Rund um das Coronavirus mit seinen Dutzenden Varianten wird weiter mit Hochdruck geforscht. Neue Impfstoffe für die unterschiedlichen Krankheitsverläufe werden dringend gebraucht.
Die Ansteckungswelle in Shanghai hat wieder gezeigt: Corona ist nicht vorbei, auch wenn in Europa überall die Inzidenzen sinken. Das Virus wird uns weiter begleiten. Deswegen hat auch die Forschung nie nachgelassen.
Ob es einen Wunderimpfstoff geben könnte, der das Virus mit all seinen bisher bekannten 50 genetischen Varianten mattsetzt, ist zum Beispiel eine der vielen Fragen. Dass die bisher gebräuchlichen Impfstoffe zwar vor schweren Verläufen schützen können, aber insgesamt nicht ausreichen, hat die Omikron-Welle gezeigt. Fünf sind in der EU bisher zugelassen: Comirnaty (Biontech/Pfizer), Spikevax (Moderna/NIAID), Vaxzevria (AstraZeneca/Oxford), Ad26.COV2.S (Janssen/Johnson & Johnson) und Nuvaxovid (Novavax). Weltweit sind es mehr als 36. Ein Großteil davon allerdings nur in einzelnen oder ganz wenigen Ländern. Dazu gehören etwa Impfstoffe aus Kuba, dem Iran, Kasachstan und China. Alle Vakzine (also Impfstoffe) beruhen auf dem ursprünglichen Virusstamm, der in Wuhan vor fast drei Jahren entdeckt wurde.
Angepasste Impfstoffe wohl ab Herbst
Die neuen Vakzine werden in der Fachwelt als Impfstoffe der zweiten Generation bezeichnet. Sie sind effektiver und spezialisiert. Was bedeutet das? Es handelt sich um Impfstoffe, die auch einen guten Schutz vor neuen Varianten bieten, ferner in solche, die speziell für Menschen mit geschwächtem Immunsystem entwickelt werden und – drittens – solche, die für eine starke Immunabwehr direkt in den Atemwegen sorgen, um Geimpfte besser zu schützen. Dabei geht es auch darum, dass Menschen, ohne selbst krank zu werden, das Virus „beherbergen" und weitergeben können.
Branchenkenner rechnen damit, dass Biontech/Pfizer und Moderna bereits im Herbst mit neuen Varianten auf den Markt kommen könnten. Sie können dann als „Auffrischungsimpfung" verabreicht werden. Die dritte Variante wird als Spray entwickelt und erinnert an das herkömmliche Nasenspray oder Nasentropfen. Dabei wird das Immunsystem der oberen Atemwege trainiert, um Coronaviren schon hier besser zu blockieren. Die FU Berlin und die Universität Bern forschen gemeinsam an dieser Variante.
Auch die Suche nach einem Universalimpfstoff – einer für alles – ist weiter im Gang. Dabei nehmen die Forscher die unveränderlichen Bauteile eines Virus ins Visier. „Das ist wie bei Flaschenöffnern, diese können alle möglichen Designs haben, aber es gibt immer die Stelle, die Flaschen öffnet. Diese Stelle ist immer ähnlich und daher die interessanteste", erklärt Rolf Hömke, Sprecher vom Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). Weltweit wird an mehr als 300 Projekten geforscht. Die Chancen, einen Wunderimpfstoff zu finden, stehen damit gar nicht so schlecht.
Selbst dann wird den Forschungslabors die Arbeit nicht ausgehen. Gegen Covid-19 und seine Begleiterscheinungen gibt es je nach Krankheitsstadium und Komplikationen, Medikamente der unterschiedlichsten Art. Die meisten gehören laut Hömke in eine der folgenden fünf Gruppen:
• Antivirale Medikamente. Sie sollen verhindern, dass die Viren in Körperzellen eindringen oder sich dort vermehren.
• Herz-Kreislauf-Medikamente. Sie sollen die Blutgefäße, das Herz und weitere Organe vor Komplikationen durch eine Covid-19-Erkrankung schützen.
