Das Smartphone hat sich in Lockdown-Zeiten den ersten Platz in den Herzen der Deutschen erobert und verdrängt sogar das Auto. Alljährlich holt sich die Mehrheit der Nutzer derzeit ein topaktuelles Modell – ein Widerspruch zu ihrem gleichzeitig postulierten Anspruch an Nachhaltigkeit.
Heute hat mehr als jeder Zweite (63 Prozent) ein tragbares, kabelloses, internetfähiges Kommunikationsgerät, das maximal ein Jahr alt ist. Nur acht Prozent der Nutzer besitzen ein Smartphone, das älter als 24 Monate ist. Ein Grund für diese Haltung: „Ich möchte immer das neueste Smartphone haben."
Ende Februar werden normalerweise neue Modelle beim „Mobile World Congress" in Barcelona vorgestellt. Eigentlich. Dieses Jahr vielleicht im Juni. Ausgewechselt wird trotzdem. „Für sehr viele Menschen ist das Smartphone ihr wichtigstes persönliches Gerät – weil es so vielseitig einsetzbar wie kein anderes ist. Kommunikation, Unterhaltung, Bildung oder Steuerzentrale für vernetzte Geräte: All das vereint nur ein Smartphone", sagte Bitkom-Präsidiumsmitglied Markus Haas Ende Februar bei einer Pressekonferenz des Branchenverbands zu „Konjunktur und Trends auf dem Smartphone-Markt". Haas, der auch Vorstandsvorsitzender der Telefónica Deutschland Holding ist, über die Kauflaune: „Zu Beginn der Corona-Pandemie waren Nutzer zurückhaltend beim Neukauf, im zweiten Halbjahr 2020 zog die Nachfrage dann an."
22,1 Millionen Neugeräte für im Schnitt 495 Euro
Dieses Jahr werden mit Smartphones, Apps, mobilen Telekommunikationsdiensten und Mobilfunkinfrastruktur in Deutschland voraussichtlich 35 Milliarden Euro umgesetzt – genauso viel wie im Jahr 2020, als ein Rekordwert erreicht wurde. Das prognostiziert der Digitalverband Bitkom anhand aktueller Berechnungen. Die Smartphones selbst sorgen voraussichtlich „nur" für 10,9 Milliarden Euro (+0,3 Prozent) Umsatz. Mehr Geld fließt in die Kassen durch alles, was mit internetfähigen Mobiltelefonen unternommen wird. Das heißt, Daten- und Sprachdienste führen mit 20 Milliarden Euro (+0,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) Umsatz zu den höchsten Verdiensten rund um die Nachfolger der grauen Fernsprech-Apparate.
In die Netzinfrastruktur für mobile Kommunikation fließen 2,1 Milliarden Euro (+2,9 Prozent), wobei Aufwendungen für Frequenzen, Gebäude und Bauarbeiten noch hinzukommen. Der App-Markt wächst laut Bitkom-Prognose auf zwei Milliarden Euro (+elf Prozent).
Als sich Kontaktbeschränkungen immer mehr ausweiteten und Urlaube gestrichen wurden, entwickelten sich mobile Telefone, mit denen auch Videogespräche und gemeinsames Spielen über große Distanzen möglich ist, zu den besten Freunden der Menschen aus dem Technik-Bereich: 82 Prozent der befragten Nutzer sagen, dass ihr Smartphone ihnen geholfen hat, besser durch die Krise zu kommen. Fast drei Viertel (73 Prozent) würden lieber auf ein Auto verzichten als auf ihr Smartphone. Neun von zehn Menschen können sich ein Leben ohne die mobilen Geräte, die sie (fast) jederzeit mit quasi jedem Ort verbinden, nicht mehr vorstellen. Unterm Strich ist das Smartphone für so gut wie alle Nutzer, 95 Prozent, eine große Erleichterung im Alltag: Deshalb besitzen manche Menschen auch mehr als ein Multifunktions-Telefon. Das heißt, in Hand- und Hosentaschen führt jeder im Schnitt 1,4 mobile Geräte mit sich.
„Die Produktzyklen werden wieder kürzer, vor vier Jahren waren die Austauschzyklen erschlafft", sagt Haas. Das bedeutet: An 56 Millionen bundesdeutsche Smartphone-Nutzer über 16 Jahren werden 2021 nach Bitkom-Prognose 22,1 Millionen Geräte (+0,1 Prozent) verkauft. Der Durchschnittspreis pro Gerät steigt auf 495 Euro an (2020: 494 Euro). „Dass die Preise nicht stärker steigen, hat zwei Ursachen: Der Anteil chinesischer Hersteller mit günstigen Modellen im Markt wächst. Und auch im mittleren Preissegment überzeugen Geräte mit einem größeren Funktionsumfang", erklärt der Manager.

