Es liest sich wie ein Krimi: Eine junge, hochtalentierte Sportlerin wird positiv auf zwei Dopingmittel getestet. Hat sie betrogen? Oder ist sie schwer an Knochenkrebs erkrankt, und sind ihre Werte aufgrund der Medikation erhöht? Einige Fragen bleiben vorerst unbeantwortet.
Die Nachricht erwischte Leichtathletik-Funktionäre wie auch die Fans gleichermaßen – und das nicht nur im Saarland: Toptalent Sara Benfares vom LC Rehlingen wird des Dopings bezichtigt. Die 22 Jahre junge Deutsch-Französin wurde im September 2023 positiv auf die verbotenen Substanzen Erythropoetin (EPO) und Testosteron getestet, wie die „Saarbrücker Zeitung“ berichtete. Dies bestätigte die Nationale Anti-Doping-Agentur Nada, die schon vor der Eröffnung des sportrechtlichen Verfahrens Ende Januar 2024 bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken Strafanzeige gegen Benfares wegen des Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz erstattet hat.
Hiobsbotschaft für den deutschen Sport
Benfares startet sei Juli 2021 für Deutschland, wurde 2022 Deutsche Meisterin über 10 Kilometer und Deutsche Vizemeisterin über 5.000 Meter, darüber hinaus stand sie im deutschen Aufgebot für die WM 2022 im US-amerikanischen Eugene sowie für die EM 2022 in München. Sie ist Mitglied im Perspektivkader des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und wollte bei den Olympischen Spielen in Paris im kommenden Sommer über 5.000 Meter um Medaillen mitlaufen. Nun wurde sie von der NADA vorläufig suspendiert. „Der DLV positioniert sich klar gegen Doping und steht als Motor in der Einführung des deutschen Anti-Doping-Gesetzes für fairen, sauberen Sport“, erklärte der DLV und weist darauf hin, dass die Nada als unabhängige Instanz die weiteren Schritte verantworte. Der Landessportverband für das Saarland (LSVS) und die Sportstiftung Saar haben die finanzielle Unterstützung der Athletin eingestellt.
Während sich die Hiobsbotschaft für den deutschen Sport verbreitete, sorgten neue Informationen plötzlich für eine nicht minder tragische Wende: Das französische Internet-Portal SPE15.fr berichtet am 31. Januar, dass Benfares an Knochenkrebs leide und die Werte wegen einer medikamentösen Therapie erhöht seien. „Ihre Krankenakte spricht für sie“, heißt es in dem Text, zu dem angeblich Vater Samir Benfares, früher selbst Spitzen-Leichtathlet und Trainer seiner Töchter Selma (24), Sara (22) und Sofia (19), die Informationen lieferte. Demnach hatte seine Tochter mit zehn Stressfrakturen nacheinander zu kämpfen. Aus den rezidivierenden Untersuchungen folgte im August 2023 die Diagnose Knochenkrebs. „Die Behandlung muss dringend entschieden werden […]. Durch die Chemotherapie sank Saras Hämatokritwert auf 27, weshalb ihr der deutsche Facharzt, der sie betreut, EPO verordnete. Und auch Testosteron wird gespritzt, um die von der Krankheit betroffenen Knochen zu stärken“, heißt es in dem Artikel von SPE15, der auf dem Portal bis heute abrufbar ist. Benfares, die inzwischen einen Anwalt eingeschaltet hat, hatte sich kurz vor der Veröffentlichung des Doping-Vorwurfs in den sozialen Medien zu Wort gemeldet. Auf Bildern war sie offensichtlich in einem Krankenhaus zu sehen. In ihrem Post spielte sie auf gesundheitliche Probleme an und schrieb (übersetzt aus dem Englischen): „Das ist jetzt seit über einem Jahr mein Alltag. Obwohl ich mich seit einem Monat besser fühle, sind die medizinischen Ergebnisse schlecht. Ich habe es satt, meine Behandlungen vor den Behörden rechtfertigen zu müssen. Ich werde einen Schritt zurückgehen, um besser auf mich selbst aufzupassen. Bis bald.“
