Seit Wochen gibt es quer durch die Republik große und kleinere Demonstrationen und Kundgebungen gegen jede Form von Rechtsextremismus. Die Proteste lassen nicht nach, ganz im Gegenteil.
Britta, Ulla, Lars und Anja versuchen sich ihren Weg vom Berliner Hauptbahnhof durch die Menschenmassen zum Platz der Republik vor dem Bundestag zu bahnen. Was an diesem verregneten Samstagmittag nicht ganz einfach ist, ohne sich gegenseitig zu verlieren.
Der kleine Freundeskreis aus dem Berliner Hipster-Bezirk Prenzlauer Berg kennt Großdemonstrationen in diesem Ausmaß schon von früher, als sie noch in der Friedenbewegung aktiv waren.
Für sie hatte die Demonstration im Berliner Regierungsviertel schon etwas vom Flair der großen Demonstration im Oktober 1983 im Bonner Hofgarten gegen den Nato-Doppelbeschluss.
Damals waren ebenfalls Hunderttausende auf Straßen und Plätzen unterwegs. Es ging um Wettrüsten, Abschreckung, Pershings und Cruise Missiles. Heute geht es eher um eine Gefahr im Inneren, um klare Kante gegen Rechtsextremismus.
Auslöser waren die Recherchen über ein Treffen in Potsdam, durch die öffentlich wurde, welche Gedanken, Pläne und Absichten da unter dem Schlagwort „Remigration“ diskutiert werden. Offiziell spricht die AfD davon, Ausreisepflichtige konsequent abschieben zu wollen. Aber die Pläne gehen viel weiter. Migranten und auch andere missliebige Personen sollen demnach abgeschoben werden, etwa in Lager in Nordafrika.
Weil auch Vertreter der AfD bei den Treffen anwesend waren, besonders prominent der persönliche Referent der Co-Vorsitzenden, hat die Diskussion um ein Parteiverbotsverfahren neue Nahrung erhalten.
„Schweigende Mehrheit“ zeigt, was sie denkt
Daran ändert auch nichts, dass besagter Referent entlassen wurde und die Partei versucht hat, das Treffen als reine Privatveranstaltung herunterzuspielen.
Inzwischen haben bei zahlreichen Demonstrationen quer durch die Republik viele hunderttausend, zusammen weit über eine Million Menschen klar gemacht, was sie von derartigem Gedankengut halten. Und es waren keine einmaligen Kundgebungen. Wochenende für Wochenende hat die Teilnahme keineswegs nachgelassen, im Gegenteil.
Die Mischung bei diesen Demonstrationen ist mehr als bunt: Sie reicht von Gewerkschaften über Kirchenverbände, Parteien, Bündnisse gegen Rechts, Klimaaktivisten bis hin zur Antifa.
Alle sind sich einig, gegen wen, gegen welches Gedankengut hier demonstriert wird – und wofür. Das hat dann doch (positiv) überrascht, mit welcher Klarheit sich hier die sonst oft zitierte „schweigende Mehrheit“ positioniert. Und je mehr die Gegner versuchten, das kleinzureden, sei es mit dem Vorwurf gefälschter Bilder und Zahlen oder dem unsäglichen Vergleich mit verordneten Aufmärschen, umso deutlicher zeigten Bürgerinnen und Bürger, was sie davon halten.
Das ändert nichts daran, dass in diesem breiten und bunten Bündnis auch durchaus differenziert darüber diskutiert wird, wie sich der Staat gegen seine Feinde zur Wehr setzen kann und sollte. Dazu gehört dann auch die Frage, ob ein Verbotsfahren sinnvoll, nötig, oder mit Risiken verbunden wäre. Erwägungen und Argumente, die bereits aus den Diskussionen um ein NPD-Verbotsverfahren bekannt sind.
Die Diskussionen werden weiter gehen, so wie auch die Kundgebungen weiter gehen. Und die strahlen offensichtlich ins ganze Land aus. Immer mehr Veranstaltungen finden auch in kleineren Städten und ländlicheren Regionen außerhalb der Ballungszentren statt.