Am 1. Oktober 2023 wird im berühmten Pariser Hippodrome de Longchamp der Sieger der 102. Auflage des Prix de l’Arc de Triomphe ermittelt, der als WM des Galopprennsports angesehen wird und mit einem Preisgeld von fünf Millionen Euro üppig dotiert ist. Favorit: Ace Impact aus Frankreich.
Nach Ende der langen französischen Schulferienmonate ist das jährlich am ersten Sonntag im Oktober im Hippodrome de Longchamp stattfindende Event so etwas wie der Fixpunkt im gesellschaftlichen Kalender der sogenannten Rentrée. Beim Prix de l’Arc de Triomphe, der offiziell seit 2008 wegen des potenten Sponsors aus dem Nahen Osten als Qatar Prix de l’Arc de Triomphe bezeichnet wird, trifft sich im Bois de Boulogne im 16. Arrondissement Tout-Paris, sprich alles, was rund um den Eiffelturm und weit darüber hinaus Rang und Namen hat. Stets sind die Tribünen mit rund 35.000 Zuschauern bis auf den letzten Platz besetzt. Angesichts des opulenten Rahmenprogramms, zu dem dieses Jahr ein Food Garden samt zahlreicher Foodtrucks ebenso selbstverständlich dazugehört wie eine gigantische, 30 Meter lange Pop-up-Bar oder diverse DJ-Sets, könnte man fast vergessen, dass eigentlich der Sport mit rund 20 größtenteils hochkarätig besetzten Galopprennen an den beiden Wettbewerbstagen – Samstag, 30. September, mit Öffnung der Rennbahntore um exakt 12 Uhr mittags, und Sonntag, 1. Oktober – im Mittelpunkt stehen sollte.
Erstmals 1927 ausgetragen
Doch spätestens, wenn am Sonntagnachmittag das um 16.05 Uhr beginnende Hauptrennen um den begehrten Prix de l’Arc de Triomphe ansteht, gehört die Aufmerksamkeit aller Besucher allein dem sportlichen Geschehen auf der mit einer zehn Zentimeter hohen Rasenauflage bedeckten Rennbahn, auf der Pferde und Jockeys bis zum Zieleinlauf die klassische Distanz von eineinhalb Meilen oder 2.400 Metern zurücklegen müssen. Der Lärm auf den Tribünen schwillt dermaßen orkanartig an, dass selbst das laute Stampfen der Pferdehufe nicht mehr zu hören sein wird. Doch nicht nur das Live-Publikum wird wieder schier aus dem Häuschen geraten, sondern dank der TV-Übertragungen in mehr als 60 Ländern auch eine Millionenschar von Pferdesport-Begeisterten in aller Welt. „Bei dem Rennen handelt es sich um eine Weltmeisterschaft, in allem, außer dem Namen, an der herausragende Vollblüter und die besten Jockeys der Welt teilnehmen“, so die Webseite www.francegalop-live.com/en/home/.
Auch für viele andere Experten ist der Pariser Wettbewerb, der erstmals 1927 ausgetragen wurde und seitdem nur in den Jahren 1939 und 1940 ausgefallen ist, das bedeutendste Pferderennen der Welt und wird daher inoffiziell als die Weltmeisterschaft im Galopprennsport apostrophiert. Denn der Prix de l’Arc de Triomphe ist in der Regel, was das Rating der teilnehmenden Pferde betrifft, mit Abstand am stärksten besetzt. Er zählt daher logischerweise zu den sogenannten Gruppenrennen, der höchsten Kategorie im Galopprennsport. Und innerhalb der Gruppenrennen auch noch zur absoluten Top-Liga, nämlich den Gruppe-I-Rennen (daneben gibt es Gruppe-II- und Gruppe-III-Rennen), so etwas die Champions League des Galopprennsports. Die Dotierung des Pariser Rennens mit einem Rekord-Preisgeld von fünf Millionen Euro ist entsprechend hoch und damit in Europa absolute Spitze. Teilnahmeberechtigt sind beim Prix de l’Arc de Triomphe dreijährige oder auch ältere Hengste und Stuten (allerdings keine Wallache).
Eine für viele Laien sicherlich verblüffende Besonderheit des internationalen Pferderennsports besteht darin, dass die Zurechnung eines Pferdes zu einem Land nicht von der Nationalität seines Besitzers oder dem jeweiligen Geburtsort des Tieres abhängt, sondern von dem Staat, in dem das Pferd trainiert wird. Die Zahl der Interessenten, die ihr Pferd für das Top-Event anmelden möchten, übertrifft regelmäßig bei Weitem die Zahl der möglichen Startplätze, obwohl letztere für die Austragung in diesem Jahr von 20 auf 24 erhöht wurde. Im Frühjahr waren bei der mit Kosten von 8.300 Euro pro Tier verbundenen Voranmeldung 74 Pferde registriert worden, womit erstmals seit dem Jahr 2002 lediglich ein Wert unter 80 bei diesen sogenannten Engagements erreicht werden konnte. Die letztlich verbindlichen Startplätze werden dann nach den Saisonleistungen vergeben. Wobei es auch da bis knapp vor Torschluss noch Korrekturen im Teilnehmerfeld geben kann. Schließlich besteht die Möglichkeit zu einer ganz kurzfristigen und mit einer Gebühr von 120.000 Euro verbundenen Nachmeldung von Pferden, die die nötigen sportlichen Qualifikationskriterien erfüllen müssen, jedoch von ihren Besitzern ursprünglich aus diversen Gründen nicht für einen Start vorgesehen waren.
