Stressbewältigung, Entspannung, Historisches und Kulturelles – mit „walking2nature“ machen Béatrice Deimel und Jens Holtzmann in und um Saarbrücken Wanderungen zu einem ganz besonderen Erlebnis. FORUM-Autorin Dorothee Wendel hat es ausprobiert.

Es ist Mittagszeit, ich stehe am Nord-Eingang des Deutsch-Französischen Gartens im Deutschmühlental und schaue mich um. Hier war ich schon lange nicht mehr. Mein Blick fällt sofort auf die Wasserfontäne, die sich in das glitzernde Wasser ergießt. Der Wind spielt mit dem Wasser von Fontäne und Weiher – alleine dieser Anblick wirkt erfrischend. Es sind an diesem Freitagmittag nur wenig Spaziergänger unterwegs; ein paar Kinder kabbeln sich um einen Roller.
Während der erste Termin der Gesundheitswanderung im April buchstäblich ins Wasser fiel, gibt es heute einen wolkenlosen Himmel. Die Temperatur ist ideal für Bewegung an der frischen Luft. Eine Flasche Wasser, wie im Anschreiben zur Wanderung empfohlen, habe ich dabei.
Da kommen zwei Radler zielstrebig auf die Fahrradständer zu und blicken sich ebenfalls erwartungsvoll um. Beide sind in einem blauen Dress gekleidet, kurze Hose, kurzärmliges Shirt, blaue Fahrradhelme, beide sind sportlich drahtig und strahlen beste Laune aus: Béatrice Deimel und Jens Holtzmann, zertifizierte DWV-Wanderführer (Deutscher Wanderverband) und Gesundheitswanderführer. Sie haben sich Saarbrücken schwerpunktmäßig als ihren „Tatort“ auserkoren. Mit ihren gesundheitsfördernden Angeboten liegen sie im Trend und sind die ersten ihrer Art in der Landeshauptstadt des Saarlandes.
Begeisterung für die Natur der Region
Ich erfahre von ihnen, dass die „Gesundheitswanderer“ an diesem Tag die Freiwilligen eines Betriebes sind, der diese Wanderung im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung in seinem Fortbildungskatalog für Mitarbeiter anbietet. Einige davon sind auch schon „Wiederholungstäter“, einige sind neu dabei. Nicht alle kennen sich. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Abteilungen. Sogleich erfolgt eine zarte Annäherung, man beschnuppert sich.
Wir folgen den Wanderführern in den Garten. Jens Holtzmann begrüßt uns und informiert über die Intention und den groben Ablauf der Gesundheitswanderung mit dem Themenschwerpunkt „Stressbewältigung und Entspannung“. Es wird sich für die Dauer der Wanderung auf das „Du“ geeinigt. Das macht die Sache einfacher für die folgenden Instruktionen der Wanderführer.

Béatrice Deimel ist Diplom-Sportlehrerin, Iyengar-Yogalehrerin Intermediate und SKA-Yogalehrerin, Aqua-Fitness- und Aqua-Medical-Trainerin, Rückenkursleiterin der neuen KDDR-Rückenschule, Rehasport-Trainerin, Nordic-Walking-Instruktorin, Liebscher-und-Bracht-Schmerztherapeutin und Reiseleiterin.
Beide sind zertifizierte DWV-Wanderführer, European Walk Leader, zertifizierte DWV-Gesundheitswanderführer und zertifizierte International Tour- und City-Guides (IHK).
Jens Holtzmann kann nicht nur über Land führen, man kann mit dem Tauch-Guide auch ins Wasser. Er hatte als Familienunternehmer 25 Jahre in der Werbeartikelbranche gearbeitet, hat einen Hochschulabschluss in Politik, Publizistik und Wirtschaftswissenschaften.
Beide haben die gemeinsame Leidenschaft für den Gesundheitssport in ihrer Lebenspartnerschaft 2019 auch in eine unternehmerische Partnerschaft eingebracht: die GbR „walking2nature“.
Mit ihrer Leidenschaft für die Natur in der Region und insbesondere in Saarbrücken möchten sie andere anstecken und „die Begeisterung für das, was Bewegung in der Natur für Menschen Positives bedeutet“, wecken. Hierzu wählen sie besondere und schöne Plätze und Pfade aus.
Jens führt uns in das Thema Stress auf humorvolle Art und Weise ein. Dazu erzählt er von Per Mertesacker, dem ehemaligen Fußballspieler, von dessen öffentlich geschilderten, ihm selbst unangenehmen physischen und psychischen Belastungsreaktionen, die sich bei dem Fußballer vor jedem Spieltag einstellten. „Wer von uns fühlt sich nicht von Zeit zu Zeit gestresst, unter Druck, angespannt und reagiert mit körperlichem Einsatz darauf, wie zum Beispiel beschleunigtem Herzschlag und Atmung?“ Die Zustimmung und Einfühlung in diese Situationen ist allen anzusehen. Umso mehr steigt die Spannung auf das, was uns Béatrice und Jens gegen Stress und Anspannung mit auf den Weg geben werden.
Gemeinsam in den Schanzenbergwald

