künstlich verschlechtert und somit nur auf 100 Meter genau. Im Falle eines Krieges behielt sich die USA vor, das zivile Signal weiter zu verschlechtern oder ganz abzuschalten.
EU will von den USA unabhängig sein
Zusätzlich gilt das sogenannte Cocom-Limit (Cocom = Coordinating Committee on Multilateral Export Controls – Exportkontrolle sicherheitsrelevanter Technologien): Bei Geschwindigkeiten von mehr als 1.900 km/h oder Höhen über 18.000 Meter haben zivile GPS-Module die Funktion einzustellen, um nicht in Lenkraketen eingebaut werden zu können. Das ist seit der Außerdienststellung der Concorde weitab von den Werten in der zivilen Luftfahrt, sodass dort kein Abschalten der Navigationsmodule zu befürchten ist. Bei Amateurfunk- oder Wetterballons, die bis in die Stratosphäre aufsteigen, wird das Cocom-Höhenlimit jedoch durchaus erreicht. Die Positionssignale fallen dann mindestens solange aus, bis der Ballon wieder tief genug gesunken ist.
Aktuell sind die zivilen GPS-Daten nicht mehr künstlich verschlechtert – andernfalls würden Autofahrer nicht sehr gut zurechtkommen. Doch waren diese Einschränkungen der Grund, dass unter anderem die damalige Sowjetunion, die Volksrepublik China und die Europäische Union eigene Satellitennavigationssysteme planten, um nicht von den USA abhängig zu sein – Glonass (UdSSR), Galileo (EU) und Beidou (China). Die Sowjetunion und die Volksrepublik China taten das, um ihre eigenen Raketen steuern zu können, die EU, um ein nicht von Militärs und einem einzelnen Land abhängiges System zu haben. Wobei eine militärische Nutzung von Galileo deshalb nicht ausgeschlossen ist, nur haben die Militärs nicht die oberste Kontrolle.
Theoretisch müssen für eine Standortbestimmung stets drei Satelliten gleichzeitig empfangbar sein. In der Praxis sind vier Satelliten notwendig, da sonst zur korrekten Positionsbestimmung eine sehr genaue Uhrzeit (Atomuhr) erforderlich wäre, was in einfachen Empfängern nicht umsetzbar ist. In der Umlaufbahn von etwa 20.000 Kilometern Höhe sind deshalb mindestens 24 Satelliten positioniert – bei einer Neigung der Bahn gegen die Äquatorebene von 55 Grad. So kann die gesamte Erde zuverlässig abgedeckt werden. Bei einer geplanten Lebensdauer der GPS-Satelliten von 7,5 Jahren ist es allerdings notwendig, immer wieder Ersatz nachzuschießen.
Das sowjetische Glonass-System ist vergleichbar aufgebaut, nutzt aber eine Bahnhöhe von 19.100 Kilometern. Eine höhere Bahninklination von 64,8 Grad hat den Zweck, dass in höheren Breiten und insbesondere an den Polen die Signale besser zu empfangen sind. Die Entwicklung startete 1972, die Starts ab 1978, um 1996 war es voll betriebsfähig. Aufgrund der geringen Lebensdauer von Satelliten von zunächst nur drei Jahren und dem Fehlen neuer Satelliten war es in den Folgejahren jedoch nur eingeschränkt und erst seit 2011 wieder voll nutzbar. Das chinesische Beidou-System ist noch im Aufbau und bislang nicht global verfügbar; es nutzt unterschiedliche Satellitentypen.
Anbieter beansprucht Begriff für sich
Galileo nutzt eine Bahnhöhe von 23.260 Kilometer bei einer Inklination von 56 Grad. Die Galileo-Satelliten haben eine Masse von 680 Kilogramm. Sie besitzen keinen eigenen Antrieb, um nach dem Aussetzen in den Zielorbit zu gelangen, sondern müssen direkt in diesem ausgesetzt werden. Diese Neuerung, die zwar den Start anspruchsvoller macht, dafür jedoch die Satelliten deutlich verkleinert, wurde bei den neuesten Generationen der GPS-Satelliten ebenso eingeführt. Eine Lageregelung kann die Satelliten zusätzlich auf andere Positionen im Orbit versetzen.
1,6 Kilowatt elektrische Leistung ist an Bord verfügbar, wobei die Navigationsnutzlast, die nur etwa 80 Kilogramm hat, davon 850 Watt nutzen kann. Im Endausbau sollen 30 Satelliten im Orbit sein, die von den beiden Kontrollzentren am Standort des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen sowie im italienischen Fucino von insgesamt 40 Bodenstationen gesteuert werden.
Galileo hatte zwar nicht solche Probleme zu bewältigen wie Glonass, doch klappte zunächst die Finanzierung über private Unternehmen nicht wie geplant, und die EU-Staaten mussten unterstützend einspringen. Es ging deshalb statt 2003 erst nach 2007 wirklich los.
