Das neue Quartier im Saarbrücker Osthafen nimmt Gestalt an – wenn auch bisher nur als Modell. Der „Sektor Heimat“ will dort Raum für Kreative schaffen. Planmäßig könnte es 2024 mit dem Umbau losgehen.

Saarbrücken bewegt sich, und das nicht nur im Westteil, wo ein Privatinvestor den Schanzenberg runderneuert. Die neue City Ost in der Landeshauptstadt gilt ebenfalls als einer der spannendsten Orte in Saarbrücken und im Saarland. Das mehrere Hektar große Gelände rund um das Rhenania-Gebäude samt Silo und Osthafen, die Brebacher Landstraße, das ehemalige Becolin-Gelände sowie der Eschberger Weg sollen sich in den kommenden Jahren zu einem attraktiven Ort entwickeln: hip, cool, fortschrittlich und nachhaltig, ein Mekka für die Kreativ- und Kulturwirtschaft, aber auch für Unternehmen, die ganz nah dran sein wollen am Puls der Zeit. Im Fokus: der Silodom. Schon seit geraumer Zeit hat sich dort eine kreative Szene etabliert für Künstler, Musiker, aber auch für junge Leute, die einfach Lust auf Party haben – lange eher geduldet, aber mittlerweile akzeptiert. Nun hat die Stadt Saarbrücken nach positivem Votum des Stadtrats 2022 Nägel mit Köpfen gemacht und die Gebäude an die Projektgemeinschaft um Andreas Hoffmann von der Greencells Group und des Vereins „Sektor Heimat“ verkauft. Weniger das Geld als das Entwicklungspotenzial war für den Zuschlag entscheidend. „Seitdem herrscht Planungssicherheit für potenzielle Investoren“, freut sich Projektentwicklerin Kathy Zorn von Kulturgut Ost. „Läuft alles planmäßig in puncto Baugenehmigungen und Förderungen, könnte 2024 der Spatenstich für den Umbau des Rhenania-Hauses erfolgen“, hofft Janis Mudrich, Geschäftsführer von Kulturgut Ost. Im zweiten Halbjahr 2026 soll der Hochbau fertiggestellt sein, auch wenn die Gestaltung des Außenumfelds dann noch lange nicht abgeschlossen sein dürfte.
Cool und nachhaltig
Das neunstöckige Gebäude beherbergt dann alles, was man sich unter einer kreativen Szene gemeinhin so vorstellt: Mit Proberäumen für Musik im Untergeschoss und Seminarräumen, Café und Kantine als kulinarische Begegnungsstätte im Erdgeschoss, darüber Ateliers zum Ausleben der künstlerischen Freiheit, einer im Fachjargon sogenannten „Mixed Use“-Kreativzone, einem Sport- und Gesundheitstrakt, einer Etage, die dem neuen Arbeiten in Co-Working-Spaces und und Ideenwerkstätten Rechnung trägt, und natürlich Platz für Innovationsprojekte und Büroräume für Start-ups und regionale Unternehmen. Quasi als Krönung gibt es in der achten Etage gehobene Gastronomie, Eventräume sowie eine begehbare Dachterrasse mit Aussichtsplattform über die neue City Ost. Nach Aussagen der Macher sollen die geplanten Räumlichkeiten Stand heute alle schon so gut wie vergeben sein. Ein „place to be“, der anscheinend auf großes Interesse bei potenziellen Investoren trifft.
Das ist auch ganz nach dem Geschmack der Stadt Saarbrücken, die das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) für das Umfeld Osthafen seit 2018 massiv vorantreibt. Gelebte Urbanität mit viel Grün drumherum und zahlreichen Pluspunkten nennt das Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt, der das Konzept gemeinsam mit den Kulturschaffenden Mitte April auf Einladung des Wirtschaftsnetzwerks „win.saarland“ im Silo vorstellte. Die gute Erreichbarkeit der neuen City Ost mit Bus und Bahn, die schnelle Anbindung an die Innenstadt, das Freizeitangebot rund um das Thema Wasser, das nahe gelegene Naturschutzgebiet und das Entwicklungspotenzial der Kreativ- und Kulturwirtschaft seien ideale Voraussetzungen, um dem Stadtteil neues Leben einzuhauchen.