Wie viel die Menschen mit ihren ständigen, smarten Begleitern interagieren ist auch daran zu sehen, dass sich die verfügbaren Datenvolumen für die Verbindungen ins Netz immer viel zu schnell erschöpfen. Für 60 Prozent reicht das Inklusiv-Datenvolumen ihrer Mobilfunk-Verträge nicht aus. „Der Bedarf an Datenvolumen ist hoch und steigt weiter", sagt Haas. Die meisten Nutzer würden sich bislang mit ein bis drei Gigabyte bescheiden, 20 Prozent gönnen sich drei bis fünf Gigabyte. Fünf Prozent mehr Menschen als 2020, insgesamt 14 Prozent, geben Geld für mehr als fünf Gigabyte mit ungedrosselter Geschwindigkeit beim Hoch- und Runterladen von Daten beziehungsweise Streamen aus.
Die Möglichkeiten sind verführerisch, die Langeweile in Lockdown-Zeiten bei manchen groß. Die smarten Begleiter bieten derweil immer mehr Durchhaltevermögen. „Bei den Flaggschiff-Modellen wie bei Einsteiger-Geräten verbessern sich Funktionsumfang und Leistung von Jahr zu Jahr – das spricht viele Kunden an", sagt Haas.
Trotzdem wollen die Mobil-Fans für ihr nächstes Smartphone im Schnitt nur 200 Euro ausgeben, sieben Euro mehr als im Vorjahr. Gerade einmal 15 Prozent sind bereit, 300 bis 499 Euro beim Einzelhändler zu lassen. Nur sechs Prozent wollen 500 Euro und mehr bezahlen.
Stichwort: „Überinvestieren". Der Widerspruch zu den tatsächlichen Durchschnittskosten von 450 Euro pro Mobiltelefon liegt auf der Hand. „Dadurch, dass viele Smartphones subventioniert sind, ist nur die Anzahlung transparent", sagt Haas dazu. „Viele Verbraucher setzen beim Smartphone-Kauf auf Kombiangebote aus Gerätefinanzierung und Mobilfunkvertrag. Mit zumeist geringen monatlichen Zuzahlungen entstehen attraktive Angebote gerade für weniger zahlungskräftige Verbraucher."
Immerhin 79 Prozent der Nutzer finden „Nachhaltigkeit" für den Kauf ihres nächsten Smartphones „sehr wichtig", 13 Prozent „eher wichtig". „Hersteller und Netzbetreiber müssen darauf reagieren, indem sie ihr Engagement beim Thema Nachhaltigkeit transparent kommunizieren, Umwelteigenschaften und Produktionsprozesse erklären und Verwertungsmöglichkeiten aufzeigen", sagt das Bitkom-Präsidiums-Mitglied. Und: „Es gibt einen Unterschied, was die Menschen sagen und tun."
Faltbarkeit interessiert ein Drittel der Nutzer
Nichts Neues zu kaufen ist am nachhaltigsten. Doch die Menschen handeln offenbar anders, wenn der Akku nicht den ganzen Tag, fern der heimischen Steckdose, durchhält. Wenn das Display den Sturz aus der Hosentasche oder vom Schreibtisch nicht ohne unschönen Bruch übersteht. Wenn Displayschutzfolien nicht zum Lieferumfang des edlen Geräts gehören. Wenn der interne Speicherplatz für TikTok- und Instagram-Videos nicht mehr ausreicht. Oder wenn etwa die Kameraqualität noch Luft nach oben hat.
„Corona macht die Verbraucher anspruchsvoller: Top-Geräte, gute Netzabdeckung, niedriger Preis – darum geht es", fasst Haas die Kauf-Motive zusammen. Infolge der Pandemie wünschen sich zusätzliche acht Prozent, insgesamt 98 Prozent, eine möglichst hohe Netzabdeckung. „Für 5G, das kommt derzeit immer stärker in die Fläche, würden Nutzer im Schnitt elf Euro mehr pro Monat zahlen", resümiert der Telekommunikations-Manager.
Alle genannten Merkmale sind mindestens für die Hälfte der Befragten wichtig: ein robusteres Bildschirmglas, längere Akkulaufzeit und mehr Speicherplatz. Für drei Viertel der Smartphone-Neukäufer ist die schwindende Akku-Leistung ein Grund, auch das Telefon außenherum zu ersetzen. „Leider herrscht immer noch der Irrglaube, dass man den Akku nicht tauschen kann", sagt Haas dazu. „Das stimmt nicht. Im Fachhandel ist das für 50, 70 oder 90 Euro möglich."
Faltbarkeit ist bei Smartphones übrigens nicht einmal einem Drittel der Nutzer wichtig. Trotzdem wagt sich Microsoft bei seinem erstem Smartphone, das Android als Betriebssystem hat, mit Falten auf den Markt. Das Surface Duo hat zwei Bildschirme, ist klappbar und kostet „ab 1.549 Euro", also mehr als dreimal so viel wie durchschnittliche Mobile Phones. Immerhin erhält man beim Hersteller „bis zu 500 Euro", wenn man ein „geeignetes Gerät" in Zahlung gibt. Vielleicht vereinbaren Smartphone-Fans auf diese Weise Nachhaltigkeit und Neuanschaffungsdrang.