Das Saarland hat sich für die Austragung der Special Olympics 2026 beworben. Sportminister Reinhold Jost und seine Partner wollen die Region dabei nicht nur wegen ihrer breiten Sportlandschaft, sondern auch unter europäischen Aspekten anpreisen. Jost selbst ist hierbei „Überzeugungstäter“, wie er im Interview verrät.
Herr Jost, das Saarland hat sich für die Austragung der Special Olympics 2026 beworben. Warum?
Das ist aus Sicht des Saar-Sports eines der wichtigsten Projekte für die kommenden Jahre. Wenn wir den Zuschlag bekämen, wäre das auch ein – wie ich finde – gar nicht hoch genug einzuschätzender Booster für die Region Saarland und den Sport im Allgemeinen. In unserer Bewerbung haben wir daher auch versucht, die Stärken und Kompetenzen, die für uns hier im Saarland sprechen, herauszukristallisieren.
Was hat das Saarland denn zu bieten?
Wir haben exzellente Sportstätten in unsere Bewerbung aufnehmen können. Nicht nur, aber hauptsächlich hier in Saarbrücken mit Blick auf den Sportcampus Saar des Landessportverbandes (LSVS), den Kieselhumes oder auch die Joachim-Deckarm-Halle. Aber auch außerhalb des Stadtgebiets gibt es sehr viele gute Möglichkeiten, Inklusion und Sport zusammenzubringen. Wir haben Cluster gebildet, zum Beispiel in St. Wendel, wo um den Bostalsee der gesamten Bereich des Freiwasserschwimmens, Segelns, aber auch des Reitens und Golfens angeboten wird. In Dillingen wollen wir Turnen anbieten, in Saarlouis Handball, in Neunkirchen Hockey. Wir haben unsere Stärken hier ausgearbeitet. Wir sind überall gut vertreten und das in einer überschaubaren Entfernung. Es wäre zudem auch das erste Mal, dass ein gesamtes Bundesland die Spiele austrägt. Im gesamten südwestdeutschen Raum haben noch nie die Special Olympics mit den Nationalen Spielen stattgefunden. Wir sind zudem mit einem europäischen Ansatz in die Bewerbung gegangen. Wir haben hier die Chance, mit Luxemburg und Frankreich zu arbeiten.
Gibt es da denn schon konkrete Pläne?
Wir haben zum Beispiel daran gedacht, dass wir das frisch renovierte Schwimmbad in Forbach als Veranstaltungsort nutzen wollen. Dort hat man sich auch sehr darüber gefreut, dass wir sie angefragt haben, und sie wollen sich auch sehr engagiert einbringen. Darüber hinaus gibt es im Rahmen dieser Nationalen Spiele auch immer wieder ein Begleitprogramm, in dem auch Mannschaften aus anderen europäischen Ländern auftauchen. Da haben wir von Luxemburg und Frankreich, aber auch bereits von Polen mit unserer Partnerregion, dem Karpatenvorland, und der ukrainischen Oblast Lwiw, mit der wir gerade eine Partnerschaft eingehen, signalisiert bekommen, dass man das gerne unterstützen will.
Nicht nur außerhalb der Grenze, auch hier in der Region braucht es dafür ja aber verlässliche Partner …
Wir haben mit unseren ausgezeichneten Netzwerken, die im Saarland bereits seit vielen Jahren bestehen, zusammenarbeiten können. Zum Beispiel der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Menschen mit Behinderung und mit den entsprechenden Vertretern der Liga der freien Wohlfahrtspflege, also Arbeiterwohlfahrt, Lebenshilfe und andere, die sich in diesem Segment des Arbeitens und Umgangs mit behinderten Menschen auskennen. Sie alle haben ihre Bereitschaft erklärt, sich einzubringen. Des Weiteren ist es so, dass wir die Städte und Gemeinden mit im Boot haben. Also nicht nur den Städte- und Gemeindetag, sondern auch einzelne Landkreise und Kommunen, die in dieses Thema eingebunden sind. Die Landeshauptstadt, genauso wie der Regionalverband, der Landkreis St. Wendel genauso wie die Stadt. Ohne einen Partner wie den Landessportverband oder Special Olympics Saarland wäre das natürlich nicht machbar. Deswegen möchte ich auch hier einmal ein großes Dankeschön aussprechen, dass man sich von deren Seite so uneingeschränkt zum Projekt bekannt hat. Ich selber bin da Überzeugungstäter. Ich bin seit über 20 Jahren Vorsitzender einer Behindertensportgruppe in meinem Heimatort Siersburg und weiß von daher, wie wichtig es ist, dass man das Thema Inklusion immer und immer wieder nach vorne bringt. Da darf es dann auch nicht am Geld scheitern.
Geld ist ein gutes Stichwort. Wie sieht es denn mit der Finanzierung aus?
