Im zweiten Jahr in Folge wurde das Weingut Petgen-Dahm als bester deutscher Produzent in der Sparte Stillwein ausgezeichnet. Und der aktuelle Jahrgang verspricht, in der gesamten Bandbreite ein ganz außergewöhnlicher zu werden. Ein Besuch vor Ort.
Es ist einer dieser herrlichen Spätsommertage, von denen wir in diesem Jahr außergewöhnlich lange verwöhnt worden sind. Es ist Anfang September, und das Thermometer zeigt morgens um 11 Uhr bereits wieder weit über 20 Grad Celsius. Ralf Petgen steht in seinem Weinberg in Perl und pflückt eine der dunkelroten, fast blauen Trauben, aus denen bald schon ein edler Grauburgunder werden wird. Mit dem Daumennagel lässt er sie aufplatzen und reibt das Innere der Frucht über einen Refraktometer. Dann kneift er ein Auge zusammen und blickt mit dem anderen in das Gerät, das ein wenig an ein Fernglas erinnert. „Wahnsinn, eine echte Sensation", murmelt er, und seine Augen strahlen, als er das Messgerät absetzt. „Die Traube hat ein Mostgewicht von 100 Öchsle, das ist ein Naturalkohol von über 13 Volumenprozent." 100 Öchsle – das entspricht einem Zuckergehalt von etwa 240 Gramm pro Liter. Als könne er sein Glück nicht fassen, schnappt er sich ein paar Meter weiter noch eine Traube und dann noch eine. Auch hier kratzt der kleine bläuliche Strich auf der Skala mit 98 Öchsle fast an der magischen 100. „Mei oh mei oh mei. Die ganze Anlage liegt so hoch", freut sich Petgen und gönnt sich zur Feier des Tages mit seiner Frau Brigitte, die für die kaufmännischen Belange des Weinguts verantwortlich ist, ein Schlückchen Sekt.
Im Dreiländereck Saarland-Lothringen-Luxemburg hat das Weingut Ökonomierat Petgen-Dahm aus dem saarländischen Perl bereits seit vielen Jahren einen exzellenten Ruf. Und dank der Teilnahme an nationalen und internationalen Vergleichen in den vergangenen Jahren steigt dieses Renommee national und international immer weiter. In diesem Jahr wurde das Weingut bei der Berliner Wein Trophy, Deutschlands bedeutendster Weinverkostung, zum zweiten Mal in Folge als bester Weinproduzent im Bereich Stillwein ausgezeichnet. Und auch bei anderen Wettbewerben räumen die Erzeugnisse aus dem Keller von Ralf Petgen immer wieder Preise ab. Auf insgesamt 17 Hektar produziert Petgen-Dahm vor allem Burgunderweine, aber auch Riesling und Sekt.
Der Weinberg ist bei unserem Besuch menschenleer. Eigentlich sollten an diesem Tag bereits die Erntehelfer unterwegs sein – so die ursprüngliche Planung. Doch aufgrund des herrlichen Wetters hat der Winzer beschlossen, den Trauben noch etwas Sonne zu gönnen. Das ungewöhnliche Traumwetter verschiebt den Lesebeginn um weitere zwei Wochen nach hinten, was den Reifegrad der Trauben noch weiter nach oben treiben wird. Der Jahrhundertsommer wird sich entsprechend auch qualitativ in der Flasche bemerkbar machen. „Wir messen überall sehr hohe Zuckergrade. Das wird ein optimaler Jahrgang", freut sich der Ökonomierat. Daraus wird bald schon ein Grauburgunder Alte Rebe Auslese trocken – die gehobene Preiskategorie von 13 Euro die Flasche.
Während vielen Bauern bundesweit wegen der Dauerhitze und den geringen Niederschlägen die Ernte auf dem Feld verdorrte und vertrocknete, sind Winzer wie Ralf Petgen die großen Gewinner des Sommers. „Die Rebe ist letztlich ein südländisches Gewächs und sie ist tiefwurzelnd. Das heißt, sie holt sich ihr Wasser auch noch aus tieferen Bodenschichten und kommt daher mit Trockenheit und Sonne sehr gut klar. Sie braucht sogar sehr viele Sonnenscheinstunden", erklärt der 62-Jährige. Und die gab es in diesem Jahr wirklich reichlich. Nur die jüngeren Anlagen, die noch keine tiefen Wurzeln entwickeln konnten, haben zeitweise unter der Trockenheit gelitten. „Am 29. August kam allerdings ein Regen, der uns 30 Liter Wasser pro Quadratmeter gebracht hat. Dieser Sommerregen hat auch diese Reben gerettet und aus der Depression herausgeholt", betont Petgen. „Das hat zur Folge, dass auch diese Reben wieder gut dastehen."
Nicht nur die Qualität der Trauben ist sehr hoch – auch die Menge. „Ich denke, dass die Ernte im Verhältnis zur sonstigen Durchschnittsernte um 20 Prozent höher liegen wird. Das sind statt 80 Hektoliter 100 im Schnitt. Bei Anlagen, die wir in die höheren Qualitätsbereiche reinbringen, reduzieren wir normalerweise die Menge. Dort haben wir bewusst nur 50 bis 60 Hektoliter pro Hektar. In diesem Jahr kommt aber wohl jede Durchschnittsanlage in ganz hohe Bereiche, also in den Bereich der Auslese. Egal, ob da viel Trauben hängen oder wenige", betont Petgen.
Was in diesem Jahr also ein Selbstläufer ist, bedeutet in anderen Jahren, in denen es nicht so viele Sonnenscheinstunden gibt, viel Arbeit. Dann muss der Winzer normalerweise die Anzahl der Trauben sehr stark reduzieren, um in die hohe Kategorie, also über 90 bis 100 Öchsle, zu kommen. In diesem Jahr werden diese extrem hohen Werte fast die Regel sein.