• Dämpfende Immunmodulatoren. Sie sollen im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung die Abwehrreaktionen des Körpers so begrenzen, dass diese nicht noch mehr Schaden anrichten als die Viren selbst.
• Medikamente für die Lungenfunktion. Sie sollen der Lunge helfen, während der akuten Infektion ihre Funktion aufrecht zu erhalten und sich anschließend möglichst folgenlos zu regenerieren.
• Medikamente gegen Long Covid, also andauernde Beschwerden nach Abklingen der eigentlichen Covid-19-Erkrankung Hoffnungen ruhen auf neuen antiviralen Arzneimitteln wie Paxlovid und Molnupiravir – die ersten Pillen gegen Corona, die auf Rezept in den Apotheken erhältlich sind. Erwachsene Patienten, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben, konnten seitdem damit behandelt werden. Die Tabletten sind für die Therapie bereits Erkrankter gedacht.
Auch gute Medikamente können die Corona-Impfung nicht ersetzen
Bisher gab es dafür Infusionen, die nur wirken, wenn sie mit ihren Antikörpern direkt in die Blutbahn gelangen. Früh genug eingesetzt, können sie einen schweren Verlauf verhindern oder zumindest deutlich abschwächen. Allerdings werden solche Infusionstherapien vor allem im Krankenhaus gemacht, Betroffene, die zunächst nur leichte Krankheitssymptome haben, kommen aber erst ins Krankenhaus, wenn die Krankheit schon weiter fortgeschritten ist. Dann wirken die Antikörper aber nicht mehr.
Anders bei den neuen Medikamenten in Pillenform: Paxlovid und Molnupiravir können schwere Krankheitsverläufe verhindern. In Großbritannien und Dänemark schon zugelassen ist der Wirkstoff Molnupiravir des US-amerikanischen Unternehmens Merck Sharp & Dohme. Es kann nach bisherigen Studiendaten schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle um etwa 30 Prozent reduzieren. Mitte Dezember 2021 legte der Pharmakonzern Pfizer Daten zu seinem Medikament Paxlovid vor: Laut Pfizer senkt das Mittel bei leichten bis mittelschweren Krankheitssymptomen die Gefahr einer Krankenhauseinweisung oder eines Todes um knapp 90 Prozent. US-Präsident Joe Biden versprach Pfizer staatliche Unterstützung, um die Produktion des Medikaments schnell hochzufahren.
Die Wirkstoffe der Medikamente hindern die Viren daran, sich zu vermehren. Für die Vermehrung dringen Viren in Zellen ein, lösen sich auf und benutzen dann die Zelle, um die eigenen Bestandteile herzustellen. Es entstehen lange Eiweißketten, die dann ein spezielles Enzym in kurze Abschnitte zerlegt. Aus denen setzen sich die Viren dann neu zusammen. Hier greift Paxlovid ein. Sein Wirkstoff hemmt das Enzym und damit die Produktion neuer Virusbausteine. Die Virusvermehrung ist stark eingeschränkt.
Frei von Nebenwirkungen sind die Medikamente nicht, deshalb müssen Ärzte genau abwägen, für wen sie geeignet sind. Infrage kommt eine Tablettentherapie für Menschen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Das sind vor allem diejenigen, die selbst keine Antikörper bilden können. Hier kann die Therapie bereits frühzeitig, vor den ersten Symptomen, beginnen. Etwa wenn ein Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person stattgefunden hat. Der Pandemie–Beauftragte des Klinikums rechts der Isar der TU München, Christoph Spinner, sieht laut Apotheken-Umschau gute Chancen in den neuen Medikamenten. Molnupiravir werde „als Kapsel zweimal täglich über fünf Tage eingenommen und wirkt auch gegen die Omikron-Variante". Er ist überzeugt, dass das antivirale Medikament in Pillenform schon bei Risikopatienten ab zwölf Jahren eingesetzt werden kann. Doch dem Piks entgeht man damit nicht. Die neuen Medikamente können die Impfung nicht ersetzen, sind aber ein wichtiger Fortschritt im Kampf gegen das Coronavirus. Die Grippe kommt ja auch jedes Jahr mit neuen Viren.