Das Restaurant „Lütze“ in City West begeistert mit gesunder und köstlicher Fusions-Küche, mit veganen und fleischhaltigen Bowls in entspanntem Ambiente.
Jedem ersten Eindruck gebührt fairerweise auch eine zweite Chance. So ergeht es der Testerin, als sie am Lützowplatz in City West ankommt. Der Platz wirkt auf den ersten Blick etwas verbaut und unwirtlich. Eher von der Sorte verblühtes Mauerblümchen als fabulöses Areal voller Geschichten. Dabei hat der Lützowplatz eine facettenreiche Vergangenheit, die bis ins Jahr 1930 ihre Blütezeit erfuhr. So veranstalteten die Musikverleger und Eheleute Clara und Fritz Simrock in den 1870er-Jahren dort ihren Berliner Salon mit Musik-Matineen und musikalischen Soireen. Auch Elisabeth von Plotho, das reale Vorbild für Theodor Fontanes Romanfigur Effi Briest, wohnte in der Nähe des Platzes mit ihrem Gatten. Auch bei Künstlern wie Dora Hitz, Rudolf Jacobi, Anton von Werner und Theodor Wolff war die Gegend überaus beliebt.
Büros und Galerien dominieren heute
Heute sind in den Gebäuden um den Lützowplatz vor allem Büros und Galerien angesiedelt. Seinen Namen verdankt der Platz Freiherr Ludwig Adolf Wilhelm von Lützow. Der Adelige war ein Freiheitskämpfer, der als Führer des Lützowischen Freikorps in den Befreiungskriegen berühmt wurde. Im Jahr 1813 gründete Adolf Wilhelm von Lützow das Lützowische Freikorps, in dem Menschen aller Schichten und Klassen vom Arbeiter bis Akademiker willkommen waren. Das Lützowische Freikorps war ein Freiwilligenverband der preußischen Armee in den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815. Auch das neue Restaurant „Lütze“ im „Hotel Berlin“ ist nach dem adeligen Freidenker benannt. Dort will man jetzt die „eklektische Energie und Vision“ des Freiheitskämpfers wieder aufleben lassen, wie es auf der Webseite des Lokals heißt. Es sei kein Zufall, dass das „Lütze“ die Homebase für alle guten Rebellen sei, liest man weiter auf der Webseite.
Diesen „Zufall“ wollen wir genauer unter die Lupe nehmen und betreten das luftig gestaltete, großräumige Lokal. 260 Plätze hat das Restaurant, im Sommer soll zusätzlich die Terrasse mit etwa 120 Sitzplätzen eingeweiht werden. Das großzügige Ambiente hat etwas von einer Frischzellenkur für eingestaubte Gedanken. Hier ein paar Street-Art-Kunstwerke des Mural Artist Christian Rothenberger, da ein bunt gemusterter Teppich und dort ein Regal voller Bücher. Man kann auf Stühlen an den Tischen sitzen oder auf einem Hocker an der Bar. Oder man lümmelt sich gemütlich in einen lounge-artigen Ohrensessel oder auf eines der Sofas. Überall scheint Platz für Geselligkeit und geistigen Austausch.
Noch fühlt sich die Testerin nicht wie eine Rebellin im Sinne des Freiherrn von Lützow. Aber das Ambiente des Lokals sorgt schon mal für gute Vibes. Hier könnte man sich durchaus Schriftsteller und Zeitchronisten vorstellen, die in einer Ecke sitzend das Geschehen still beobachten und wild drauflosschreiben. Doch auch Schreibwütende müssen beim Surfen auf ihren Gedankenwellen zwischendurch auch einmal innehalten. Und inmitten der mitreißendsten Fantasieströme meldet sich früher oder später einmal ein knurrender Magen. Wie praktisch, dass sich das im Dezember 2022 eröffnete Lokal vor allem für die Mittagspause eignet.
„Die Suppe ist der Hammer“
Der Mensch lebt nicht von Brot allein, heißt es. Aber ein bisschen Energiezufuhr in Form von stärkehaltigen Produkten für die grauen Zellen könnte nicht schaden. Denn im „Lütze“ gibt es die besonders leckeren Stullen der stadtbekannten Berliner Edelbäckerei „Zeit für Brot“. Die Brotproduzenten sind Partner des „Lütze“, das eine kleine Auswahl ihres Sortiments anbietet. Der anwesende Fotograf ist vor allem von dem krossen Landbrot mit zartem Pulled Beef mit Cheddar Cheese und Gewürzgurke begeistert. „Das ist mein ‚favorite‘“, sagt er. Die Testerin zieht es mit ihren Präferenzen für vegetarische Kulinarik eher zur Stulle mit cremigem Rote-Bete-Mus, Avocado und Eiern. Letztere sind nach der Sous-vide-Methode gegart und haben so die perfekte Konsistenz.