Die Planungen für das Gesamtareal seien bereits weit fortgeschritten, bis 2032, und an tollen Ideen mangele es nicht, betont der Leiter des Stadtplanungsamts, Christian Schreiner. Es sei schon viel Neues in den letzten Jahren im Osten Saarbrückens entstanden, etwa das Möbelhaus Martin, das Gebäude von Juris, das Gasmotorenkraftwerk oder das Start-up-Zentrum Fase 15 im Eschberger Weg. Auch für das ehemalige Möbel-Martin-Gelände gebe es Interessenten.
Als nächstes werde ein fester Ansprechpartner installiert, eine Art Kümmerer, der zwischen Stadtverwaltung und Interessenten geschaltet sei, so Schreiner. Wichtig sei den Verantwortlichen, dass die neue City Ost keine Konkurrenzveranstaltung zur Innenstadt werde, erklärt Oberbürgermeister Conradt. Kultur und Freizeit sowie Büros und Gewerbeflächen stehen klar im Vordergrund, sodass eine Wohnbebauung wohl eher nicht infrage kommt, obwohl mehr bezahlbarer Wohnraum in der Stadt natürlich wünschenswert wäre. „Aufgrund der gesetzlichen Auflagen und Vorschriften würden Freizeitaktivitäten mit Wohnraum in unmittelbarer Nähe konkurrieren, was in diesem Falle wohl zu Lasten der Kultur ginge“, so Conradt auf die mögliche Lärmbelastung angesprochen. Im erweiterten Bereich der neuen City Ost wäre die Schaffung von Wohnraum trotzdem denkbar, ebenso eine Kindertagesstätte. Schließlich biete der Bereich Brebacher Landstraße noch einige Facetten, was die künftige Bebauung angehe.
Moderne Entréepunkte

Der geplante Umbau des Rhenania-Hauses spiegele auch die Historie des Osthafens wider, hieß es. Das futuristisch anmutende neu konzipierte Gebäude, das vom Architekturbüro Hauser/Luft entworfen wurde, zeigt die jahrelange Verbundenheit zum Wasser mit Etagen in Schiffscontainerform, einem Dach in Wellenform sowie bunten und lebendigen Außenfassaden. Nachhaltigkeit mit dem Einsatz von Photovoltaikanlagen werde groß geschrieben, wen wundert es beim Engagement der Greencells Group, die weltweit Solarkraftwerke baut. Der Wassertourismus beispielsweise mit einem Restaurantschiff im Hafen könnte einen neuen Schub bekommen – und auch gut vertragen, denn bisher dümpeln die Freizeitangebote rund ums Wasser an der Saar eher dahin.
Den zahlreichen Ideen zur Neugestaltung eines ganzen Stadtviertels scheinen vorerst keine Grenzen gesetzt zu sein. Der Umsetzung schon eher, denn private Investoren sind Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung des gesamten Areals. Die Planungen laufen jedenfalls auf Hochtouren und die Städtebauförderung ist angeschoben. Bei ISEK-Projekten würden die Förderungen zu je einem Drittel von Bund, Land und Kommune übernommen, hieß es. Und im Endeffekt würden auch viele neue Arbeitsplätze in der neuen City Ost entstehen, deren Zahl zugegebenermaßen nur schwer zu beziffern sei, aber eine vierstellige Zahl könnte es durchaus werden, so die Hoffnung.
Der Anfang ist also gemacht. Mit den beiden Großbaustellen sowohl im Westen als auch bald im Osten verleiht sich die Landeshauptstadt einen neuen, einen modernen Anstrich in beiden Entréepunkten zur Stadt. Keine schlechten Aussichten, wenn dabei auch noch Arbeitsplätze herausspringen.