Erster deutscher Sieg 1975
Dass ein solches kostspieliges Pokern der Besitzer durchaus Sinn machen kann, bewies 2011 das Beispiel der deutschen Wunderstute Danedream. Die sollte nicht nur die bis heute mit 2:24,49 Minuten schnellste jemals gelaufene Zeit mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 60 km/h auf der Strecke hinzaubern, sondern fuhr als krasser 200:10-Außenseiter für Deutschland den zweiten Sieg in der langen Geschichte des Wettbewerbs ein. Nachdem dieser Coup für die deutschen Farben erstmals dem Hengst Star Appeal im Jahr 1975 gelang, der krasseste und mit einer sagenhaften Wetter-Siegquote von 119,7:1 belohnte Außenseitererfolg in der Arc-Historie überhaupt. Dabei wurden die Siegchancen des mit reichlich Vorschusslorbeeren angereisten „Star Appeal“ am Turf seinerzeit nur deshalb so niedrig eingestuft, weil sich einfach niemand vorstellen konnte, dass ein in Deutschland trainiertes Pferd tatsächlich in Longchamp triumphieren könnte.
Auch der dritte deutsche Sieg durch den Hengst Torquator Tasso im Jahr 2021 wurde wieder als absolute Sensation eingestuft. Wer auf den deutschen Außenseiter gesetzt hatte, erhielt für einen Euro Einsatz 72,5 Euro ausgezahlt (Siegquote: 72,5:1). Im Vergleich zu Frankreich mit 68 oder England mit 16 Siegen nehmen sich die drei deutschen Triumphe natürlich noch arg bescheiden aus. Allerdings gäbe es in diesem Jahr durchaus realistische Chancen auf einen vierten deutschen Sieg. Nur müsste dafür der dreijährige Hengst Fantastic Moon, der Anfang des Jahres das Deutsche Derby und jüngst auch den stark besetzten Prix Niel auf der Nobelbahn in Longchamp gewann, erst einmal von der Besitzergemeinschaft Liberty Racing für 120.000 Euro nachgemeldet werden. Bislang wollte man Fantastic Moon, der ein hartes Geläuf liebt, nicht beim Arc de Triomphe teilnehmen lassen, weil man für Anfang Oktober mit einer durchgeweichten Strecke gerechnet hatte. Schon beim Großen Preis von Baden in Iffezheim hatte man Anfang September nach Wässerung der Strecke durch den Veranstalter ganz konsequent als hoher Favorit auf einen Start verzichtet. Aber falls das Spätsommerwetter anhalten sollte, wird Fantastic Moon mit Jockey Rene Piechulek womöglich doch noch die Reise nach Paris antreten.
Spannende Auslosung
Bei den Buchmachern ist der dreijährige französische Hengst Ace Impact einsamer Favorit. Bei all seinen fünf bisherigen Starts, darunter der Prix du Jockey Club in Chantilly oder der Prix Guillaume d’Ornano in Deauville, flog er als Erster über die Ziellinie, allerdings bleibt abzuwarten, ob er sich auch gegen ältere Gegner durchsetzen kann. Beispielsweise gegen den sechsjährigen britischen Hengst Hukum, der fünf seiner sechs zurückliegenden Rennen gewinnen konnte. Auch der vierjährige britische Hengst Westover wird hoch gehandelt. Gleiches gilt für den dreijährigen britischen Hengst Feed The Flame und für den dreijährigen Hengst Paddington, der seine vergangenen sechs Rennen allesamt gewann, von dem aber nicht sicher ist, ob er trotz Voranmeldung beim Arc starten wird, weil er bislang nur kürzere Distanzen gewohnt war. Außenseiterchancen haben Blue Rose Cen, Auguste Rodin, Savethelastdance, Emily Upjohn oder Luxembourg.
Nicht ganz unwichtig dürfte die auf den 28. September terminierte Startstand-Auslosung werden. Warum? Weil die begehrtesten Plätze die niedrigen Zahlen neben der Reling sind und am häufigsten das Pferd mit der Nummer zwei, dicht gefolgt von Nummer sechs gewonnen hat. Der deutsche Sieger Torquator Tasso hatte diese Regel allerdings komplett auf den Kopf gestellt, als er von der schlechten Startposition zwölf aus triumphieren konnte.
Nur acht Pferden gelang es bislang in der Geschichte des Pariser Klassikers, zweimal zu siegen: Ksar (1921, 1922), Motrico (1930, 1932; bis heute mit sieben Jahren das älteste Sieger-Pferd), Corrida (1936, 1937), Tantieme (1950, 1951), Ribot (1955, 1956), Alleged (1977, 1978), Trêve (2013, 2014) und Enable (2017, 2018). Meist waren Hengste die Arc-Gewinner, aber die Stuten konnten immerhin auch 25 Rennen für sich entscheiden. Erfolgreichster Jockey mit sechs Erfolgen ist der Italiener Lanfranco „Frankie“ Dettori (zwischen 1995 und 2018). Unter den Trainern steht der Franzose André Fabre mit sieben Erfolgen einsam an der Spitze. Die Liste der Pferdebesitzer führt der französische Textilindustrielle und Pferdezüchter Marcel Boussac (1889 – 1980) mit sechs Triumphen an.