Freunde rein veganer Kost dürften bei einer Stulle mit Hummus, Karotte und Paprika auf ihre Kosten kommen. Bei der Rote-Linsen-Suppe sind sich Fotograf und Schreiberin wieder ganz einig. „Die Suppe ist der Hammer“, entfährt es uns fast zeitgleich. Die mit Kokosmilch pürierten roten Linsen an Koriander und Röstzwiebeln sind tiefenaromatisch und hochköstlich. International wird es mit dem Korean BBQ Hot Dog mit Geflügelwurst ebenso wie dem mexikanischen Weizenmehl-Burrito mit Pulled Chicken, schwarzen Bohnen, Reis, Römersalat und Koriander.
Bei dieser gesunden Fusions-Küche zieht es uns an jenem Mittag in den Fernen Osten, und wir lassen unsere Gaumen mit einer Schüssel Indien verwöhnen. So kosten der Fotograf und die Journalistin sowohl von der Bowl als auch von der Schüssel mit Süßkartoffel-Tikka-Masala, angereichert mit Karotten, Paprika, Edamame, Erbsenkresse und Vollkornreis. Wir sind begeistert. Herzerfrischend gesund und nicht weniger lecker sind auch die kalten Bowls, etwa die Mango Bowl. Die gemüsige Schüssel aus saftig-süßen Mangos, butterweichen Süßkartoffeln, Brokkoli, schwarzen Bohnen und Herzen vom Römersalat könnte es sicher schaffen, auch Grünzeug-renitente Menschen vom Gegenteil zu überzeugen.
Die meisten Gerichte sind vegan, können aber mit Add-ons wie etwa Hähnchen im Pankomantel oder Räucherlachs getoppt werden. Dazu kann man bei den Bowls noch wählen zwischen scharfen Dressing-Varianten mit Tomatillo, Wasabi oder Mango-Chili oder milderen Saucen wie Caesar-, Joghurt- oder Kräuter-Dressing. Bei so viel Schärfe brauchen wir natürlich auch den passenden Drink und entscheiden uns für einen alkoholfreien Cocktail mit dem geheimnisvollen Namen LP17. Hier wird süß-säuerlicher Erdbeersaft mit Gin Tonic aufgefüllt sowie mit Vanillesirup und Zitronensaft verfeinert. On top noch eine gedörrte Limette, und so trinken wir uns Schluck für Schluck in ein fruchtiges Frische-Paradies, aus dem wir nicht mehr abgeholt werden wollen. Wer will, kann natürlich seinen Durst auch mit Bierigem stillen, so zum Beispiel mit diversen Craft-Bier-Sorten der Berliner Firma Brlo oder anderen Brauerei-Getränken.
Die Zimtschnecken gelten als legendär
Es brauchte vier Jahre, bis im „Hotel Berlin“ unter der Leitung von General Manager Jan Henningsen dieser fabelhafte gastronomische Ort entstehen konnte. Das Warten hat sich gelohnt. Jetzt füllt das neue Restaurant eine klaffende, gastronomische Lücke im Kiez um den Lützowplatz. Anliegende Lokale wie etwa der „Sylter Hof“ wurden dichtgemacht. Auch die Traditionsvilla des legendären „Café Einstein“ an der Kurfürstenstraße bleibt wegen Bau- und Sanierungsarbeiten für längere Zeit geschlossen. In legerer Atmosphäre lässt es sich wunderbar entspannt schnabulieren.
Allerdings sollte man Karte und das mobile Telefon mitbringen. Denn Bestellung und Bezahlung laufen im „Lütze“ ganz digital über das Smartphone. Über einen QR-Code am Tisch kommt man zur Karte und bezahlt direkt bei der Handy-Bestellung. Last but not least lassen wir den angebrochenen Nachmittag noch ein wenig versüßen. Wir löffeln einen Käsekuchen aus dem Glas mit frischen Beeren und einer frischen, zitronigen Creme. Dann lassen wir uns noch eine der legendären Zimtschnecken aus der „Zeit für Brot“-Manufaktur einpacken. Bei der Rückfahrt denken wir beim Beißen in die ofenwarme, fluffige Backware noch länger an das „Lütze“ und versprechen uns selbst, bald, bald wiederzukommen.