Vor dem für die Rückserie wichtigen Heimspiel gegen den Lokalrivalen schnallt Hertha BSC den Gürtel personell noch enger.
Der Präsident sprach die Einladung zum Hauptstadtduell am Sonnabend im Olympiastadion gewissermaßen höchstpersönlich aus. Via „Hertha-TV“ schickte Kay Bernstein bereits rund zwei Wochen vor dem eigentlichen Spieltermin eine einminütige Videobotschaft zu dem Duell „Berlin gegen Köpenick“, wie es der 42-Jährige nannte. Damit unterstrich Herthas Boss vor dem „Derby“ gegen den 1. FC Union einmal mehr den blau-weißen Denkansatz, dass eben die „Alte Dame“ nach wie vor der Verein der Hauptstadt ist. Bernstein tritt in diesem Video auch als der „Einer“ auf, der alle Herthaner zum Spiel ins Stadion ruft – „ob Mama, Papa, Oma oder Opa“, wie es der frühere Ultra betont, „lasst uns alle nach dem Motto verfahren: Jeder bringt einen mit!“ Und das meinte er eben unter mehreren Gesichtspunkten so. Da war zum einen die Werbetrommel für den Mitgliedervorverkauf, der Herthas Fans mit Clubausweis den ersten Zugriff auf Tickets für das Duell sichert. Da diese gleich mehrere Eintrittskarten erwerben durften, galt es natürlich, diese Möglichkeit so weit wie möglich auszuschöpfen und viele Besucher ins Stadion zu locken, die es mit Hertha BSC halten. Auch eine Reklame für den Vereinsbeitritt ließ sich Bernstein in diesem Zusammenhang nicht nehmen, denn auch Neumitglieder konnten von dem Vorgriffsrecht Gebrauch machen. Es galt also, das Olympiastadion aus Hertha-Sicht so weit wie möglich zu füllen, bevor die Karten in den freien Vorverkauf gehen und damit auch findigen Köpenickern zur Verfügung stünden. Den Union-Fans würde schließlich nur das amtliche Gästekontingent von 7.500 Tickets zur Verfügung stehen – eine Anzahl, die den „Bedarf“ beim Widersacher und Lokalrivalen natürlich kaum deckt. Doch eine Konstellation wie beim Europa-League-Spiel FC Barcelona – Eintracht Frankfurt, als geschätzte 30.000 Fans der Hessen das „Nou Camp“ kurzerhand zu ihrem Heimspiel umfunktionierten – wollte man vonseiten der Blau-Weißen selbstredend tunlichst vermeiden. Denn den lautstarken Rückhalt werden die im Tabellenkeller stehenden Schützlinge von Sandro Schwarz nicht nur für das Erzielen von Punkten benötigen, sondern um durch einen Erfolg Rückenwind für den Rest der Rückrunde und die schwierige Aufgabe des Klassenerhalts zu bekommen. Die Statistik spricht zuletzt ja deutlich für den Gegner aus dem Südosten Berlins: In den fünf vergangenen Pflichtspielen gab es zuletzt nicht nur keinen Hertha-Sieg, sondern dabei auch vier recht eindeutige Niederlagen. Eine Bilanz also, bei der schon ein Punktgewinn am Sonnabend für gute Stimmung sorgen kann.
