Das große Ziel der Universität des Saarlandes ist, Exzellenzuniversität zu werden. Ein langer Weg mit wichtigen Zwischenetappen, sagt Wissenschaftsminister Jakob von Weizsäcker. Gleichzeitig hat die Uni eine zentrale Funktion bei der Transformation im Land.
Herr von Weizsäcker, die Universität des Saarlandes (UdS) hat eine eigene Tradition. Wohin wird sie sich in absehbarer Zukunft entwickeln?
Die Universität des Saarlandes ist ein Schatz für das Saarland. Es ist unsere einzige Universität, mit einem deutsch-französischen Erbe und einer europäischen Ausrichtung. Sie ist identitätsstiftend nach innen und ein Magnet für Studierende und Forschende – auch europäische und internationale. Und sie ist ein wichtiger Standortfaktor für unsere Saarwirtschaft.
Beim Nachdenken über die Zukunft der UdS dürfen wir gleichzeitig die Relationen im Bundesvergleich nicht vergessen. Mit knapp 17.000 Studierenden ist die UdS nach der Studierendenzahl die Nummer 46 in Deutschland. Im deutschen Hochschulsystem können aber eigentlich nur Universitäten ab 30.000 Studierenden alle Fächer wettbewerbsfähig abdecken. Deshalb hat sich die UdS für eine Spezialisierung entschieden, um dann in ihren Schwerpunktbereichen auch als mittelgroße Uni wettbewerbsfähig zu sein und Exzellenz zu entwickeln. Diese Spezialisierung mit drei Schwerpunkten überzeugt mich.
Der erste Schwerpunkt ergibt sich aus der Geschichte der UdS: Europa. So hat der zweite Rektor der Universität, Joseph-François Angelloz, bereits 1950 bei seiner Antrittsvorlesung gesagt: „Europa! Das ist das Wort, das wir als Losung und Parole wählen, indem wir uns als europäische Universität bekennen.“ Aus diesem historischen Auftrag ist ein eindrucksvoller Europacluster entstanden, mit Schwerpunkten in der Rechtswissenschaft, der Kulturwissenschaft und der Gesellschaftswissenschaft. So lockt beispielsweise der Master Europäisches und Internationales Recht Studierende aus aller Welt nach Saarbrücken.
Der europäische Anspruch der UdS wird darüber hinaus in europäischen Hochschulnetzwerken sichtbar. Die Universität der Großregion bringt uns mit Universitäten in Lothringen, Luxemburg, Belgien und Rheinland-Pfalz zusammen. Und mit Transform4Europe ist die UdS Teil eines großen europäischen Hochschulverbunds mit Universitäten aus Alicante in Spanien, Tallinn in Estland, Kattowitz in Polen, Sofia in Bulgarien und Triest in Italien. Gemeinsam bringt Transform4Europe 116.000 Studierende für ein europäisches Angebot zusammen. Perspektivisch geht es darum, zu einer Europäischen Hochschule zusammenzuwachsen, wofür es entsprechende Unterstützung aus Brüssel gibt. Der Vorschlag zur Schaffung solcher Europäischer Hochschulen kam übrigens 2017 von Emmanuel Macron und wurde dann von der Europäischen Kommission aufgegriffen.
Der zweite Spezialisierungsschwerpunkt der UdS ist die Informatik. Einen entscheidenden Wachstumsschub bekam die Informatik in der Ära Lafontaine, als einige weitsichtige Pioniere des Fachbereichs auf die politische Bereitschaft trafen, in diesen damals noch jungen Zukunftsbereich zu investieren. Für die UdS und das Saarland ist die starke Informatik im Zeitalter der Digitalisierung ein Glücksfall. Um sie herum sind zwei Max-Planck-Institute, das DFKI und Schloss Dagstuhl entstanden, das als Treffpunkt für herausragende Informatiker weltweit legendär ist. Erst in den letzten Jahren neu dazugekommen ist das CISPA, dass sich als rasch wachsendes Helmholtz-Zentrum schon jetzt auf einem weltweiten Spitzenplatz im Bereich der Cybersecurity etabliert hat.
Angesichts dieser Ballung von Sachverstand ist eigentlich offensichtlich, dass die Informatik gerade eine der beiden Exzellenz-Cluster-Bewerbungen der UdS vorbereitet. Es wäre ein ganz wichtiges Signal, wenn es unserer Informatik gelänge, den Exzellenzstatus wiederzugewinnen, nachdem er vor ein paar Jahren leider verloren ging.
Und die zweite Cluster-Bewerbung?
