Die Wasservorräte auf der Erde scheinen schier unerschöpflich. Tatsächlich sind aber nur 2,5 Prozent der gesamten Menge für den Menschen genießbar – doch auch das nur theoretisch. Meerwasserentsalzung könnte eine Lösung sein, bringt aber gleich mehrere Probleme mit sich.
Wer auf Fuerteventura, einer der kanarischen Inseln im Atlantik, etwa 100 Kilometer vor der Nordküste Afrikas gelegen, mit Bus oder Auto unterwegs ist, fühlt sich unweigerlich an Bilder von Mond- oder Marslandschaft erinnert. Karge Felslandschaften, so weit das Auge reicht, mal eher grau, mal rötlich, aber weitgehend frei von jeglicher Vegetation. Obwohl komplett von Wasser umschlossen, findet sich auf der Insel selbst keinerlei Oberflächenwasser. Kein See, kein Fluss, nicht einmal ein kleiner Bachlauf. Ausgetrocknete Flussbetten lassen erahnen, dass es hier einmal Wasser gegeben haben muss. Durchschnittlich regnet es hier an acht Tagen – im gesamten Jahr. Nirgendwo in ganz Spanien fällt weniger Regen als hier.
Das wenige aus dem Niederschlag gewonnene Wasser wird hauptsächlich für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Ohne Meerwasserentsalzungsanlagen gäbe es hier überhaupt keine Vegetation und keinen Tourismus, könnte die Insel nicht überleben. Entsprechend gibt es über die Insel verteilt mehrere öffentliche und private Entsalzungsanlagen, die aktuell etwa 100.000 Kubikmeter Salzwasser in Trinkwasser umwandeln – täglich. Dieses Wasser wird allerdings wegen des recht maroden Leitungssystems der Insel mit Chemikalien aufbereitet, etwa stark gechlort. Es ist daher nicht wirklich zum Trinken geeignet, sondern nur zum Duschen oder Zähneputzen und zur Bewässerung der Pflanzen. Echtes Trinkwasser im wörtlichen Sinne gibt es fast nur über große Kanister in den örtlichen Supermärkten.
Fuerteventura ist sicher ein Extrembeispiel und doch exemplarisch für die zu erwartenden Probleme weltweit in den kommenden Jahrzehnten. Auf der Erde gibt es einerseits gigantische Wassermengen, etwa 70 Prozent der Oberfläche unseres Planeten sind mit Wasser bedeckt. Die gesamte Menge an Wasser wird auf etwa 1,4 Milliarden Kubikkilometer geschätzt – und doch herrscht andererseits in vielen Ländern Wasserknappheit. Das liegt daran, dass 97,5 Prozent dieser Wasservorräte aus Salzwasser bestehen und nur etwa 2,5 Prozent aus Süßwasser. Von den 1,4 Milliarden Kubikkilometern sind nur 35 Millionen als Trinkwasser geeignet.
Wasserknappheit nimmt stark zu
Zumindest theoretisch, denn von diesem geringen Anteil an Süßwasser gelten wiederum 70 Prozent als unzugänglich – etwa weil das Süßwasser im Polareis oder Gletschern eingeschlossen ist oder in großer Tiefe liegt. Nur ein minimaler Anteil von etwa einem halben Prozent der gesamten Süßwasserressourcen ist als Oberflächenwasser in Seen und Flüssen vorhanden. Das aus dem Süßwasser gewonnene Trinkwasser sollte aus Gesundheitsgründen höchstens einen Salzgehalt von 0,01 Prozent haben, bei bis zu 0,05 Prozent spricht man noch von Süßwasser.
Der seit 1980 stark steigende Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkwasser um etwa ein Prozent jährlich – vor allem in den Industrieländern – und die zunehmenden Folgen des Klimawandels verschärfen das Problem der Wasserknappheit immer mehr. So sehr, dass es sogar schon in Deutschland Regionen gibt, die mit sinkendem Grundwasserspiegel und temporär künstlicher Verknappung des kostbaren Guts zu kämpfen haben.
Generell ist Wasser ein Teil eines Kreislaufs und kann somit eigentlich nicht wie etwa fossile Rohstoffe wie Kohle, Gas oder Erdöl komplett aufgebraucht werden. Durch Verdunstung und anschließende Kondensierung fällt das Wasser immer wieder als Niederschläge auf die Erde zurück. Doch die Menge des nutzbaren Wassers nimmt weltweit seit Jahren stetig ab. Das liegt daran, dass in vielen Regionen der Erde die bestehenden Wasservorräte stärker genutzt werden, als diese sich regenerieren können. Nach Angaben des Wasserberichts der Vereinten Nationen leben bereits drei Milliarden Menschen in Ländern mit Wasserknappheit – Tendenz weiter steigend.
Wenn es also Salzwasser im Überfluss gibt, scheint der Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen auf den ersten Blick eine hervorragende Möglichkeit, der Wasserknappheit entgegenzuwirken. Schließlich wird dies ja im Kleinen auch auf Kreuzfahrtschiffen gemacht, damit diese keine Unmengen an Trinkwasser an Bord nehmen müssen.
Im Prinzip gibt es zwei Verfahren, um Meerwasser zu entsalzen. Die gängigste ist die sogenannte Umkehrosmose. Man braucht dafür eine Membran mit winzigen Löchern im Nanometerbereich, die einerseits Wassermoleküle durchlässt, andererseits die Salzbestandteile zurückhält, und jede Menge Druck.
