Die neue Berliner Ghost Kitchen „Elevant – Elevated vegan Mezze“ liefert ihre levantinischen Tapas nur zweimal im Monat. Das Warten auf die orientalischen Köstlichkeiten ohne Fleisch lohnt sich aber unbedingt.
Manchmal denkt man nur an das eine. Dann kreisen die Gedanken wie magnetisiert nur noch um ein einziges Thema und finden aus dieser Umlaufbahn kaum noch heraus. So erging es vor Kurzem einer liebeskummerkranken Freundin aus der Nachbarschaft. Wie gut, dass zumindest an diesem Abend ein Retter in der Not vorbeikam. Ein radelnder Lieferant klingelte an ihrer Haustür und brachte die perfekte kulinarische Gedankenzerstreuung mit. Fortan drehte sich das Thema für die nächsten Minuten und Stunden nicht mehr um den Verflossenen, sondern um ein Esserlebnis der ganz besonderen Art.
Süße und aromatische Düfte strömen uns entgegen, als wir die orientalischen warmen und kalten Tapas von „Elevated vegan Mezze“ aus der Papiertüte nehmen. Schon die hellbraunen, hundertprozentig plastikfreien Verpackungen sind eine angenehme visuelle und haptische Überraschung gegenüber den üblichen Liefer-Gerichten. Der Name „Elevant“ soll mit seiner eleganten Lautmalerei nicht an das graue Rüsseltier aus Afrika erinnern, sondern an die Levante-Küche. Als Levante bezeichnet man den östlichen Mittelmeerraum, das heißt Israel, Libanon, Palästina, Jordanien und Syrien. Früher nannte man diese geografische Region auch Morgenland. Levante steht aber nicht nur für die Gegend, sondern auch für ihre länderübergreifende Küche.
Veganes Vorspeisen-Ensemble macht zwei bis drei Leute satt
Eine festgelegte Speisenfolge gibt es nicht. Vielmehr geht es darum, alles gleichzeitig auf den Tisch zu bringen – und miteinander zu teilen. Das Stichwort für dieses gesellige, kulinarische Miteinander ist die Mezze. Dabei werden mehrere kalte und warme Vorspeisen serviert. Der Ursprung des Wortes soll aus dem persischen „Mazze“ kommen, was so viel wie Geschmack bedeutet. Den aromatischen Geschmack frisch hergestellter Mezze haben sich die beiden Gründer Ruben Achtzehn und Elias Eberhagen mit „Elevated vegan Mezze“ auf ihre Fahnen geschrieben. Das hochwertige Mezze-Set aus fünf verschiedenen Gerichten und Pitabroten ist auch das Herzstück ihrer Ghost Kitchen.
Für knapp 50 Euro werden bei diesem veganen Vorspeisen-Ensemble zwei bis drei Personen pappsatt. Dazu gibt es eine Auswahl verschiedener Getränke wie zum Beispiel Naturweine und Sauerbiere der Berliner Brauerei Schneeeule. Einziger Wermutstropfen bei der Elevant’schen Ghost Kitchen sind die Zeitfenster: Geliefert wird derzeit nur an zwei Samstagen im Monat. Allerdings sind auch private oder geschäftliche Caterings auf Anfrage möglich.
Doch bevor wir das realisieren und bedauern lernen, packen die Freundin und ich weiter neugierig die orientalische Wundertüte aus. Zum Vorschein kommen zunächst drei ofenwarme Leoparden-Pita mit Sauerteig, die schon vom Ansehen allein zum Reinbeißen verlocken. Warum die runde, schwarz-gescheckte Brotbeilage keine gewöhnliche Pita ist, erklärt Mitgründer Ruben Achtzehn im Gespräch: „Wir backen unsere Pita in neapolitanischen Pizzaöfen bei 480 Grad. Das ergibt ein schönes und aromaverstärkendes Leopardenmuster.“ Tatsächlich sind die Brote genauso kross und fluffig, wie sie aussehen. Schwierig wird die Qual der Wahl: Womit beginnen, wenn alles so aromatisch-fruchtig duftet, während ein Hauch von 1.001 Gewürzen in unsere Nasen strömt?
Es waren arabische Ärzte und Händler, die im Mittelalter Gewürze nach Nordafrika und Spanien brachten. Dann fing man auch in unseren Breiten an, exotische Gewürze zum Würzen von Speisen zu verwenden. Lange Zeit waren sie aber nur den Reichen vorbehalten. So wurde damals nicht nur Safran mit Gold aufgewogen. Der Gewürzhandel war ein einträgliches Geschäft. Auch heute steckt in vielen Gewürzen viel Aufwand für die Ernte und den Verarbeitungsprozess, was sich im Preis niederschlägt. So gehören peruanischer Aji Charapita-Chili und Safran zu den teuersten Gewürzen der Welt. Auch für Kardamom müssen die Händler viel hinblättern. So kosten fünf Gramm Kardamom etwa drei Euro.
