Wir haben führende Politiker beim Singen ihrer Lieblingssongs belauscht
Bundeskanzler Olaf Scholz trällerte in Erinnerung an seine Amtseinführung ungewohnt emotional den Hit „Warum hast du nicht nein gesagt?“, den ihm Maite Kelly gewidmet hat. Diese Interpretin scheint sich musikalisch ohnehin gern mit dem Regierungschef zu beschäftigen. Kein Wunder, dass Kellys aktuelle Nummer eins „Das tut sich doch keiner freiwillig an“ zu des Kanzlers Lieblingssongs zählt. Vor allem, seit er wegen der vielen Unstimmigkeiten seiner Koalitionäre sein allzu häufig zugedrücktes Auge hinter einer Augenklappe schonen musste.
Vizekanzler Robert Habeck hat derzeit ständig Liedermacher Knut Kiesewetters Oldie „Keiner hat mich richtig lieb“ auf den Lippen. Oder er versucht einschmeichelnd, mit Gunter Gabriels wärmendem „Komm unter meine Decke“ die Heizungssorgen der Bürger zumindest gesanglich abzufedern.
Annalena Baerbock singt auf internationalen Bühnen gerne Hannes Waders „Heute hier, morgen dort“ oder Karel Gotts „Einmal um die ganze Welt“, womit sie fast so auffällt wie mit ihren adretten Kleidern zwischen meist grau-anzügigen Kollegen. Trotz ihrer sängerischen Vortragskunst kann unsere weibliche AußenministerIn aber nicht bei jedem landen: Was nicht verwundert, da man sie manchmal ja nicht mal richtig starten lässt.
Christian Lindner fragt sich musikalisch als sparsamer Finanzminister frei nach Die Ärzte: „Will denn auf dieser Welt jeder nur Geld, Geld, Geld?“. Bösen Gerüchten zufolge soll der liberale Vorsänger Peter Maffays Klassiker „Einer muss gehen“ immer dann vor sich hinsummen, wenn er seinen, ihm nicht immer grünen Kollegen Habeck sichtet.
Verteidigungsminister Boris Pistorius schmettert mit seinem auf Vordermann gebrachten Bundeswehr-Chor am liebsten Freddy Quinns „Hundert Mann und ein Befehl“, weil sein früherer Favorit „Ja, mir san mit‘m Radl da“ den Ausstattungszustand unserer modernen Armee etwas ungenau beschreibt.
Verkehrsminister Volker Wissing fährt musikalisch ab auf Kraftwerks ökologisch uninspiriertes „Fahr’n fahr’n fahr’n auf der Autobahn“, während Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit seinem gut gemeinten „Heile, heile Gänsje“ nicht mal bei Arbeitsminister Hubertus Heil so richtig Gehör findet.
Die Ampel versucht auch als Chor stimmlich zu überzeugen. Die anfangs geplante Erkennungsmelodie, Heidi Brühls uraltes „Wir wollen niemals auseinandergehn“, wurde wegen eklatanter Textprobleme des Ensembles ebenso aus dem Songbook gestrichen wie Nicoles politisch zu naiver Hit „Ein bisschen Frieden“. Dafür singen die Koalitionäre jetzt Semino Rossis optimistisches „Alles wird gut“ oder „Zusammen sind wir eins“ von Anna-Maria Zimmermann – nicht zu verwechseln mit der öfters etwas schrill intonierenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Ihr wechselhaftes Schicksal vor Augen, bittet die Ampel musikalisch mit Wolfgang Petrys „Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n“ schon jetzt um spätere Gnade.
Bei so viel Regierungs-Gesangspotenzial will auch die Opposition nicht die zweite Stimme singen. Unionschef Friedrich Merz trägt unaufhörlich den Egli/Silbereisen-Song „Das wissen nur wir“ vor, was allerdings von dem inzwischen hervorragend vom (Flug)Blatt singenden Markus Söder immer auf sich und die CSU bezogen wird. Bleibt noch Sahra Wagenknecht, die ihr Lieblingslied „Alles Rot“ von Silly gerade aus dem Repertoire gestrichen hat und nun lieber Lindenbergs „Ich mach mein Ding“ performt. Ob sie mit Alice Weidel das beliebte Volkslied „Rot-Braun ist die Haselnuss“ als Duett einstudieren wird, hängt noch von der Zustimmung Oskar Lafontaines ab, weil der genau weiß, dass sich Sahras hochgesteckte Ziele nicht auf ihre Frisur beschränken.
Wer von so viel deutscher Schlagermusik und unharmonischen Cover-Interpreten genervt ist, sollte sich bei einem AC/DC-Song erholen, der für die aktuelle Politik ohnehin richtungweisender sein dürfte: „Highway to Hell“.