Dieses Jahr stimmen Qualität und Menge
Für viele Betriebe bedeuten die gute Ernte und der daraus zu erwartende Verkauf des Weines ein Puffer für weniger gute Jahre. „Wenn eine Ernte kommt, die etwas reichhaltig ist, kann man auch im nächsten Jahr noch davon profitieren, wenn es dann mal wieder nach hinten gehen sollte", erklärt Petgen. Und dass das kommende Jahr wieder schlechter werden wird, ist wahrscheinlich, wie Ralf Petgen betont: „In zehn Jahren passiert solch ein Sommer in aller Regel nur ein- oder vielleicht zweimal. Klimadiskussion hin oder her. Das nächstes Jahr kann wieder total verregnet sein, und man hat dann wieder ganz andere Gesetzmäßigkeiten, mit denen man sich im Weinbau auseinandersetzen muss."
Der lange trockene Sommer hat dafür gesorgt, dass Pilzkrankheiten, die bei Feuchtigkeit entstehen und oftmals eine ganze Ernte bedrohen können, weitgehend ausgeblieben sind. Andererseits ist ein spezieller Pilz, der Botrytis cinerea, sogar in Maßen erwünscht. In normalen Jahren sind häufig ganze Traubenteile von diesem Schimmelpilz befallen. „Das entwickelt sich dann irgendwann zur Edelfäule", erklärt Petgen. In den Regenphasen werden die Beerenhäute dünner, und diese Edelfäule entsteht. Das ist beim Grauburgunder teilweise sehr beliebt, man macht gezielt Beerenauslesen daraus. Wenn der Anteil an Edelfäule nicht extrem hoch ist, gibt das dem Wein ein rosinenartiges Aroma. Das ist also sogar gewünscht."
In diesem Jahr taucht die Botrytis dagegen recht zurückhaltend auf. „Das führt dazu, dass wir ganz reintönige Grauburgunder bekommen werden, ohne irgendwelche Nebenaromen. Das werden ganz tolle Weine." Im Gegensatz zu anderen Betrieben in der Region produziert Petgen-Dahm traditionell jedes Jahr eine Beerenauslese – wenn dies möglich ist. „In diesem Jahr suchen wir uns auch wieder spezielle Anlagen raus, wo wir dann – vielleicht vom Grauburgunder oder vom Auxerrois – wenigstens mal 200 Liter dieser Beerenauslese im Keller haben. Die Weine verderben ja nie, die sind in 100 Jahren noch da", betont Ralf Petgen.
Die Beerenauslese ist aufwendig und teuer. Die mit dem Botrytis-Pilz befallene Traube wird einzeln und von Hand gelesen. „Um 100 Liter zu produzieren, bist du mindestens einen Tag mit 20 Leuten unterwegs, die mit kleinen Eimerchen Rebe für Rebe abgehen", erklärt der Winzer. Bei 100 Litern Ertrag entstehen so allein durch die Lese bereits an die 2.000 Euro Kosten. Die gesammelten Beeren kommen dann in einen Bottich und werden mit einem Vierkantholz eingestampft, schildert der 62-Jährige. Dabei entsteht eine Flüssigkeit, die etwa 400 Gramm Traubenzucker hat. „Die Flüssigkeit ist dickflüssig wie Honig. Nach einem Tag sammelt sich obenauf etwas Saft, dann geben wir das Ganze auf die Kelter, pressen es, und unten läuft eine sirupartige Masse raus – das ist die Beerenauslese."
Dessertweine sind einerseits teuer, andererseits deutlich weniger gefragt als die klassischen Weine. Sie sind für Ralf Petgen vor allem ein Hobby, das er pflegt. Ein Nischengeschäft und so etwas wie eine Visitenkarte für einen guten Betrieb, wie er betont. „Wir sehen nicht den monetären Wert dieser Geschichte, den die Weine unter Umständen haben könnten. Sondern wir verschenken davon viel, probieren mit Freunden und verwenden sie zu besonderen Anlässen. Auch bei Prämierungen brauche ich diese Weine unbedingt", erzählt er. In seiner persönlichen Schatzkammer lagern Eisweine, Trocken- und Beerenauslesen der vergangenen 30 Jahren.
Beerenauslesen sind sehr süß, erinnern an Aromen von Pflaumen oder Feigen – und haben deutlich weniger Alkohol. „Potenziell liegt der Alkoholgehalt zwar bei 16, 17, manchmal sogar bei bis zu 20 Volumenprozent. Allerdings schaffen es die Hefen nicht, den gesamten Traubenzucker zu vergären. Die Trauben werden mit 130 bis 140 Öchsle gelesen, und da bleibt immer ein Rest Zucker übrig. Manchmal haben die fertigen Weine daher nur acht, neun Prozent Volumenalkohol." Sie sind der ideale Begleiter zu einem leckeren Dessert – etwa zu Schokolade oder einer Crème brûlée, schwärmt Ralf Petgen.
Auch wer normalerweise nicht so sehr auf süße Weine steht, sollte die Dessertweine einmal probieren. Sie halten ewig und entwickeln sich immer weiter, bekommen den Charakter eines guten Sherrys, wie der 62-Jährige erklärt. „Dann werden sie goldgelb, kastanienfarben, sogar fast schwarz wenn sie einmal 50, 70 Jahre alt sind."
Ganz egal ob klassisches Weinvergnügen oder Dessertwein: Der Weinkonsument darf sich auf den aktuellen Jahrgang wirklich freuen. Über die gesamte Bandbreite ist ein ganz hervorragender Wein gewachsen – und das freut letztlich auch den Winzer.