Wer sein Leben in vollen Zügen oder im Großraumbüro genießen darf, sehnt sich nach Ruhe und vielleicht etwas Musik zur Entspannung. Doch auch zum Telefonieren für virtuelle Konferenzen sind Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung hilfreich. Diejenigen, die über die Ohren gehen, sind effektiver.
Vor 15 Jahren hatte ich einen Kollegen, der sich morgens vor dem ersten Gespräch mit Kunden erstmal zwei Stunden warm telefonierte, indem er mit Außendienstmitarbeitern die Fußballergebnisse des Vorabends durchdiskutierte. An Arbeiten war so nicht zu denken; so laut konnte man das Radio gar nicht aufdrehen, um nicht mehr gestört zu werden, zumal er dann noch lauter redete. Inzwischen gibt es Abhilfe für solche Fälle: Ohrumschließende Kopfhörer mit aktiver Umgebungsschallunterdrückung, ANC (Active Noise Cancelling). Aktiv genannt, weil sie nicht nur die Umgebung über die Ohrmuscheln abschirmen, sondern über Mikrofone den Umgebungsschall erfassen und im Kopfhörer aktiv gegensteuern.
Ursprünglich entwickelt, um das Motorenbrummen im Flugzeug zu filtern, können diese Systeme inzwischen auch andere Umgebungsgeräusche filtern. Bevorzugt immer noch Motorenbrummen, auch im Zug, aber auch Gespräche, solange einem derjenige nicht gerade direkt gegenüber sitzt. Man selbst kann so auch besser telefonieren, wenn man die Umgebungsgeräusche nicht mitbekommt, Mikrofone sind in diesen Kopfhörern ja bereits für ANC verbaut. Bei sehr guten Kopfhörern wird auch der Gesprächspartner weniger mit Umgebungslärm belästigt, weil dieser auch aus dem Signal herausgerechnet wird, das ans Gegenüber geschickt wird. Kollegen oder Mitreisende ohne Kopfhörer müssen allerdings weiterhin alles an- und mithören; man sollte sich also trotzdem nicht so benehmen wie der fußballverrückte Kollege.
Bose und Sony sind marktführend
Das Ganze geht auch kabellos, per Bluetooth. Das war vor einigen Jahren noch Luxus mit eingeschränkter Übertragungsqualität und kurzen Laufzeiten. Inzwischen haben Smartphones und Tablets jedoch oft gar keine Kopfhörerbuchse mehr und die Codecs AAC, aptX und LDAC bieten Klang, der von einer Kabelverbindung kaum mehr zu unterscheiden ist. AAC ist auf Apple-Hardware vertreten, auf Android dagegen meist nicht, aptX umgekehrt auf Android und nicht auf Apple und LDAC vorzugsweise auf Sony-Geräten, weil Sony diesen Codec entwickelt hat. Doch auch bei Technics und Pioneer ist er zu finden. Den Kopfhörer sollte man passend zu seinem Smartphone wählen; haben beide keinen dieser drei Codecs gemeinsam, wird der Sound enttäuschen: Dann bleibt nur der Standard-Codec SBC, der unangenehme Verzerrungen erzeugt, sogenannte Artefakte.
Was die Geräuschunterdrückung betrifft, sind die Hersteller Bose als Erfinder der aktiven Geräuschunterdrückung sowie Sony marktführend. Bose hat aktuell bei Over Ear-Kopfhörern den Quiet Comfort 45 im Rennen und Sony den WH-1000XM5. Gemeinsam ist beiden, dass sie keinen aptX-Codec zu bieten haben und damit mit Android-Geräten nicht gut klingen, wenn diese nicht AAC oder (beim Sony) LDAC können. Apple-Tablets und Smartphones können stets AAC, dann klingen beide Kopfhörer gut. Sie sitzen angenehm ohne Druckstellen und sind ab 350 Euro zu bekommen.
