Vor Kurzem hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Corona-Pandemie für beendet erklärt. Doch die Folgen der Covid-19-Politik werden die Gesellschaft noch länger beschäftigen.
Kurz vor den Osterfeiertagen wurden offiziell die letzten bundesweiten Maßnahmen wie Maskenpflicht im Gesundheitswesen aufgehoben. Ende gut, alles gut in Sachen Corona-Maßnahmen?
Nicht ganz. Für Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr gibt es weiterhin Einschränkungen. Denn für sie gilt die Covid-19-Impfpflicht weiterhin. Wer sich verweigert, wird bestraft. Politiker der Linken und der AfD im Bundestag stellen sich daher und fordern, die Pflicht aufzuheben. Diese sei aus der Zeit gefallen, so etwa Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linke-Fraktion. Das Verteidigungsministerium indes sieht bis jetzt keinen Anlass, die Pflicht aufzuheben.
Ein Nachspiel in puncto Corona-Politik gab es für ein Ehepaar in Bielefeld. Zeitgleich mit dem Auslaufen der Maßnahmen wurden die Eheleute zu einer Bußgeldstrafe in Sachen Covid-19 verurteilt. Der Grund: Das Paar hatte Ende Februar 2022 ohne 2G-Nachweis ein Sandwich an einem Restauranttisch im Freien gegessen. Damit hatten die Eheleute nach Ansicht des Amtsgerichtes gegen die damals noch geltenden 2G-Regeln verstoßen. Das heißt im Klartext: Das Paar hätte sich außerhalb des Restaurantgebäudes überall auf der Welt hinsetzen dürfen – nur nicht an einen der Außentische, die zum Restaurant gehören. So zumindest berichtet es Martin Schwab, einer der beiden Verteidiger, auf seiner Facebookseite. „Natürlich haben wir als Verteidiger ins Feld geführt, dass selbst Karl Lauterbach die Maßnahmen im Freien heute für ‚Schwachsinn‘ hält“, so der Anwalt. Doch die Amtsrichterin blieb hart.
Dabei war im Februar 2022 schon lange klar, dass Ansteckungen im Freien so gut wie gar nicht stattfinden. Das hatten Aerolsolforscher wie Gerhard Scheuch und Christof Asbach bereits im Frühjahr 2021 festgestellt und öffentlich gemacht. Die Verurteilte, erzählt ihr Rechtsanwalt, habe der Richterin geschildert, „wie schlecht“ es ihrem Mann ging, als der Bußgeldbescheid gekommen war. „Und sie erklärte der Richterin, dass ihr Vertrauen in den Rechtsstaat nunmehr empfindlich gestört ist“, so der Anwalt weiter. Bei jenen, die wegen Corona-Verstößen verurteilt würden, habe man es „ganz überwiegend“ mit Menschen zu tun, die vorher noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren. Und die auch nie vorgehabt hatten, es zu tun. Das sei das Fatale, so der Jurist. „Die deutsche Justiz verlangt gegenüber der Obrigkeit Gehorsam um des Gehorsams willen“, beklagt er. „Sie begreift nicht, dass ein demokratischer Rechtsstaat genau dies nicht verlangen darf.“
Schwindendes Vertrauen bei 30 Prozent
Kritik an der Judikative übt auch Volker Boehme-Neßler, Rechtswissenschaftler und Professor für Öffentliches Recht, Medien- und Telekommunikationsrecht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Ein funktionierender Rechtsstaat hat die Aufgabe, Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten, aber auch Freiheit, schreibt er im Politikmagazin „Cicero“.
Doch in der Corona-Zeit habe dieses System zum Freiheitsschutz nicht funktioniert. Normalerweise müssten Menschen in einer Demokratie nicht befürchten, dass sie der Staatsmacht hilflos ausgeliefert seien, so der Rechtswissenschaftler. Im Notfall helfen ihnen unabhängige Gerichte, Recht durchzusetzen. Nicht so in der Corona-Krise: „Die Verwaltungsgerichte und das Verfassungsgericht haben praktisch alle staatlichen Corona-Maßnahmen akzeptiert und mit umgesetzt.“ Es habe fast kein Gericht gegeben, das eine behördliche Maßnahme aufgehoben hätte.
Zur Erinnerung: Es gab wochenlange Schulschließungen und Ausgangssperren. Restaurants, Sportstätten und Kultureinrichtungen wurden geschlossen.