Schon der fünfte Spieler, der im Winter geht
Und eben eine solche Stimmung wird von großer Bedeutung sein, da es neben dem Kampf um den Klassenerhalt – Kay Bernstein lässt grüßen – auch darum geht, angesichts finanzieller Nöte, dem damit verbundenen Sparkurs und drohender sportlicher Stagnation weiter zusammenzustehen. Dass die Zeiten sich nachhaltig geändert haben, ist eben auch auf dem Transfermarkt zu erkennen: So wurde die „vorzeitige“ Verpflichtung von Florian Niederlechner schon zur großen Nummer dieses Wechselfensters. Der 32 Jahre alte Angreifer vom FC Augsburg (bislang vier Saisontore) sollte eigentlich erst im Sommer ablösefrei zu Hertha BSC stoßen, angesichts des Abgangs von Davie Selke zum 1. FC Köln realisierte man den Transfer jedoch sofort. Fällig wurde dafür lediglich eine Ablösesumme im „niedrigen sechsstelligen Bereich“ – allerdings bekam der Wechsel einen quasi vereinstypischen Touch durch die Tatsache, dass Niederlechner wegen Oberschenkelproblemen, die er sich noch im Trainingslager des FCA eingehandelt hatte, zunächst erst einmal nicht einsatzbereit ist. Zumindest in der ersten englischen Woche zum Auftakt fällt der Neuzugang also aus und somit auch für das Duell gegen Union. Außerdem erledigte Fredi Bobic in der Zwischenzeit weitere Personalien: So wurde die Vertragsverlängerung mit Maximilian Mittelstädt bekannt gegeben. Lange galt das 25-jährige Eigengewächs, das auf der linken Außenbahn defensiv wie offensiv einsetzbar ist, als weiterer Wechselkandidat, da keine Gespräche über den im Sommer auslaufenden Kontrakt stattgefunden hatten. Die Bekanntgabe jedoch, dass der Verein nicht mit Marvin Plattenhardt – ebenfalls „hinten links“ positioniert – verlängern will, scheint die Auffassung von Vereinsseite entsprechend beeinflusst zu haben.
„Maxi ist eine absolute Identifikationsfigur unseres Vereins und ein Vorbild für unsere Nachwuchsspieler, die bestrebt sind, denselben Weg einzuschlagen“, äußerte sich Herthas Sportvorstand zu der Personalie. Gleich bis 2027 wurde der Vertrag mit Mittelstädt verlängert. Auch der sich abzeichnende Wechsel von Deyovaisio Zeefuik zu Hellas Verona wurde als Leihe bis zum Sommer mit anschließender Kaufoption endgültig vollzogen. Verpflichtet der Verein aus der Serie A den Niederländer zur nächsten Spielzeit nicht, würde er (zunächst) an die Spree zurückkehren, da er dort noch bis 2024 unter Vertrag steht. Zeefuik ist damit schon der fünfte Spieler, der Hertha BSC im Wintertransferfenster verlässt – zumindest vorübergehend. Auch Santiago Ascacíbar wurde erneut abgegeben: Die Leihe des Argentiniers nach Italien (US Cremonese) wurde dabei zwar vorzeitig beendet – jedoch nur, um ihn an seinen ehemaligen Jugendverein Estudiantes de la Plata vorerst temporär abzutreten. Kopfzerbrechen dürften den Verantwortlichen um Bobic jedoch die Gerüchte um Lucas Tousart bereiten. Der französische Mittelfeldspieler hat sich inzwischen zu einem zentralen Pfeiler bei Hertha BSC entwickelt, nun wurde jedoch Interesse seines früheren Vereins Olympique Lyon kolportiert – sollte der siebenfache Französische Meister eine Ablösesumme im zweistelligen Millionenbereich bieten, könnten die Berliner angesichts der finanziellen Lage schwach werden. Tousart war im Winter 2020/21 für 25 Millionen Euro unter Vertrag genommen worden und gilt damit als teuerster Transfer aller Zeiten bei Hertha BSC. Erledigt hat sich mittlerweile hingegen der Abgang von Fredi Bobic selbst – offenbar konnten sich der Sportdirektor und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nicht auf eine Zusammenarbeit verständigen. In Berlin atmet man deshalb durch: Zwar glückten Bobic bislang noch nicht die „Supertransfers“ wie zu seiner Zeit in Frankfurt. Einen weiteren Neuanfang mitten im Umbau aber hätten dennoch die wenigsten Hertha-Fans für gut befunden.