Die kommt, last but not least, vom dritten Schwerpunkt der UdS: NanoBioMed. Dieses Kunstwort setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen, Nano, Bio und Med. „Nano“ steht für Kleinststrukturen. Dazu muss man wissen, dass ein Nanometer ein Milliardstel Meter ist, also etwa die Größe eines größeren Moleküls, in dem sich eine Gruppe von Atomen miteinander verbindet. Expertise für die Erschaffung und Nutzung solcher Nanostrukturen haben wir beispielsweise am Institut für neue Materialien (INM), einer Leibniz-Einrichtung. Das „Bio“ steht für den großen Bereich der Lebenswissenschaften an der UdS und das HIPS als Helmholtz-Einrichtung für pharmazeutische Forschung. Und das „Med“ schließlich steht für die Medizin mit dem großen Standort in Homburg, der Medizinischen Fakultät verknüpft mit dem Universitätsklinikum und einigen sehr forschungsstarken Einrichtungen. Zusammen bilden sie einen interdisziplinären Verbund mit enormem Innovationspotenzial. So ist man beispielsweise in dem Bereich oft auf der Suche nach neuen Molekülen für die wirksame Behandlung bestimmter Krankheiten oder für eine Impfung. Unter der Überschrift NanoBioMed finden sich interdisziplinäre Teams zusammen, um mithilfe von Künstlicher Intelligenz an schlaueren Such- und Validierungs- oder Verabreichungsstrategien für solche Moleküle zu arbeiten. Ich bin sehr froh, dass sich der Bereich NanoBioMed ebenfalls um einen Exzellenzcluster bewirbt.
Wie steht es um die Chancen für beide Bewerbungen?
Am Ende werden bundesweit bis zu 70 solcher Cluster vergeben. Allerdings gibt es 57 bestehende Cluster – und man kann davon ausgehen, dass ein Großteil der bestehenden Cluster besonders starke Bewerbungen auf den Weg bringt. Damit die UdS eine echte Chance hat, fördert das Land die Vorarbeiten für die beiden Cluster-Bewerbungen und den Europa-Schwerpunkt mit 7,5 Millionen pro Jahr. Der Wettbewerb ist hart und es steht viel auf dem Spiel. Ein gewonnener Cluster würde mich freuen. Zwei erfolgreiche Clusterbewerbungen wären ein Traum – und die Voraussetzung für eine Bewerbung als Exzellenzuniversität. Das muss das Langfristziel sein.
Wir können seitens des Landes dazu beitragen, dass die Bedingungen für erfolgreiche Bewerbungen gegeben sind. Am Ende ist es aber kein politischer, sondern ein fachlicher Wettbewerb. Letztlich haben es die Bewerbungsteams in der Hand, die individuelle fachliche Stärke in einem gemeinsamen, wissenschaftlich überzeugenden und zukunftsweisenden Antrag zusammenzuführen. Ende Mai dieses Jahres werden die Skizzen eingereicht. Danach läuft das Auswahlverfahren bis 2025. Da fiebere ich mit und drücke beide Daumen!
Noch mal zur Entwicklung Europa-Universität. Der Vorstoß von Emmanuel Macron hat einige Bewegung gebracht. Wie geht man an der UdS damit um?
Mit der Universität der Großregion, die auf europäische Zusammenarbeit innerhalb unserer Grenzregion abzielt, war die UdS Macron in gewisser Hinsicht sogar um 10 Jahre voraus! Mit der Idee der Europauniversität geht man allerdings noch einen Schritt weiter und will europaweit aufgestellte Netzwerke schaffen, in denen es sowohl für Studierende als auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler möglich wird, innerhalb des Verbunds echte europäische Karrieren zu verfolgen. Macrons Ziel war, ein nahtloses europäisches Studium ohne große Hürden sozusagen für alle Studierenden zur Routine werden zu lassen. Das soll mit Transform4Europe an der UdS Lebenswirklichkeit werden.
Sicherlich könnte man ein Spannungsverhältnis konstruieren zwischen der Logik der Nachbarschaft in der Großregion und der Logik des europaweiten Netzwerks. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich den Pragmatismus der UdS loben, beide Wege mit Engagement zu verfolgen, denn beide Ansätze haben ihre Berechtigung.
Das Saarland steht bekanntlich in einem großen Transformationsprozess. Welche Rolle wird dabei die Universität spielen?
Universität und Wissenschaftsministerium befinden sich gerade in einem gemeinsamen Strategieprozess, um die Frage zu beantworten, wo die Uni 2030 stehen soll. Da geht es um den Ausbau von Stärken, also um Exzellenz. Es geht auch darum, vorhandene Schwächen und Herausforderungen kraftvoll und strategisch anzugehen. Es geht um die Frage, wie sich die Aufgaben der UdS als Landesuniversität weiterentwickeln.