Nachdem wir erfahren haben, dass es während der ungefähr zweistündigen Wanderung von etwa vier Kilometern vier Stopps geben wird – zunächst mit „öffnenden“ Übungen, dann besonderen Atemtechniken, mentalen Übungen und zum Ende hin Faszien- und Dehnübungen –, marschieren wir los. Béatrice und Jens gehen aus dem Garten heraus und lotsen uns über die Straße, über den staubigen Parkplatz zum Eingang des alten Saarbrücker Messegeländes.
Links vom Eingang führt ein Weg direkt in den Schanzenbergwald. In diesem schönen Waldstück sind nur wenige unterwegs und wir finden dort mehr Ruhe und vor allem auch die positive Wirkung des Waldes, erklären Béatrice und Jens den Mitwanderern. „Hier war ich das letzte Mal in meiner Kindheit“, äußert sich eine Frau lachend. Viele, einschließlich mir, kannten den Wald hier nicht. Vielleicht war auch ich einmal mit den Eltern hier spazieren. Neugierig auf die Neu- oder Wiederentdeckung des Saarbrücker Waldgebietes gehen wir direkt hoch auf den Schanzenberg.
Der Anstieg auf dem breiten, asphaltierten Weg fordert uns ein wenig, ist aber auch für sportlich weniger Versierte gut zu schaffen. Die positive Wirkung des Waldes spüre ich sehr schnell, ich atme tief durch und fühle mich direkt aus dem Alltag herausgenommen. Auch die Gruppe ist gut gelaunt und schon bald stehen wir auf einer Waldlichtung und Jens macht mit uns die ersten öffnenden Übungen: Arme nach hinten und dann oben anbeugen. Während er uns instruiert, schaut Béatrice nach der korrekten Ausführung der Übung. Da zeigt sich der große Vorteil, wenn zwei Personen die Gruppe betreuen. Traubenpflücken, Flanken öffnen, mit tiefer Atmung geht es nach ein paar Minuten weiter. Jens führt uns vom Weg ab und wir stehen vor einem Metalltor. Der Zugang ist offen, wir treten aus dem Wald auf einen steppenartig anmutenden freien Platz. Wir befinden uns zwischen zwei Lost Places: Zur Linken liegt im Tal die ehemalige Radrennbahn Schanzenberg, fast komplett von der Natur eingenommen; wir sehen noch ein Stück der Bahn und der Tribüne mit Werbung eines Saarbrücker Unternehmens. Wir bekommen Informatives zur ehemaligen Radrennbahn. Fotos von der früheren Bahn und ein Plakat zu einem Rennen von 1950 haben unsere Wanderführer im Rucksack. Zur Rechten ist die ehemalige Reithalle mit ihrem morbiden Charme zu sehen. Einige neue Graffitis geben dem verfallenen Gebäude frische Farbe. Ich freue mich über diesen überraschenden und interessanten Zusatzpunkt der Wanderung. Einige unserer Gruppe können sich von dem spannenden Ort kaum trennen und tauschen ihre Erinnerungen dazu aus.

