Über verzweifelte Aktionen zur Rettung von Klima und Umwelt
Wir hatten früher im Bekanntenkreis eine recht plakative Redensart, wenn wir auf die Sinnlosigkeit einer Sache hinweisen wollten. Wir sagten: „Ich könnte mir genauso gut ein Loch ins Knie bohren und Buttermilch drüber kippen.“ An dieser Stelle sei Entwarnung gegeben: Niemand – ich wiederhole: niemand – von uns hatte sich jemals wirklich ein Loch ins Knie gebohrt. Und wenn ich richtig informiert bin, auch keine kostbare Buttermilch verschwendet. Es gibt Dinge, die sind so übertrieben, dass klar ist, dass es nicht ernst gemeint ist … Sollte man annehmen.
Denn ganz so klar ist das heute nicht mehr. Jüngst durfte man erleben, dass diese Absurdität längst etabliert ist. Star der Aktion ist jedoch nicht Buttermilch, sondern Tomatensuppe: Klimaaktivistinnen und -aktivisten waren auf die glorreiche Idee gekommen, Tomatensuppe über Van Goghs berühmte „Sonnenblumen“ zu kippen, die in der National Gallery in London hängen. Standesgemäß klebten sie sich anschließend mit Sekundenkleber an der Wand fest. Ähnlich wie bei dem eingangs erwähnten blöden Spruch, gibt es auch hier wenige erkennbare Zusammenhänge. Denn die Aktivistinnen und Aktivisten fordern nicht etwa, modernere Ölgemälde auszustellen oder verurteilen den Künstler. Nein, es geht weder um Van Gogh, noch um Gemälde und schon gar nicht um Kunst.
Wer diese Szenen befremdlich findet, nun, ich sag mal so: Willkommen im Club! Das Motiv der Aktivistinnen und Aktivisten mag durchaus ehrenwert, wenn auch recht kurz gedacht gewesen sein. Sie forderten den „Stopp aller neuen Öl- und Gasprojekte“ der britischen Regierung. Sie versäumten natürlich dabei zu sagen, was dann als Alternative die Fabriken und Haushalte des Landes warm und am Laufen halten sollte.
Aber zurück: Nachdem sie sich festgeklebt hatten, sagte eine: „Was ist mehr wert, Kunst oder Leben? Machen Sie sich mehr Sorgen über den Schutz eines Gemäldes oder über den Schutz unseres Planeten und der Menschen?“ Ich gebe zu: Im ersten Moment fühlte ich mich ertappt und dachte: „Stimmt, ich war tatsächlich gerade geschockt, dass dieses schöne Bild beschädigt werden könnte, dabei gibt es derzeit viel größere Probleme auf unserem Planeten.“ Wenn man sich die Sache aber mal genauer betrachtet – und das sollte man, wie so oft –, ist das absoluter Bockmist. Die Zukunft der Welt ist selbstverständlich wichtiger als ein Gemälde, jedoch steht beides in keinerlei Zusammenhang.
Die Welt geht gerade den Bach runter – ob Van Goghs Meisterwerk nun unversehrt oder „alla napoletana“ in der National Gallery hängt. Gerade die Kunst bietet vielen Menschen Inspiration, Freiheit und eine Welt, die eben nicht zerstört ist. Und gerade das dann als Druckmittel zu benutzen, ist – gelinde gesagt – sehr fragwürdig.
Daher lässt sich diese Tat durchaus als Populismus verstehen. Man tätigt Aussagen, die im ersten Moment stimmig erscheinen, die aber bei eingehenderer Betrachtung keine Substanz haben. Das Grundmotiv ist fraglos hehr. Dinge müssen sich ändern, und natürlich hat die junge Generation ein Anrecht darauf, gehört zu werden. Ich habe da nur so eine Vermutung: Wenn sich die Jungen bis dato überhört fühlten, ist es vermutlich keine gute Idee, mit bockigen Aktionen auf sich aufmerksam zu machen.
Wenn der Leon nicht dein Freund sein möchte, dann wird es vermutlich nicht besser, wenn du sein Meerschweinchen in die Mikrowelle steckst, Herrgott noch mal! Man kann oder besser sollte nicht Dinge gegeneinander aufwiegen, die keinerlei Zusammenhang haben. Noch blöder ist es, das verhandlungsunwillige Gegenüber zu provozieren. Das ergibt einfach keinen Sinn.
Apropos Sinn: Vielleicht war die Wahl des Gemäldes besser, als den „Klimaretterinnen und -rettern“ bewusst war. Nicht nur handelt es sich um eines der berühmtesten Kunstwerke der Welt, man wählte eines, das von einem Künstler geschaffen wurde, der zu Lebzeiten niemals wirklich Beachtung fand, der aber gleichzeitig rein physisch so aussah, als, nun ja, hätte er jemandem sein Ohr geliehen. Ach ja, so viel versteckter Symbolismus …