Er ist Journalist, „Tagesschau“-Sprecher und Autor. In seinem neuesten Buch befasst sich Constantin Schreiber mit dem Thema Glück. Demnächst ist er zu Gast in der Caesar’s Bar im Victor’s Residenz-Hotel Schloss Berg.
Herr Schreiber, Sie bekennen: „Ich fühle mich glücklich in Zeiten des Unglücks.“ Was war denn der Anlass, dass Sie sich mit dem Thema Glück beschäftigen wollten?
Ich spüre, was viele von uns seit geraumer Zeit spüren. Jedenfalls merke ich, wenn ich mit Menschen spreche, dass, wenn die Nachrichtenlage so düster und pessimistisch ist, wenn man sich damit auseinandergesetzt hat, viele fragen: Wenn es der Welt schlecht geht, muss ich mich dann deswegen auch schlecht fühlen? Ich halte mich für einen einigermaßen optimistischen Menschen in der Blüte seines Lebens. Ich hatte immer den Eindruck, es zieht einen alles runter. Ich muss mich ja nun qua Beruf mit den düsteren Themen auseinandersetzen. Kann ich etwas tun, und ist es auch okay, wenn außenrum alles nicht so gut erscheint, dass ich dafür sorge, dass es mir gut geht und ich mich wohlfühle? Die beklemmende Umgebung war für mich der Ausgangspunkt für diese Fragen.
Glück ist ein großes Wort. Ich strebe nach Zufriedenheit und Balance. Der Glücksmoment ist ein Geschenk. Dauerglück hält der Mensch ja gar nicht aus. Sprechen wir nicht eher von Freude und Verbundenheit?
Das sind viele Begriffe, die sich gegenseitig nicht ausschließen. Sie haben richtigerweise eine wichtige Unterscheidung vorgenommen, die ich erst für die Recherche dieses Buches gelernt habe. Denkt man über Glück nach, dann sprechen Psychologen und Neurowissenschaftler häufig gar nicht von Glück, sondern von Zufriedenheit. Wie blicke ich auf mein Leben? Wie blicke ich auf meine Arbeit, auf meine Freunde? Fällt das einigermaßen positiv aus, dann ist das nicht Glück, sondern Zufriedenheit. Glück im streng neurowissenschaftlichen Sinne ist kein reflektiertes Denken, keine Analyse, sondern ein Gefühl. Beim Sonnenaufgang beispielsweise, oder wenn mir etwas schmeckt oder ich lache – ein Gefühl, das unreflektiert und ungesteuert durch biochemische Substanzen ausgelöst wird.
Sie haben eine Liste mit Glücksorten, Glücksmomenten und Glücksmenschen geschrieben. Haben Sie sich dadurch besser kennengelernt?
Das würde ich ganz konkret jedem empfehlen einmal zu machen. Wer tut das schon? Ich habe das vorher noch nie gemacht. Sich hinsetzen mit einem Blatt Papier, einem Stift und aufschreiben: Was macht mich glücklich? Man sucht automatisch nach Positivem. Das ist mal etwas ganz anderes als die Beschallung mit negativen Nachrichten und Informationen. Man sucht Gutes. Man erinnert sich an Schönes. Das hat für mich Interessantes zu Tage gefördert.
Sie nehmen den Leser mit auf einer persönlichen Glücks-Erkundung. Einmal gehen Sie zum Blutspenden. Was war der Hintergrund?
Es gibt verschiedene Charakterstärken – so nennen es Neurowissenschaftler und Psychologen –, die dazu beitragen, dass wir Glück empfinden, dazu zählen Optimismus, Humor, Ehrfurcht, Freundlichkeit. Freundlichkeit macht uns glücklich. Ein Aspekt, freundlich zu sein ist, wenn wir Menschen helfen. Wissenschaftler haben herausgefunden: Es wirkt umso stärker glücklich machend, je selbstloser eine Tat ist. Eine Tat entfaltet ihre glücklich machende Wirkung, wenn sie nicht aus Eigennutz, sondern aus Selbstlosigkeit geschieht, wie zum Beispiel beim Blutspenden. Man gibt etwas von sich weg – ohne Gegenleistung. Ich habe kein konkretes Gegenüber, ich gebe selbstlos etwas der Allgemeinheit. Ich war auch stolz, weil ich weiß, dass Blutspenden wichtig und richtig ist, und dadurch war ich auch glücklich.
Botenstoffe und Hormone versetzen unseren Organismus in gute Stimmung. Können wir die Erkenntnis nutzen, um das Gefühl von Optimismus zu stärken?