Es gehört zur Philosophie von „walking2nature“, mehr als Wandern und Gesundheitsübungen zu bieten. Besondere Plätze und Pfade, Historisches und Kulturelles gehören zum Rahmenprogramm. Hierbei stellen sich die beiden Vielfältigen ganz auf die Gruppe ein, individuell und authentisch. Ob es Firmengruppen sind, einzelne Abteilungen im Rahmen von Betriebsausflügen oder Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements, Teambuilding, aber auch private Gruppen für eine alternative Geburtstagsveranstaltung beispielsweise, eine aktive „Kennenlernwanderung“ oder viele weitere Anlässe. Das Angebot richtet sich insbesondere auch an externe Übernachtungsgäste in Saarbrücker Hotels, Kongress- und Workshop-Teilnehmer, als Rahmenprogramm für Meetings, an Gruppen bei Klassentreffen und Gäste von Hotel-Arrangements. „Unser Angebot wird dem Trend zur maximalen Zeiteffizienz und Nachhaltigkeit gerecht. Kein Bus, keine Logistik ist notwendig, stattdessen bringen wir die Besucher innerhalb des Radius vom Hotel oder dem Kongresszentrum direkt in die Natur.“
Wir verlassen den Hauptweg. Auf schmalen, natürlichen Waldpfaden „klettern“ wir nach unten, es folgt ein leichter Anstieg. Ohne Wanderführer wäre die Orientierung hier schwierig. Mitten im Wald stoppen wir erneut. Béatrice zeigt uns ganz anschaulich, wie sich Stress auf die Körperhaltung auswirkt und was wir dagegen tun können. Die Übungen sind nicht nur wirksam, sie machen auch Spaß. Alle machen engagiert mit. „Bewegung sorgt für die natürliche Entsäuerung des Körpers und gleicht dann die eine oder andere Ernährungssünde aus“, motiviert sie uns, als wir weitergehen. Dabei erfahren wir auch von den Ursachen des Waldbadens und den positiven Wirkungen, was in Japan wissenschaftlich nachgewiesen wurde.
Der Wald öffnet sich und gibt uns den Blick auf das Freizeitbad Calypso frei, dazu die Aussicht auf Teile Saarbrückens. Jetzt sehen wir deutlich, dass wir auf einem „Berg“ sind und – auf dem Rückweg. Dieser führt uns durch einen etwas unheimlichen Tunnel zur Straße. Jens und Béatrice halten den Verkehr für die Gruppe an. Wir kichern und kommen uns vor wie Schüler mit ihren Lotsen. Am Südeingang unterhalb des Victor’s Residenz Hotels betreten wir wieder den DFG und gehen nur ein kurzes Stück durch die Anlage am Spielplatz und der Minigolfanlage vorbei. Dann folgen wir unseren Wanderführern zu geheimen Waldpfaden oberhalb der asphaltierten Hauptwege. Wie Zuschauer können wir von hier oben in den Garten sehen. Der Pfad endet an einem abgelegenen, von einer Natursteinmauer umrahmten und von blühendem Rhododendron umgebenen schattigen Platz. Wir sind beim letzten Stopp unserer Wanderung angekommen. Die umlaufende Mauer beweist sich als nützliche Einrichtung und Hilfestellung für die folgenden Dehn- und Faszienübungen aus dem Yoga und die abschließende meditative Entspannung. Stille kehrt ein, nur Vogelgezwitscher und die von sanfter Brise bewegten Blätter sind zu hören.
Übungen auch im Alltag hilfreich
So müsste im Grunde jedes Wochenende beginnen, da sind sich alle einig – es ist Freitag, früher Nachmittag. Eine Teilnehmerin hätte sehr gerne die Übungen noch vertieft. Die gut zweistündige Wanderung fanden alle äußerst kurzweilig. Zum Schluss gibt es noch ein Handout mit auf den Weg. Auch zu Hause und auch im Büro lassen sich die stressbewältigenden und entspannenden Übungen durchführen, die in der Natur besonders effektiv sind. „Anstatt sich einfach in einen Seminarraum zu setzen“, empfindet eine Mitarbeiterin diese Fortbildung als etwas ganz „anderes“ und ist dankbar für das Angebot ihres Betriebes.

„Walking2nature“ ist einerseits ein neues touristisches Angebot, Saarbrücken auf ganz andere Art und Weise zu entdecken, aber durchaus auch ein Angebot für Einheimische. Die Preise für die Gesundheits- oder Erlebniswanderungen sind moderat. „Die Bezahlung ist die Wertschätzung unserer Leistungen, keine Existenzgrundlage“, so die beiden Saarbrücker, die Botschafter für ihre Region sein wollen. „Saarbrücken hat 46 Prozent Waldanteil und wunderbare naturnahe Plätze.“ Ihre Intention ist es, Besuchern der Region etwas Erzählenswertes und Ungewöhnliches und etwas Gutes, Positives mitzugeben, Menschen in und zur Natur zu bewegen, gerne auch mit weiteren Kooperationspartnern und Sponsoren. „Stress ist ganz individuell.“ Die Empfehlungen und Tipps, die Béatrice und Jens auf einer Seite zusammengefasst haben, sind für den Alltag gedacht. Alle Teilnehmer an der Gesundheitswanderung sind motiviert, die Anregungen mitzunehmen und für sich zukünftig noch mehr Entspannung und Gesundheit in der Natur zu gewinnen.
Am Weiher im Deutsch-Französischen Garten trennen sich dann die Wege. Ein Teil der Gruppe geht ganz entspannt und beschwingt mit den beiden Wanderführern zum Ausgang. Irgendwo habe ich noch aufgeschnappt, dass jetzt erst mal ein Eis gegessen wird.