Dabei geht es natürlich auch um die Frage, wie das saarländische Wissenschaftssystem mit der UdS, den starken Forschungsinstituten und der HTW als attraktiver Hochschule einen weiter wachsenden Beitrag zur Bewältigung der großen Transformationsprozesse leisten kann, die sich mit den drei Stichworten Dekarbonisierung, Digitalisierung und demographischer Wandel stichworthaft zusammenfassen lassen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir hier gemeinsam überzeugende Antworten finden werden – und die 600 Millionen Euro, die im Transformationsfonds für die Bereiche Innovation, Forschung und Wissenschaft vorgesehen sind, sind Ausdruck dieses Optimismus.
Zuversichtlich stimmt mich auch, dass wir bereits heute zahlreiche Ausgründungen aus der Wissenschaftslandschaft verzeichnen können. In den letzten fünf Jahren waren es rund 220. Das ist nicht schlecht im deutschlandweiten Vergleich. Trotzdem können wir auch hier noch besser werden. Dabei geht es nicht alleine um die Zahl der Ausgründungen, sondern auch um die Frage, wie vielen Start-ups und etablierten saarländischen Mittelständlern es gelingt, eine so große Wachstumsdynamik zu entwickeln, dass aus ihnen kleinere oder große Weltmarktführer werden, mit entsprechenden Wachstums- und Beschäftigungseffekten. Deshalb wird der Transformationsfonds neben der unmittelbaren Stärkung des Wissenschaftsstandorts – idealerweise auch durch Aufwuchs bei den Bundeseinrichtungen – auch Start-ups und Technologietransfer unterstützen.
Spannend ist auch die Entwicklung bei CISPA / Helmholtz. Da gibt es große Erwartungen. Wie weit ist die Entwicklung?
Die Wachstumsdynamik des CISPA ist eindrucksvoll. Weiterer Treiber für das Wachstum auf der Finanzierungsebene ist insbesondere die Fähigkeit des CISPA, den Bund und Drittmittelgeber für sich zu begeistern. Das Land steht hier an der Seite des CISPA und geht das Wachstumstempo im Rahmen des Finanzierungsschlüssels für solche Bundeseinrichtungen konsequent mit. Aber Geld alleine reicht natürlich nicht. Es geht auch darum, junge Talente genauso wie Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher vom Saarland zu überzeugen. Dazu tragen auch weiche Standortfaktoren maßgeblich bei. Zum Beispiel haben wir jetzt eine echte europäische Schule in Saarbrücken, die es international eingeschulten Kindern ermöglicht, im Saarland ihre Schullaufbahn auf Englisch fortzusetzen. Das macht bei internationalen Rekrutierungsbemühungen im Saarland einen Riesenunterschied.
Sie verbreiten sehr viel Optimismus. Die Uni hat harte Zeiten mit Sparkurs und Reformen erlebt. Ist das vorbei?
Erlauben Sie mir eine kurze Reflexion zu Ihrer Frage. Reformen sind doch nichts Schlechtes. Schon Heraklit wusste, dass nichts so beständig wie der Wandel ist. Harte finanzielle Einschnitte sind ja leider oft das Ergebnis, wenn man den Wandel verschläft und Reformen unterlässt. Deshalb bin ich mir sicher, dass die UdS anlässlich ihres 75. Geburtstags den Anspruch haben wird, den künftigen Wandel erfolgreich zu gestalten. Ich bin zuversichtlich, dass dies der UdS gelingen kann und gelingen wird. Die finanziellen Voraussetzungen dafür, einschließlich eines Mittelaufwuchses in der aktuellen Ziel- und Leistungsvereinbarung und Möglichkeiten im Transformationsfonds, sind gegeben. Gleichzeitig werden wir die Attraktivität des Campus der Universität steigern. In zwei Stufen werden wir die Zahl der Wohnheimplätze auf dem Campus von heute etwa 70 auf 500 erhöhen und damit deutlich mehr studentisches Leben auf den Campus zurückbringen.
Wird es zum 75. ein besonderes Geburtstagsgeschenk geben?
Es entspricht nicht meinem Selbstverständnis als Wissenschaftsminister, zu symbolischen Terminen große Geschenke mit Steuerzahlergeld zu verteilen. Aber: Wenn das Land über die kommenden zehn Jahre 600 Millionen Euro aus dem Transformationsfonds zur Stärkung des Innovationssystems im Saarland zur Verfügung stellt, dann ist das auch eine Riesenchance für die UdS. Lassen Sie uns also gemeinsam die UdS zu diesem runden Geburtstag feiern für die Erfolge der Vergangenheit – um dann am nächsten Morgen gleich wieder die Ärmel hochzukrempeln, um die Erfolge der Zukunft gemeinsam zu erringen.