Ja, man kann Glück ein Stück weit trainieren. Jeder Mensch bringt eine andere genetische Voraussetzung dafür mit. Es gibt tatsächlich so etwas wie Glückskinder, nicht alles ist Erziehung, auch Veranlagung spielt eine Rolle. Der einzelne Mensch baut unterschiedlich schnell Glücksbotenstoffe auf und auch ab. Der biochemische Vorgang bestimmt darüber mit, wie leicht oder schwer es uns fällt, optimistisch zu sein oder Glück zu empfinden. Man hat es ein Stück weit in der Hand durch Übung. Lachyoga zum Beispiel, das kennen sie vielleicht, Menschen treffen sich und lachen anlasslos. Es sieht komisch aus, aber es ist wissenschaftlich erwiesen, dass es wirkt. Das Gehirn bekommt durch Atemfolge und Muskulatur Humor signalisiert und schüttet die Glücksbotenstoffe aus. Was bei jedem wirkt: Raus in die Natur! Es muss keine Fernreise sein, der Spaziergang im Park, auch im Winter, reicht. Auch mit Musik lässt sich Optimismus stärken. Wichtig ist, dass die Musik die Stimmung wiedergibt, in der wir uns befinden. Musik, die uns emotional berührt, macht uns glücklich.
Der Neurowissenschaftler Professor Tobias Esch hat Ihnen das sogenannte ABC-Modell, drei Arten von Glück, erläutert. Buddha sagt: „Das Glück liegt in uns, nicht in den Dingen.“ Ist das Typ-C-Glück eine Variante von Buddhas Weg der Glückseligkeit?
Möglicherweise, ein schöner Gedanke. Das ABC-Modell des Glücks, das Tobias Esch mit anderen definiert hat, beschreibt, dass Glück sich in Lebensphasen, beziehungsweise im Lebensalter, typischerweise verändert. Typ-A-Glück ist das Glück der Jugend: Man erlebt euphorisch-starke Glücksmomente, beispielsweise beim ersten Kuss. Typ-B-Glück ist das Glück des mittleren Lebensalters, geprägt durch die Abwesenheit des Unglücks. Menschen empfinden es als Glück, wenn keine externen Störfaktoren ihr Leben erschweren, wenn einfach alles in Ordnung ist. Statistisch gesehen sind Menschen Anfang vierzig die Unglücklichsten. Statistisch gesehen! Das heißt nicht, dass alle Vierzigjährigen unglücklich sind. Das Typ-C-Glück, das Glück des höheren Lebensalters, kommt aus sich heraus. Entgegen der Annahme sind Menschen höheren Lebensalters, statistisch gesehen, die glücklichsten. Tobias Esch sagt, dass das Glück sich demaskiert und einfach aus sich heraus besteht. Das deckt sich dann tatsächlich mit dem Buddha-Zitat.
Sie empfehlen „Kritisches Ignorieren“.
Oh, ja!
Was ist gemeint?
Kritisches Ignorieren empfehle nicht nur ich. Der Begriff ist an der Humboldt Universität Berlin von Wissenschaftlern geprägt worden. Die Art und Weise, wie wir Nachrichten und Informationen konsumieren, hat sich in den letzten Jahren revolutioniert. Früher gab es Pausen von schlechten Nachrichten, weil sie im linearen Fernsehen gar nicht vorgesehen waren. Heute ist es anders. In den digitalen Medien erfasst der Algorithmus, was ich lese, und gibt mir „more of the same“. Wenn ich einmal schlechte Nachrichten gelesen habe, bekomme ich immer mehr schlechte Nachrichten angezeigt. Das ist, glaube ich, auch ein Grund, warum viele Menschen das Negative als so übermächtig empfinden. Schlechte Nachrichten überschwemmen uns digital. Wir finden fast keinen Weg mehr heraus. Außer: Wir entscheiden uns, das Smartphone wegzulegen und den Computer auszuschalten. Kritisches Ignorieren bedeutet zu sagen: Das schaue ich mir jetzt nicht an. Ich widme mich bewusst anderen Dingen wie Freunden, wie essen, wie reisen. Ich lasse etwas Positives in mein Leben. Ich glaube, das zu steuern, muss man inzwischen lernen. Man kann den Teufelskreis durchbrechen und auf etwas anderes umschalten.
Kennen Sie das Saarland?
Ich war 2015 oder 2016 ein Mal in Saarbrücken. Und ich bin ein, zwei Mal durchgefahren …
Also nein, Sie kennen es nicht.
Nein, nicht wirklich. Ich war einmal da, aber ansonsten kenne ich es nicht wirklich. Ich freue mich aber schon sehr.
Ja, das können Sie, denn Sie lernen einen besonders schönen Ort kennen!
Ich habe online schon mal geguckt. Es ist ja für mich gar nicht so leicht zu erreichen (Schreiber lebt in Hamburg, Anm. d. Red.), und wenn es nicht so schön ausgesehen hätte (lacht), weiß ich nicht, ob ich dann … (lacht), also es hat mich zusätzlich überzeugt zu sagen: Ich komme und schaue es mir an.