Die Cineasten an der Saar und Gäste von fern freuen sich auf das Filmfestival Max Ophüls Preis vom 22. bis 28. Januar. Ein subjektiv-selektiver Ausblick auf Programm und Wettbewerbsfilme der Sparten Spielfilm und Mittellanger Film.
Das hat uns überrascht“, sagt Theresa Winkler bei der Programmvorstellung, und Svenja Böttger nickt. Das Duo verantwortet das Programm des 45. Filmfestivals Max Ophüls Preis. Eine große Anzahl von Filmen beschäftigt sich mit dem Themenkreis Glaube und Religion. „In Pandemiezeiten besinnen sich viele darauf“, mutmaßt Theresa Winkler über die Häufigkeit von Filmen dieser Thematik. Ein Beispiel: „Zwischen uns Gott“ von Rebecca Hirneise. In Mühlacker geboren, studierte sie Medienkunst an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe sowie Regie und Drehbuch an der Filmakademie Wien. „Zwischen uns Gott“, ihr zweiter Langfilm, erlebt seine Uraufführung in Saarbrücken. Diesem in Österreich produzierten Film, der im Dokumentarfilm-Wettbewerb läuft, kommt zusätzliche Aufmerksamkeit zu, denn: Ein einziger österreichischer Film läuft in der Kategorie Dokumentarfilm, keiner im Wettbewerb Spielfilm. Svenja Böttger kommentiert: „Ein Novum!“ Ich schaue in die Pressemappe. Wie viele Filme kommen aus der Schweiz? Fünf, jeweils einer in den Bewerben Spiel- und Dokumentarfilm, drei beim Kurzfilm. Im Wettbewerb Mittellanger Film? Keiner. Sind Luxemburger Filmemacher vertreten? Totalausfall!
Wo ist das Filmland Luxemburg?
Dass sich der Filmnachwuchs an schwierige Themen traut, beweisen mehrere Filme. Einer befasst sich mit dem Tabu Suizid. Während die Anzahl der Unfalltoten in Deutschland sinkt, bleibt die Anzahl der Suizide unverändert hoch. Unverständlich, dass die Gesellschaft nicht reagiert. Breche ich mir das Bein, kommt die Rettung. Bricht mir das Herz, kommt niemand. In „Geister“ von Hans Henschel erscheint David sein Freund aus Jugendtagen, der sich das Leben genommen hat. Kunst kann Themen setzen. Dieser Film ist eine Chance.
„Good News“ von Hannes Schilling – eine von 11 Uraufführungen im Wettbewerb Spielfilm – scheint vom Fall Relotius beeinflusst. Claas-Hendrik Relotius schrieb als Journalist Reportagen für Magazine, die sich für meinungsprägend halten, und wurde dafür ausgezeichnet. Was zu spät auffiel: Er hatte sich vieles ausgedacht. In „Good News“ verstrickt sich der Journalist Leo in einem Netz aus Lügen. „Good News“ kann zum Diskussionsbeitrag über die Glaubwürdigkeit von Medien werden, die durch KI und ChatGPT zusätzlich an Brisanz gewinnt.
Neugierig macht „Electric Fields“ von Lisa Gertsch, ein Film aus der Schweiz. Eines Morgens erwachen die Menschen und nichts ist, wie es war. Ein Radio erweckt Tote zum Leben. Und an fremden Orten tun sich neue Wege auf. Das Radio, das Tote aufweckt, möchte man hören! Ein „dystopisches Märchen zum Schmunzeln“ verspricht Theresa Winkler beim Kinobesuch von „Electric Fields“.
Das Genre Komödie ist die Königsklasse. Die Komödie ist „sehr, sehr selten“, reflektiert Svenja Böttger. „Landrauschen“, eine intelligente Komödie, für die Lisa Miller den Max Ophüls Preis 2018 für den Besten Spielfilm und darüber hinaus noch zwei weitere Preise in Saarbrücken erhielt, war die absolute Ausnahme, was das Genre Komödie anbelangt. In Sachen Humor dürfen wir in diesem Jahr wenig erwarten. Zwei Tipps: „Söder“ und „The French Flamingo Fucker“, beide im Wettbewerb mittellanger Film. In „Söder“ von Raoul Bruck engagiert eine Frau im Darknet den Auftragskiller Söder, weil sie ihren Mann loswerden will. In der Geschichte „The French Flamingo Fucker“ von Leo Geisler und Louis Gering begegnen uns Flamingos, eine Echse, ein jodelnder Taxifahrer und Bernhard, der mit all dem klarkommen muss. Ich lache schon beim Schreiben dieser Aufzählung.
Lolas Bistro feiert Kunst mit Filmkunst
Bewährt Gutes und Neues: Inklusion ist beim Filmfestival Max Ophüls Preis kein bloßes Schlagwort. Fünf Filme wurden mit Audiodeskription versehen. Das barrierefreie Angebot für blinde und sehbehinderte Menschen wird für diese Festivalausgabe weitergeführt. Wettbewerbsfilme im Saarland dezentral zu zeigen, setzt sich mit „MOP uff de Schnerr“ fort, und zwar im Thalia Lichtspiele Bous, in der Kinowerkstatt St. Ingbert und in der Capitol Movie World Saarlouis. Die Moderne Galerie im Saarlandmuseum wird erstmals zu „Lolas Bistro“ – tagsüber Café und abends Festivalclub. Der Dekorationszauberer Oliver Häfele wird uns mutmaßlich zum Staunen bringen und die Verbindung von Kunst und Filmkunst visuell feiern.
Ein Film, der die Gemüter erregt und den gesellschaftlichen Diskurs forciert, wurde in diesem Jahr von den Programmverantwortlichen nicht benannt. Anders im letzten Jahr: Der Dokumentarfilm „Goldhammer“ von André Krummel und Pablo Ben Yakov über Marcel Goldammer, einen homosexuellen Politiker der AfD mit Vorleben als Sexarbeiter. Die Tatsache, dass dieser Film in den Wettbewerb genommen wurde, überforderte bereits manchen. Von jungen Filmemachern und den Festival-Kuratoren darf man erwarten, ohne Effekthascherei und mit Mut dem Publikum brisante Themen zuzutrauen. Bei insgesamt 58 Wettbewerbsfilmen sind die Chancen, dass jeder seinen persönlichen Favoriten findet, hoch.