Des Weiteren gab und gibt es bis heute massive Probleme mit dem Namen. Ein Satellitennavigationssystem, das bestimmt, wo man selbst steht, nach Galileo Galilei zu benennen, der einst für das heliozentrische Weltbild eintrat, in dem die Sonne und nicht die Erde das Zentrum bildet, klingt weitsichtig. Doch solch hehre wissenschaftliche Aspekte gelten wenig vor Gericht: Ein Anbieter eines Flugreservierungssystems beansprucht die Marke und damit den Begriff „Galileo" exklusiv für sich. Das Firmenkonsortium, das das Navigationssystem entwickeln und vermarkten sollte, hätte zehn Millionen Euro zahlen oder den Namen Galileo aufgeben sollen.
Die Entwicklung der diversen Prozesse um den Namen im Laufe der vergangenen zehn Jahre ist nicht sehr transparent. Unter anderem durfte jedoch das DLR nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 19. November 2015 die Bezeichnung GCC – Galileo Control Center – für das Kontrollzentrum beibehalten, weil es keine kommerzielle Organisation ist. Einige Fehlstarts, bei denen Satelliten zerstört oder nicht korrekt platziert wurden, waren der letzte Verzögerungsgrund.
Im Juli starten vier weitere Satelliten
Am 15. Dezember 2016 gab die Europäische Kommission die ersten Galileo-Dienste frei, zu denen der offene Dienst, der Such- und Rettungsdienst, der verschlüsselte Dienst PRS und ein hochgenauer Zeitdienst, der im Nanosekunden-Bereich arbeitet, gehören. Zuletzt wurden am 12. Dezember 2017 die Galileo-Satelliten „Alexandre", „Irina", „Nicole" und „Zofia" vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guyana mit einer Ariane-5-Trägerrakete ins All gestartet. „Die Satelliten werden jetzt noch eine sechsmonatige Inbetriebnahme im All durchlaufen, bevor sie in das Navigationssystem integriert werden", erklärt René Kleeßen, Galileo-Programm-Manager beim Raumfahrtmanagement des DLR. „Ab Mitte 2018 werden sie dann eine nahezu vollständige globale Abdeckung mit Galileo-Signalen ermöglichen."
Damit ist die Galileo-Flotte nun auf 22 Satelliten angewachsen. Der nächste Start mit vier weiteren Satelliten ist für Juli 2018 vorgesehen. Mit vier weiteren wäre dann die Sollstärke von 30 Satelliten (24 aktiven und sechs Ersatz-Satelliten) erreicht, die jeweils rund zwölf Jahre lang ihren Dienst im All leisten sollen. Es müssten wie bei den anderen Systemen nur noch gelegentlich Satelliten nachgeschossen werden, um Ausfälle auszugleichen.
Galileo orientiert sich an GPS, um gegenseitige Störungen zu vermeiden und es einfach zu machen, Empfänger für beide Systeme zu bauen. Inzwischen gibt es einige Navigationssysteme und Smartphones, die Galileo- und/oder Glonass-Signale auswerten. Letzteres, nachdem Russland mit einem Importverbot für Smartphones gedroht hatte, die Glonass nicht decodieren können. Über Updates kann die Galileo-Auswertung bei vielen Geräten noch nachgerüstet werden.
Galileo nutzt mehr Frequenzbereiche und Signale als das heutige GPS, um einerseits Empfangsprobleme und Fehler infolge von Einflüssen der Ionosphäre umgehen zu können und andererseits sowohl für sich schnell bewegende Objekte mit gutem Empfang wie Autos und Flugzeuge als auch für sich langsam bewegende Objekte mit schlechtem Empfang wie Fußgänger in Gebäuden verwendbar zu sein. Diese Nutzer benötigen unterschiedliche Codierung: Kurze Codes sind schneller auslesbar, doch störanfällig, während längere Codes zwar langsam, doch störsicher arbeiten. Während es für die Navigation von Verkehrsmitteln wichtig ist, eine hochaktuelle Ortung zu haben, ist es für den Fußgänger im Gebäude entscheidender, überhaupt das dann stark gedämpfte Signal noch decodieren zu können – GPS-Ortung ist in Gebäuden, abgesehen von direkter Fensternähe, nicht verfügbar.
Nachdem die USA anfangs gegen Galileo waren, gar mit mutwilligen Störungen drohten, haben sich die Parteien inzwischen auf eine zur letzten GPS-Generation GPS3 kompatible Technik geeinigt. Satellitennavigationsgeräte können also ohne großen Aufwand beide Systeme gleichzeitig empfangen und so zumindest technisch mehr Ausfallsicherheit gewinnen. Die Navigation bei eingeschränktem Empfang beispielsweise in Straßenschluchten wird so zuverlässiger, weil es reicht, wenn insgesamt vier Satelliten zu empfangen sind, die durchaus von GPS und Galileo gemischt sein können.
Dass allerdings beim offenen Dienst zwar nicht für die Nutzer, jedoch für die Gerätehersteller Lizenzgebühren fällig werden, könnte die Galileo-Fähigkeit bei Billig-Smartphones einschränken. Aktuell gibt es bereits 33 Smartphones mit Galileo-Empfang (siehe www.usegalileo.eu).