Jahresrückblick Saarland: Das Saarland will bis 2045 CO2-neutral werden. Das entsprechende Klimaschutzgesetz bleibt auch nach der Verabschiedung im Landtag umstritten.
Es war ein langer Anlauf und ein intensiver Prozess, bis es im Juni endlich so weit war: Das Saarland hat nun, wie andere Bundesländer auch, ein eigenes Klimaschutzgesetz. Gut hundert Experten und Verbändevertreter hat der zuständige Ausschuss im Landtag gehört, bevor das Gesetz schließlich den Landtag passierte – mit Stimmen der SPD, bei Enthaltung der CDU und Ablehnung durch die AfD-Fraktion.

Im Kern sieht das Gesetz vor, dass das Land bis 2045 CO2-neutral wird; in einem ersten Zwischenschritt sollen bis 2030 rund 55 Prozent der Treibhausgas-Emissionen (im Vergleich zu 1990) eingespart werden. Die Ziele liegen teilweise unter den Vorgaben, die sich Bund und andere Länder gesetzt haben. Umweltministerin Petra Berg verteidigt das Konzept im FORUM-Interview: „Die Ziele, die wir uns gesetzt haben, sind nicht aus der Luft gegriffen. Wir betrachten das Saarland als Industrieland und Wirtschaftsstandort, als ein Land, in dem man auch in Zukunft gerne leben und arbeiten will. Als Industrieland haben wir derzeit noch hohe CO2-Emissionen, die es zu reduzieren gilt. Die Ziele sind geringer als die im Bundesgesetz, aber um die Bundesziele zu erreichen, kommt es darauf an, in den Ländern realistische Ziele zu setzen. Nicht jedes Land hat die gleichen Voraussetzungen. In der Stahlindustrie arbeiten wir bereits mit Hochdruck daran, die Emissionen zu senken. Es gehört zur Ehrlichkeit dazu, sich realistische Ziele zu stecken. Unsere Ziele sind hochambitioniert und nicht einfach zu erreichen. Sie erfordern ein sehr schnelles, sehr stringentes, und in der Umsetzung kontrollierbares Handeln“.
Die Landesregierung hat für ihre Klimapolitik eine besondere Konzeption gewählt. Das Gesetz selbst beschreibt den allgemeinen Rahmen, ein Klimaschutzkonzept soll die konkreten Maßnahmen und Schritte festlegen, und mit einem „Kommunalen Klima Klub“ sollen Städte und Gemeinden bei der Umsetzung beteiligt werden. Für die Erstellung des Klimaschutzkonzeptes mit detaillierten Zielen für die unterschiedlichsten Sektoren will das Ministerium externen Sachverstand einbinden. Die Erreichung der Ziele wird einem ständigen Monitoring unterzogen. „Das verschafft uns Flexibilität, um immer wieder Maßnahmen anzupassen. Die brauchen wir auch, denn wir erleben tagtäglich, dass es Interessen- und Zielkonflikte gibt, die in Übereinstimmung gebracht werden müssen. Wir haben also auf der einen Seite die abstrakten Grundlagen, das Gesetz, und auf der anderen Seite das konkrete Konzept, das ermöglicht, die CO2-Einsparungen genau zu ermitteln. Wir wissen nicht, wie sich Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren ändern, und werden sicher immer wieder die Maßnahmen anpassen müssen.“
Bei der Opposition stößt das Konzept auf Widerstand. Der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Roland Theis, nennt das Gesetz einen „sehr leeren Rahmen“, die AfD wirft der Landesregierung eine „Ideologie der Klimarettung“ vor. Umweltschützer hatten während der abschließenden Beratungen vor dem Landtag protestiert und im Plenarsaal ein Transparent ausgerollt.
Für die CDU kritisierte Theis zudem, dass die Landesregierung eine externe Agentur mit der Erarbeitung des Klimaschutzkonzeptes beauftragen wollte. Das beweise, dass die Regierung selbst „konzeptlos“ sei, koste zudem Geld.
„Ziele nicht aus der Luft gegriffen“
Die nicht im Landtag vertretenen Grünen nennen das Gesetz „klimapolitisch unverantwortlich“, unter anderem weil die Ziele (bis 2030 CO2-Reduktion um 55 Prozent) um zehn Prozentpunkte hinter denen des Bundes zurückblieben. Klimagerechtigkeitsbewegungen im Land von Fridays for Future, Parents for Future über die Letzte Generation bis zu Greenpeace, hatten zum gemeinsamen Protest aufgerufen gegen das „blutleere Gesetz“.
Unmittelbar nach der Verabschiedung des Gesetzes teilte die Umweltministerin mit, dass der Auftrag zur Erarbeitung des Klimaschutzkonzeptes an das Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme IZES ergangen ist. Das soll bis Anfang 2024 ein konkretes Konzept vorstellen. „Über 100 Maßnahmen müssen skizziert und auf ihre Auswirkungen hinsichtlich der Verminderung des Treibhausgasausstoßes, der erforderlichen Investitionen sowie der benötigten Fördersummen geprüft und bewertet werden. Dazu gehören auch die „Gegenmaßnahmen“ für die Klimafolgenanpassung, die bereits im Gesetz verankert wurden“, erläutert Ministerin Berg.
Im Zusammenhang mit dem Klimaschutzgesetz wird bekannt, dass das Saarland über keine aktuellen Daten zu CO2-Emissionen verfügt. Die letzten Daten stammen noch aus 2016. Zeitweise ließ das damals zuständige CDU-geführte Finanzministerium keine Daten erheben. Das erfolgte erst wieder ab 2020. Später stellte sich dann heraus, dass es bei Berechnungen der Treibhausbilanz zu erheblichen Fehlern gekommen ist und die Werte deutlich geringer sind als in der Statistik zunächst ausgewiesen. Problematisch ist dies, da die Ziele des Klimaschutzgesetzes an entsprechende Basiswerte gekoppelt sind.

Mitte November schließlich beschließt der saarländische Landtag, einen „Bürgerrat“ zum Klimaschutz im Saarland einzuberufen. 51 repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger sollen sich intensiv mit der Thematik auseinandersetzen. Sie haben zwar keine Entscheidungsbefugnis, die liegt weiter bei den gewählten Abgeordneten im Landtag. Die werden aber die Ergebnisse ernst nehmen und in ihren Beratungen berücksichtigen, wird übereinstimmend versichert. Schließlich soll dieser erste Bürgerrat im Saarland auch zu mehr Akzeptanz notwendiger Maßnahmen beitragen.
Als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei einem Überraschungsbesuch kurz vor Weihnachten die Unterstützung der Bundesregierung beim Umbau der Stahlindustrie für künftig grünen Stahl zusichert, spricht Umweltministerin Petra Berg von einem „entscheidenden Meilenstein auf dem Weg zur saarländischen Klimaneutralität bis zum Jahr 2045“