Und im November 2021 wurde ein Teil der Bevölkerung lange durch die 2G-Regelungen vom kulturellen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Dabei war damals schon längst bekannt, dass die Covid-19-Impfstoffe keinen Fremdschutz gewährleisten. Scharf kritisiert der Rechtswissenschaftler die Ausgangssperren. Sie seien ein typisches Instrument von Diktaturen oder autoritären Systemen. „Zu einer Demokratie passen sie ganz und gar nicht.“
Die 2G-Regelung habe „Gräben aufgerissen“ in der Gesellschaft, konstatiert der Jurist. „Seitdem stehen sich geimpfte und ungeimpfte Bürger immer noch weitgehend unversöhnt gegenüber.“ Wer sich etwa mit Menschen unterhält, die sich – aus welchen Gründen auch immer – gegen die Covid-19-Impfungen entschieden haben, weiß, wie tief bei manchen die Verbitterung über Ausgrenzungen und Diffamierungen sitzt.
Schwindendes Vertrauen in den Staat könnte eine der Folge der Corona-Politik der vergangenen Jahre sein. Laut einer Forsa-Umfrage vom Januar 2023 vertrauen nur noch rund 30 Prozent in die Bundesregierung. Vor einem Jahr sah es auch nicht besser aus. „30 Prozent unserer Bevölkerung haben jedes Vertrauen zur etablierten Politik von der CSU bis zur Linken verloren“, beklagte Linken-Politiker Gregor Gysi in der TV-Talkshow „Lanz“ bereits im Januar 2022. Das mache ihn nachdenklich. „Wir müssen einen Weg finden, Vertrauen wiederherzustellen.“ Dass fünf Prozent in der Bevölkerung nicht mitgingen, das gebe es immer, sagte er. „Aber 30 Prozent, das ist zu viel“.
Zahl der Suizidversuche von Kindern vervielfacht
Die Folgen der Corona-Ära haben tiefe Narben hinterlassen, die die Gesellschaft noch lange begleiten werden. Leidtragende sind vor allem die am heftigsten von der Covid-19-Politik betroffenen. In diesem Zusammenhang wird manchmal der Begriff „Kollateralschaden“ bemüht, ein Begriff, der verschleiert, dass es hierbei um Menschen und ihre Schicksale handelt. Das sind zum Beispiel diejenigen, die sich gegen Covid-19 haben impfen lassen und infolgedessen schwere körperliche Beschwerden haben bis hin zu einer Behinderung. Tausende Anträge gingen bislang ein, doch nur ein Bruchteil der bearbeiteten Fälle wurde von den Behörden bislang anerkannt. Der Bundesgesundheitsminister hatte potenzielle Impfschäden lange ignoriert. Erst im März wendete sich das Blatt und er sicherte Betroffenen Hilfe zu. In Bayern ging Anfang April eine neue Hotline für Corona-Impfschäden an den Start und war gleich überlastet. Laut einem Bericht der „Augsburger Zeitung“ riefen zum Start der sogenannten Post-Vac-Hotline Anfang April vor allem Menschen mit großem Leidensdruck mit zum Teil ausgeprägter Symptomatik und schweren Verläufen an. Dabei habe das LGL bereits am ersten Tag der Hotline rund 280 Anrufe erhalten. Karl Lauterbach sprach in einem ZDF-Interview von schweren Nebenwirkungen in der Größenordnung von 1 zu 10.000 pro Impfung mit den mRNA-Stoffen. Dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zufolge wurden 3:10.000 Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen gemeldet. Allerdings endet die Erfassung des PEI Ende Juni 2022. Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher liegen.
Leidtragende waren vor allem Kinder, denen unter anderem durch Kita- und Schulschließungen wichtige Jahre ihrer Entwicklung fehlen. Dabei hatten Experten schon im Jahr 2020 eindringlich vor den Folgen der Maßnahmen für Kinder gewarnt. Gehört hat aber niemand auf sie, zumindest niemand seitens der Politik. Heute, drei Jahre später, sind Kinder- und Jugendpsychiatrien überlaufen. Die Zahl der Suizidversuche unter Minderjährigen hat sich laut einer Studie der Universität Essen vervielfacht. Laut dem „Kinder- und Jugendreport 2022“ der DAK-Krankenkasse litten 23 Prozent der 10- bis 17-jährigen Mädchen neuerdings an Angststörungen; mehr als die Hälfte hatte Essstörungen. Gesundheitsminister Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat lange über das Leiden der Kinder und Jugendliche geschwiegen. Heute räumt er mittlerweile ein, dass er glaube, dass die langen Schulschließungen „so nicht notwendig“ gewesen seien.
„Wir haben uns mit den langen unnötigen Schulschließungen an unseren Kindern versündigt“, sagte auch Andreas Gassen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Eine Aufarbeitung sei notwendig, um für künftige Pandemien Lehren zu ziehen. Er sehe im Moment allerdings noch nicht, dass man das ernsthaft anginge.