Salzlauge Gefahr für Ökosysteme
Osmose ist ein ganz natürlicher Vorgang, bei dem in der Regel eine Membran zwei Flüssigkeiten mit unterschiedlichen Konzentrationen voneinander trennt, beispielsweise mit unterschiedlichen Salzkonzentrationen. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht. Da die sogenannte semipermeable, also halbdurchlässige Membran große Teilchen, beispielsweise Salze oder Zucker, nicht hindurchlässt, bewegt sich schließlich das Lösemittel – und zwar von der geringeren zur höheren Konzentration. Das passiert ganz automatisch, also passiv. Es wird keinerlei Energie für den Vorgang benötigt. Das Ganze findet so lange statt, bis der sogenannte osmotische Druck und damit auch die Konzentration ausgeglichen sind.
Ein Beispiel für natürliche Osmose, das jeder kennt, ist ein Bad in der heimischen Wanne. Im Badewasser befindet sich in der Regel weniger gelöstes Salz als im Körper. Dadurch strömt Wasser in die Hautzellen und lässt die Haut aufquellen. Deshalb bekommen wir vom längeren Baden eine schrumpelige Haut. Durch etwas Badesalz lässt sich der Vorgang verlangsamen.
Bei der sogenannten Umkehrosmose geschieht dies nicht automatisch, sondern das Wasser wird gegen seine natürliche Richtung mit großem Druck durch die Membran gepresst, sodass man auf der einen Seite salzfreies Wasser hat und auf der anderen Seite die übrig bleibende Salzlake. Das gewonnene Wasser ist nicht nur salzfrei, auch Schadstoffe wie Schwermetalle, Keime, Hormone oder auch Bakterien und Viren werden so ausgefiltert. Allerdings lässt sich das Wasser nicht komplett durchpressen, weil sich sonst die Konzentration in der Salzlake immer weiter erhöhen würde. Irgendwann würden die Poren in der Membran durch Salzkristalle verstopft, der Prozess würde zum Stehen kommen. Die konzentrierte Flüssigkeit muss also regelmäßig abgeführt werden.
Wobei wir bei einem der Nachteile des Verfahrens sind. Zum einen entsteht wie erwähnt eine hochkonzentrierte Salzlauge. Das Fachblatt „Spektrum der Wissenschaft“ spricht beispielsweise von 1,6 Litern Lauge für jeden Liter Trinkwasser. Diese wird in aller Regel anschließend wieder mit Meerwasser verdünnt und einfach ins Meer zurückgeleitet. Das macht zwar einerseits die Entsorgung sehr kostengünstig, hat aber andererseits zur Folge, dass sich nicht nur der Salzgehalt im Meer weiter erhöht. In der Lauge enthalten sind meist auch ausgefilterte Schadstoffe wie Schwermetalle oder giftige Chemikalien, die damit ebenfalls hochkonzentriert ins Meer zurückgeleitet werden und eine Gefahr für maritime Ökosysteme mit sich bringen. Außerdem trägt dies stark zum Sauerstoffschwund in diesen Gewässern bei.
Erneuerbare Energien wichtig
Zudem ist für das Verfahren enorm viel Energie nötig, um das Wasser durch die extrem kleinporige Membran drücken zu können. Aber auch das so gewonnene Wasser lässt sich zunächst nicht sofort nutzen, denn es ist zwar salz- und schadstofffrei, aber auch vollkommen frei von Mineralien. Entsprechend muss das Wasser weiter aufbereitet werden, indem Mineralien zugesetzt werden, ehe es zum Verzehr geeignet ist. Das alles ist mit hohen Kosten verbunden.
Neben dem Verfahren der Umkehrosmose gibt es ein zweites: das Prinzip der Verdampfung. Das Meerwasser wird erhitzt, es verdampft und das Salz bleibt zurück. Anschließend wird der Wasserdampf in Rohren aufgefangen und gekühlt. Es kondensiert wieder und man hat reines Wasser. Wie bei der Umkehrosmose braucht man allerdings auch hier jede Menge Energie, und das so gewonnene Wasser ist ebenfalls frei von Mineralien, muss also auch erst einmal weiter aufbereitet werden.
Immerhin haben Regionen, in denen man Trinkwasser durch Entsalzungsanlagen gewinnen muss, oftmals ein großes Potenzial für erneuerbare Energien. In heißen und trockenen Regionen, die per se wasserarm sind, ließe sich Energie häufig durch entsprechende Solaranlagen gewinnen, in Küstenregionen häufig durch Windkraft, wie etwa in unserem Eingangsbeispiel Fuerteventura. In Anlehnung an die spanischen Wörter „fuerte“ (stark) und „viento“ (Wind) wird Fuerteventura oft auch „Insel des starken Windes“ genannt, und tatsächlich trägt die Insel diesen Namen zumindest entlang der Küsten zu Recht. Hier ist das Potenzial für Energie aus Windkraft riesig.
Damit sich Meerwasserentsalzung wirklich rechnet, müssen auf Dauer die Kosten gesenkt werden. Erneuerbare Energien könnten dabei neben Innovationen bei den Verfahren ein wichtiger Mosaikstein sein. Sonst wird Trinkwasser irgendwann ein unbezahlbares Gut, um das Nationen Kriege führen werden wie einst um wertvolle Rohstoffe.