Letzteres Edelgewürz findet sich unter anderem auch in dem eigentlich unbeschreiblichen Hummus, in den wir an diesem Winterabend unsere Pita dippen. „Der ist der Hammer“, ruft die Freundin und kostet von dem cremigen Etwas. Dazu gibt es nicht nur sizilianisches Olivenöl, sondern auch Amba- und Zhug-Saucen. Besonders der in Israel beliebte Zhug hat es meinem Gaumen angetan. Ich schmecke Koriander und noch etwas anderes, schwerer definierbares heraus: Tatsächlich sind frischer Koriander und Petersilie ebenso mit dabei wie grüner Chili, Koriandersaat und besagter Kardamom. Sehr nach einer indischen Curry-Mischung schmeckt hingegen die Amba-Sauce. Stopp, falsches Land! In Wirklichkeit stammt diese Sauce aus dem Iran. Sie ist auch keine Curry-Mischung, obwohl sie ebenso Kurkuma und Bockshornklee enthält. Hochkomplex ergänzt wird das Ganze durch Senfsamen, Chili, Kumin und Sumach. Grundlage der sonnenfroh gelben, fruchtig-sauren Sauce sind frische und fermentierte Mangos.
Zu so viel Würze am Abend braucht es natürlich auch einen getränketechnischen Ausgleich. Und so erfrischen wir uns an dem kalt aufgegossenen Jasmin-Eistee. Auch er überrascht durch seine gustatorische Mannigfaltigkeit: Dezent gesüßt mit Agavendicksaft, ist er mit frischem Thymian und gepressten Zitronen abgerundet. Die perfekte Ergänzung zu unseren scharfen Gerichten und Soßen. Hach, wenn Liebespartner doch auch nur halbwegs so perfekte Pendants wie dieser lieblich-erfrischende Tee wären … Aber egal, an diesem Abend zu Hause geht unsere Liebe nur durch den Magen. Und so kosten wir uns weiter durch die Tapas aus dem fernen Orient. Dabei wird alles in einer Berliner „Secret Kitchen“ geschnippelt, gerührt und gebacken.
Gaumenfreuden und Geschmacksexplosionen
Die beiden Gründer Ruben Achtzehn und Elias Eberhagen, die sich aus ihrer gemeinsamen Zeit im „Kochhaus“ kennen, hatten vor einem Jahr die Idee einer Ghost Kitchen levantinischer Ausrichtung, bevor sie im vergangenen Sommer „Elevated vegan Mezze“ gründeten. Mit im Team sind zwei Köche: Georg Nieder, ein Koch der aus dem Fine Dining kommt, und Shay Dashevsky, ein Israeli, der „das Herz für die Levante-Küche mit hineinbringt“, wie Ruben Achtzehn sagt. „In Berlin gibt es viele leckere Restaurants, aber keinen leckeren Lieferservice“, erzählt der Mitbegründer weiter. Man müsse sich erst durch neun durchprobieren, um beim zehnten vielleicht zufrieden zu sein. Lieferservices haben es auch nicht so leicht, hohe Qualitätskriterien zu erfüllen. „Nach der Lieferung kann diese an Qualität einbüßen“, weiß Ruben Achtzehn. „Pizza oder Falafel müssen sofort gegessen werden“, findet der Gourmant, der vor zwölf Jahren das erste Mal in Israel war. Auf seiner Reise hat er sich in die levantinische Küche „reinverliebt“, wie er erzählt. Damals war sie in Deutschland noch nicht so weit verbreitet. Doch heute kann man selbst in Supermärkten „viele Varianten von Hummus“ kaufen, sagt der Geschäftsführer.
Selbstredend gibt es in den Geschäften nicht so einen raffiniert ausgeklügelten Hummus wie bei „Elevant“. Für weitere Geschmacksexplosionen und freudige Gaumenüberraschungen sorgen noch weitere Protagonisten im kulinarisch-orientalischen Märchenhimmel. Mein Star des Abends ist der fruchtige Orangen-Linsensalat mit getrockneten Aprikosen, vereint er doch Süßes mit Würzigem und Bekanntes mit Unbekanntem. Geradezu auf der Zunge zergeht der gebackene Blumenkohl, angereichert mit Chili-Öl, Zhug und cremig auf der Zunge zerschmelzendem Tahini. Bei Letzterem glaubt die Freundin, Sahne herauszuschmecken. Aber nein, auch in der Sesampaste ist alles 100 Prozent vegan.
Der besondere Würzdreh ist hier Ras-el-Hanout zu verdanken, mit dem die marinierten Blumenkohlrosen im Ofen gebacken werden, bis sich Röstaromen bilden. Als Auberginen-Afficinada bin ich auch hingerissen von der aromatischen Variante mit eingelegten Chilis und Kräutermarinade der fein angerichteten violetten Gemüsespalten. Die ganz besondere Textur der Auberginen erinnert viele Vegetarier und Veganer an zartes Fleisch. Ein perfekter Fleischersatz ist übrigens auch das Austernpilz-Shawarma, das das Gourmet-Herz der Freundin im Sturm erobert. Der Abend ist gerettet – und das Leben ohne Männer kann absolut köstlich sein.