Die Serie „The Sinner" geht in die nächste Runde. Demnächst erscheint eine vierte Staffel rund um Ermittler Harry Ambrose (Bill Pullman). Jede der Staffeln erzählt auf intelligente und subtile Weise einen abgeschlossenen Fall, bei dem die Abgründe der jeweiligen Hauptfiguren eine zentrale Rolle einnehmen.
Nach fast zwei Jahren Pandemie und unzähligen Abenden im Binge-Watching-Modus könnte man kapitulieren. Man kennt mindestens alle Serien auswendig, kann ganze Dialoge mitsprechen und wartet vergeblich auf neue Staffeln, die sich wegen Corona ebenfalls verzögern. Aber manchmal gibt es ihn dann doch noch, diesen Silberstreif am Horizont.
Raffinierte Erzählweise
Wenn es in den letzten Jahren eine Serie gegeben hat, die eher unter dem Radar des öffentlichen Hypes gelaufen ist, dann ist es „The Sinner". Ein Geheimtipp würde man wohl sagen. Inzwischen bringt es die US-amerikanische Krimi-Drama-Serie auf stolze drei Staffeln, von denen jede eine abgeschlossene Handlung hat. Eine vierte Staffel ist für den Herbst angekündigt und steht kurz vor der Veröffentlichung. Eigentlich ist „The Sinner" eine Literaturverfilmung. Die erste Staffel aus dem Jahr 2017 basiert auf dem Roman „Die Sünderin" von Petra Hammesfahr und erzählt die Geschichte von Cora (Jessica Biel), einer jungen Mutter, die am Strand in einem wahnhaften Anfall unvermittelt auf einen fremden Mann einsticht. Dieser Moment kommt so unverhofft, dass man als Zuschauer sofort in den Sog dieser raffiniert und verschachtelt erzählten Serie gezogen wird. Wer jetzt einen Spoileralarm wittert, der liegt komplett daneben, denn diese Tat ist nur der Ausgangspunkt für eine atmosphärisch dichte, fast schon mystische Story über menschliche Traumata und die weitreichenden Folgen von Verdrängung.
„The Sinner" entfaltet seine Wirkung durch eine intelligente und sehr subtile Erzählweise, die von den hervorragenden Schauspielern getragen wird, allen voran von Jessica Biel („Eine himmlische Familie") und dem lange unterschätzten Bill Pullman („Spaceballs", „Lost Highway", „Independence Day").
Bill Pullman spielt Detective Harry Ambrose, einen komplizierten Charakter, der die unerklärliche Tat von Cora aufklären soll, mit einer Tiefe, die ihresgleichen sucht. Von Anfang an sieht man seiner Figur eine gewisse Verletzlichkeit an. Er ist nicht der starke Held, sondern ein gebrochener Mann, der irgendwie versucht, mit sich und dem Leben klarzukommen. Gleichzeitig ist Pullmans Charakter auch eine Konstante, nämlich als die einzige Figur, die in jeder der Staffeln vorkommt. Mit der Zeit versteht man auch, warum das so ist, denn sein ganz persönliches Geheimnis zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Show, und mit jeder Staffel bekommt man einen besseren, tieferen Eindruck von seinen Beweggründen und weshalb er sich gerade für die Menschen einsetzt, die in ihren eigenen Verletzungen gefangen sind.
„The Sinner" wurde eigentlich als achtteilige Miniserie angesetzt, aber nach dem Erfolg der ersten Staffel hat man ihr nun mittlerweile drei weitere hinterhergeschickt, die nicht minder spannend und interessant sind. Während sich die zweite Staffel um einen Jungen dreht, der einen Doppelmord begeht, muss Detective Harry Ambrose in der dritten Staffel einen tödlichen Autounfall aufklären, bei dem der überlebende Beifahrer (Matt Bomer) eine entscheidende Rolle spielt. Auch in der vierten Staffel kann sich der Ermittler nicht seiner herbeigesehnten Rente widmen, sondern wird beim Versuch, die zurückliegenden Ereignisse zu verarbeiten, in den nächsten Fall rund um die Tochter einer prominenten Familie verwickelt.
Eigentlich nur eine Staffel geplant
„The Sinner" ist eine außergewöhnliche Serie, die sich wohltuend von der oft auf Gleichförmigkeit getrimmten Oberflächlichkeit der heutigen Serienlandschaft abhebt. Jede Staffel ist durch den zentralen Fall aufs Neue spannend. Die Geschichte und die Figuren sind atmosphärisch, mystisch und mit psychologischer Tiefe erzählt. Zudem erlebt man einen Bill Pullman in absoluter Bestform. In dieser Form kann es gerne noch mehrere Staffeln weitergehen.
Die vierte Staffel, in der Pullman unter anderem Michael Mosley („Scrubs – Med School", „The Insurgents") als neuer Hauptdarsteller zur Seite steht, läuft im Oktober in den USA an, in Deutschland folgt sie etwas später auf Netflix. Wer die ersten drei Staffeln noch nicht kennt, hat bis zum Start der vierten Staffel also noch genügend Zeit, dies zu ändern. Als Serientipp für die kommenden kürzeren Tage und dunklen Abende ist „The Sinner" also unbedingt vorzumerken.