Allerdings scheint diese Argumentation mehr Fragen aufzuwerfen als zu beantworten: Zum einen bezweifeln andere Experten als der bei SPE15 angegebene französische Anti-Doping-Forscher Pierre Sallet, dass die Gabe von Testosteron in diesem Fall wirklich indiziert sei. Von FORUM hierzu angefragte Mediziner wollten sich nicht äußern. Zum anderen drängt sich die Frage auf, wieso der NADA die besonderen Umstände nicht schon im Vorfeld der Dopingtests gemeldet wurden? Laut SPE15 hatte Vater Samir den behandelnden Arzt darauf hingewiesen, dass seine Tochter Hochleistungssportlerin sei und ein Protokoll befolgen müsse. „Er wandte ein, wir dürfen keine Zeit verlieren, wir müssen uns so schnell wie möglich darum kümmern“, wird Samir Benfares zitiert. Erst nachdem die am 30. September 2023 entnommene Probe auf beide Mittel positiv ausfiel, sei Sara Benfares in Begleitung ihres behandelnden Arztes dreimal in die NADA-Zentrale nach Bonn gereist, „um den Sachverhalt zu erklären“, heißt es. Ob sich dies auf die Beurteilung auswirkt, ist offen. Fakt ist: Wenn sich der Doping-Verdacht gegenüber Benfares bestätigt, droht ihr als Ersttäterin eine vierjährige Wettkampf-Sperre. Außerdem steht nach dem Anti-Doping-Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe im Raum.
Ebenfalls bemerkenswert: Am 31. August fand ein Pressetermin am SportCampus Saar statt, wo Sara Benfares als Mitglied des „Team Saarland für Paris“ vorgestellt wurde.
In diesem Rahmen wiederholte sie das Ziel, das sie bereits in einer September-Ausgabe 2023 des FORUM formuliert hatte: eine olympische Medaille zu gewinnen. Journalisten, die am Pressetermin teilgenommen hatten, schilderten ihr Auftreten als „zuversichtlich und gelöst“ und ahnten nicht, dass sie wenige Tage zuvor eine so schreckliche Nachricht wie die Krebsdiagnose erhalten haben könnte.
Wettkampf-Sperre bis hin zur Freiheitsstrafe
„Zunächst einmal scheint das System zu funktionieren – unabhängig davon, ob die Einnahme verbotener Substanzen nun beabsichtigt beziehungsweise strafwürdig war oder nicht erfolgt ist“, sagt Heinz König, Präsident des Landessportverbandes für das Saarland und warnt: „Natürlich gibt es hier Ungereimtheiten, aber wir sollten vermeiden, die betroffene Person öffentlich bloßzustellen, bevor alle Fakten auf dem Tisch liegen. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht der Fall und von daher gilt auch hier vorerst die Unschuldsvermutung.“
Das sieht auch Lothar Altmeyer, Präsident des Saarländischen Leichtathletik-Bundes (SLB), so: „Wir sind als Landesverband nur in einer Beobachterrolle. Insgesamt gibt es einige Unklarheiten in der ganzen Darstellung. Von daher will ich zunächst das Endresultat des Ergebnismanagementverfahrens der NADA abwarten. Doping muss auf jeden Fall strikt sanktioniert werden.“
„Für unseren Verein ist es eine schlimme Angelegenheit. Eine, wie man stets hofft, sie nie erleben zu müssen. Obwohl sich von uns keiner etwas zuschulden kommen ließ, betrifft uns diese Affäre mit“, sagt Thomas Klein, 1. Vorsitzender des LC Rehlingen, der mit allen Beteiligten in Kontakt steht und ergänzt: „Eine Einschätzung der Lage ist derzeit schwer vorzunehmen.
Auch vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen. Klar ist: Es bedarf einer transparenten Aufklärung. Dies könnte kurzfristig geschehen, was wir alle hoffen oder sich noch Wochen oder Monate hinziehen.“
Sara Benfares hatte auf entsprechende Anfrage bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht reagiert. Unabhängig davon, ob sie des Dopings überführt wird oder ob sie mit der schweren Diagnose Knochenkrebs leben muss: In jedem Fall droht der hochtalentierten jungen Frau das Ende ihrer sportlichen Karriere. Eine tragische Geschichte.
Hinweis: Dieser Text bezieht sich auf die zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe am 12. Februar 2024 bekannten Informationen.