Wir haben dafür Sorge getragen, dass sich die Landesregierung durch einen Ministerratsbeschluss dazu bekennt, die finanziellen Rahmenbedingungen, die von Special Olympics Deutschland erwartet wurden, also zwei Millionen Euro zur Absicherung aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt werden. Das ist nicht so daher gesagt, das ist ein Ministerratsbeschluss. Wir sind aktuell im Haushaltsaufstellungsverfahren und ich bin mir relativ sicher, dass sich die ersten Beträge bereits jetzt im Haushalt widerspiegeln werden. Es ist auch mittlerweile nicht nur innerhalb der Sportfamilie des Saarlandes so, sondern es wird von allen als große Chance gesehen. Unabhängig davon, ob wir den Zuschlag am Ende bekommen oder nicht, ist es eine Gelegenheit, das Thema Inklusion nach vorne zu tragen. Umso schöner wäre es natürlich, wenn wir den Zuschlag bekämen.
Wann wird es denn da eine Entscheidung geben?
Jetzt im Dezember soll eine Entscheidung in Berlin gefällt werden und wir werden dann relativ schnell Rückmeldung bekommen. Es ist jetzt auch das erste Mal, dass es zwei Bewerber für die Special Olympics gibt. Nürnberg hat sich ebenfalls für die Spiele 2026 beworben. Spätestens im Februar nächsten Jahres wird es eine Fahnenübergabe im Rahmen der Nationalen Winterspiele in Oberhof geben. Wie sich das eben für eine „Olympiade“ gehört.
Nun hätte eine Zusage aber nicht nur Auswirkungen auf die Zeit während, sondern auch die Zeit nach den Spielen. Welche Chancen sehen Sie da für das Saarland als Region?
Im Saarland ist in den letzten Jahren schon vieles im Bereich der Inklusion auf den Weg gebracht worden. Ich denke, so eine Veranstaltung kann nicht nur die Leute, die schon auf diesem Weg sind, darin bestärken, ihn weiter zu gehen, sondern auch andere dazu ermutigen, es ihnen gleich zu tun. Das kann die Angebote im Sport hier im Saarland noch mal verbreitern. Wir können zeigen, was man über Sport alles erreichen kann: Selbstbewusstsein, Stolz, Freude. Für die Athletinnen und Athleten, aber auch für das gesamte Umfeld.
Sie sprachen bereits davon: Im Saarland hat sich viel getan. Welche Projekte gibt es denn im Bereich des inklusiven Sports?
Eine ganz große Bandbreite. Es gibt Schwimmvereine, die machen nicht nur Aktionstage zum Thema Inklusion, sondern die leben das jeden und jeden Tag. Für die ist Inklusion nichts Besonderes mehr, sondern selbstverständlich. Wir haben einen Tennisverein in Sulzbach, der jedes Jahr ein Inklusionstennisturnier gemeinsam mit Special Olympics Saarland durchführt. Wir haben Handballvereine, wie zum Beispiel in Saarlouis, die in diesem Jahr und im kommenden Jahr die Inklusionsolympiade mit behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen durchführt, um die Vielfältigkeit, nicht nur des Handballs, sondern auch anderer Sportarten zu verdeutlichen und zu einem Erfolgserlebnis für alle Beteiligten zu machen. Wir haben auch Sportarten, die das Thema Inklusion jetzt für sich begriffen haben, zum Beispiel Darts. Es gibt Inklusions-Darts-Turniere. Es gibt beim Saarländischen Dartsverband sogar eine Inklusionsbeauftragte. Wir haben im Bereich Turnen ganz tolle Projekte, die wir jetzt auch Gott sei Dank finanziell vernünftig weiterführen können, um da in die nächste Stufe zu gehen. Es ist eine ganz große Bandbreite und es kommt täglich etwas Neues hinzu. Wir haben beim LSVS eine Koordinierungsstelle Inklusion finanziell über mein Haus absichern können. Die entsprechende Koordinatorin berät Vereine, worauf man achten muss und was alles schon an „Best Practice“ vorhanden ist, mit wem man sich da austauschen kann. Das Thema geht so weit, dass letztes Jahr bei der „Sterne des Sports“-Preisverleihung – also die größte Auszeichnung, die wir für Vereine und Initiativen im Saarland haben – Karate ohne Grenzen gewonnen hat. Ein wunderbarer, sehr sympathischer Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Training und Wettkämpfe mit körperlich und geistig behinderten Menschen durchzuführen. Die fahren mittlerweile auf Europa- und Weltmeisterschaften. Es geht jetzt aber auch darum, dass mein Haus gemeinsam mit dem LSVS die Trainerausbildung nachsteuert. Mit geistig behinderten Menschen muss man andere Trainingselemente im Blick behalten, als das mit Nichtbehinderten der Fall ist.