Bei Sony ist gewöhnungsbedürftig, dass dieser Kopfhörer „mitdenken“ will, die Geräuschunterdrückung abhängig vom aktuellen Aufenthaltsort umschaltet und deshalb beispielsweise beim Aussteigen aus dem Zug den Kopfhörer im Bahnhof auf „Durchzug“ schaltet. Das ist gedacht, um die Ansagen nicht zu verpassen. Doch wer jeden Tag in die U-Bahn umsteigt, sollte diese Automatik abschalten oder umprogrammieren, wenn er sich davon genervt fühlt.
Der YH-L700A von Yamaha hat neben AAC auch aptX als Codec und ist damit auch an Android-Geräten wohlklingend. Zudem bietet er sonst von Yamaha-Heimkino-Receivern bekannte Raumklang- und 3D-Effekte. Das ist manchmal eher albern, wenn man AC/DC im Kirchenschiff von Notre Dame abspielen lässt. Es kann jedoch auch angenehm sein, weil der Sound dann nicht im Kopf sitzt, sondern von vorne kommt. Allerdings ist die Geräuschunterdrückung deutlich geringer, obwohl der Preis etwa 100 Euro höher liegt.
Optimal ist der Bowers & Wilkins Px8 mit bestem Klang, angenehmem Tragekomfort, AAC und aptX sogar in der HD-Variante sowie guter Geräuschunterdrückung. Allerdings kostet er noch einmal 100 Euro mehr. Sein Vorgänger, der Bowers & Wilkins Px7 S2, ist ein Geheimtipp: Er klingt nur wenig schlechter als der Px8, kostet jedoch nicht mehr als Bose Quiet Comfort 45 und Sony WH-1000XM5.
In ähnlicher Liga spielt der Technics EAH-A800. AptX hat er leider nicht als Codec, dafür LDAC und AAC. Wie heute üblich, hat er „Memory Foam“, Schaumstoff, der sich anpasst und sich Hindernisse wie beispielsweise Brillenbügeln anpasst. Damit trägt er sich bequem, allerdings erinnert das Ganze vom Aussehen an knautschige 70er-Jahre-Ledersofas und „Inspektor Columbo“, weil sich das Material langsamer wieder ausdehnt als bei anderen Kopfhörern. Die Blenden erinnern an einen großen Verstärker-Lautstärkeregler mit Technics-Logo.
Hohe Tonqualität zu niedrigem Preis
Die Technics-Headphone-App installiert sich unkompliziert auch auf älteren Android-Geräten. Sie bietet zahlreiche Einstellungs- und Kontrollmöglichkeiten – neben der Stärke von Geräuschunterdrückung oder Transparenz für den Benutzer kann hier auch die Stärke der Nebengeräuschunterdrückung für einen Telefon-Gesprächspartner justiert und kontrolliert werden. Der Effekt ist mit insgesamt vier Mikrofonen erstaunlich. Weiter kann der Frequenzgang eingestellt werden und auch, ob Multipoint zulässig ist und ob bei Bluetooth LDAC und wenn ja, in welchem Modus, genutzt werden darf. Das ANC erreicht nicht ganz das des Sony WH-1000XM5 oder des Bowers & Wilkins Px8, ist aber gut. Nur in leiser Umgebung ist ein Grundrauschen zu vernehmen.
Wer hohe Tonqualität zu einem besonders günstigen Preis möchte, wird beim finnischen Valco VKM25 für unter 250 Euro fündig. Dieser ist allerdings eher auf das kalte finnische Wetter ausgelegt – im deutschen Sommer schwitzen die Ohren schon mal ein bisschen unter seinen Muscheln, ebenso wie beim Technics-Kopfhörer. Zudem ist er von Heavy-Metal-Fans entwickelt worden und spielt deshalb an Android-Geräten nicht wirklich leise. Das kann auch ein Problem sein, wenn das abzuspielende Musikmaterial nicht perfekt ist – Artefakte von zu niedrigen Bitraten werden so gnadenlos aufgedeckt. Ansonsten bekommt man hier aber das beste Preis-Leistungs-Verhältnis und wen das auffällige Valco-Logo stört, der kann die Abdeckkappen des Kopfhörers auch austauschen. Wenn es sein muss, auch gegen in schweinchenrosa lackierte Ausführungen.