Großes Thema ist da aber auch die Barrierefreiheit der Sportstätten …
Wir haben in den zurückliegenden Jahren auch dank des engagierten Einsatzes von Behindertenbeauftragten und -verbänden eine ganze Reihe von Baustellen abarbeiten können. In meiner Gemeinde zum Beispiel sind die entsprechenden Hallen für Kultur und Sport im Grunde barrierefrei. Da geht es aber nicht nur um den Zugang, sondern auch solche Dinge wie Behindertentoiletten. Es gibt noch Nachsteuerungsbedarf, aber auch da sind wir nicht untätig geblieben. Für die Bewerbung für die Special Olympics ist beispielsweise auch eines der Kriterien, die man erfüllen muss, eine durchgängige Barrierefreiheit der angebotenen Sportstätten. Da gibt es die klare Zusage meinerseits gegenüber den Städten und Gemeinden, die ja in der Regel die Eigentümer dieser Sportstätten sind, dass wir sie finanziell dabei unterstützten, um entsprechende Barrierefreiheit herzustellen. Das ist also auch eine große Chance für alle Beteiligten, sich infrastrukturell fit zu machen. Dabei lassen wir sie auch nicht allein.
Also quasi Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Diese war Ihnen, wenn man sich die Bewerbungsmappe durchliest, auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Special Olympics Deutschland sehr wichtig. Was genau meinen Sie damit?
Das ist vor allen Dingen darin zu sehen, dass wir sowohl im Saarland als auch auf Bundesebene ein großes Interesse daran haben, von allem gleichsam gut zu profitieren. Das ist in erster Linie hinsichtlich der Fragestellung, wie wir die Organisation so hinbekommen, dass sich keiner alleingelassen fühlt oder überfordert wird. Wir haben uns in diesem Zusammenhang in den zurückliegenden Wochen und Monaten auch noch mal rückversichert, dass es dabei keine Ausschlusskriterien – weder von unserer, noch von deren Seite – gibt. Wir müssen natürlich bestimmte Dinge anerkennen. Wenn Special Olympics Deutschland beispielsweise gewisse Exklusivverträge mit Hauptsponsoren hat, dann haben wir die natürlich genauso zu akzeptieren, wie Special Olympics Deutschland unsere Erwartungshaltung, dass alles, was man im Saarland an Sponsorengeldern generieren kann, am Ende auch der gemeinsamen Sache zugutekommt. All das sind Punkte, die partnerschaftlich Berücksichtigung finden müssen. Im Vorfeld, und später, wenn es dann wirklich um die Durchführung geht. Wir sehen uns hierbei als verlässlichen Partner. Das wollen wir auch gegenüber Special Olympics Deutschland zeigen.
Ebenfalls ist in den Unterlagen die Rede von einem zusätzlichen, wettbewerbsfreien Angebot für Kinder und Jugendliche …
Das sind Angebote, die darauf ausgelegt sind, mitzumachen ohne dabei Wettkampfcharakter mit Medaillen oder Urkunde anstreben zu wollen. Es richtet sich an Kinder und Jugendliche und Vereine und Verbände. Es sollen auch Sportarten vorgestellt werden, die nicht im Wettbewerb vertreten sind. Sie geben die Möglichkeit auszuprobieren, mitzumachen und Spaß zu haben. Die Special Olympics haben natürlich den Wettbewerb im Vordergrund. Wobei es auch hier bei den Athletinnen und Athleten nicht ausschließlich darum geht, Medaillen mit nach Hause zu nehmen. Natürlich geht es auch darum, aber die Tatsache, dabei sein zu können, ist für sie ein grandioses Erlebnis voller Stolz und Freude. Das Gefühl wollen wir, in Form dieser wettbewerbsfreien Angebote, auch an andere weitergeben. Die Special Olympics sind neben dem Wettkampf auch eine selbstbewusste Darstellung dessen, was im Bereich des Sports über Inklusion alles möglich ist.
Sie haben jetzt bereits mehrfach von der Freude und dem Stolz der Athletinnen und Athleten gesprochen. Was macht die Special Olympics so Besonders?
Ich möchte es mal so erklären: Ich weiß, dass ich ein privilegiertes Leben führe. Ob meines Amtes, meiner Möglichkeiten oder ob dessen, was ich erleben darf. Aber wie groß mein Privileg ist, habe ich erlebt, als ich bei der Eröffnung der Special Olympics World Games dieses Jahr in Berlin dabei sein durfte.
Zu sehen wie 50.000 Menschen im Olympiastadion gejubelt haben als Athletinnen und Athleten aus aller Herren Länder dort ins Stadion einmarschiert sind. Dieser Stolz, diese Freude. Das zu erleben … Wer da nicht merkt, was das für etwas Besonderes ist, dem ist nicht mehr zu helfen. Wenn man im Nachgang die Sportler noch einmal trifft, zum Beispiel unsere herausragenden saarländischen Vertreter Steven, Anne-Lena und Christoph, sieht man, dass das bis heute für sie ein ganz wunderbares Erlebnis ist. Mit was für einem Stolz sie ihre Autogrammkarten unterschreiben, aber vor allem, mit was für einer Freude und welchem Stolz die, für die diese Karten geschrieben worden sind, diese entgegennehmen – hier sieht man, was für eine Kraft, was für ein Zauber und was für Möglichkeiten in diesen Special Olympics steckt.
Das sind ganz besondere Menschen und die haben ganz besondere Spiele verdient. Und die wollen wir ihnen auch bieten. Hier im Saarland.