Pflanzenbasiert kochen und dabei kaum Abfälle produzieren, das ist das Motto von „Frea“ in Berlin-Mitte. Die Location gilt als eine der besten Adressen für vegane Küche in Deutschland. Sie wurde unter anderem schon mit einem grünen Michelin-Stern ausgezeichnet.
Angefangen haben soll alles in den frühen 2010er-Jahren. Der britische Koch Douglas McMaster, damals noch Anfang zwanzig, war gerade auf einer Reise im australischen Sydney, als er den niederländischen Künstler und Zero-Waste-Pionier Joost Bakker traf. Die beiden diskutierten über Müllvermeidung. „Könntest du nicht einfach keinen Mülleimer haben?“, soll Joost Bakker den englischen Koch gefragt haben. Diese Frage brachte den Stein ins Rollen und sollte der Beginn einer neuen Küchenphilosophie sein. Die beiden Männer taten sich zusammen und gründeten das erste abfallfreie Café der Welt in Melbourne. Kurze Zeit später eröffnete Douglas McMaster mit dem „Silo“ im englischen Brighton das wahrscheinlich erste Zero-Waste-Restaurant in Europa.
Angetan von der Philosophie dieser kulinarischen Bewegung war auch David Johannes Suchy. Der Berliner hatte schon mehrere Jahre hinter diversen Bartresen gearbeitet und mittlerweile auch seine eigene Catering-Firma ins Leben gerufen. Die Philosophie nachhaltiger Lebensmittelverwertung faszinierte ihn. So ging der Gastronomie-Unternehmer für ein paar Monate nach Brighton, um in Douglas McMasters „Silo“ zu jobben.
Ausgezeichnet mit Nachhaltigkeitspreis
Wieder zurück in Berlin, griff der gelernte Produktdesigner und Ernährungsberater David Johannes Suchy diese Idee für sein eigenes Gastronomie-Unternehmen auf. „Damals hatten wir noch Fisch und Fleisch auf der Speisekarte“, erinnert er sich im Gespräch mit FORUM. Doch Stück für Stück stellte er seine Location in Berlin-Mitte auf Nachhaltigkeit um – und auf vegane Küche. Unterstützung fand der Gründer auch von seiner Frau und Geschäftspartnerin Jasmin Suchy. Die studierte Strategie-Managerin arbeitete zuvor als Unternehmensberaterin und kam 2018 mit ins Team von „Frea“.
„Unsere regionalen Produzenten und Lieferanten verstehen unsere Philosophie und helfen uns dabei, Plastikverpackungen zu vermeiden“, erläutert David Johannes Suchy das Konzept näher. Die Lebensmittel werden zu 100 Prozent verarbeitet, was auch für Schalen und Reste gilt, die nicht mehr weiterverarbeitet werden können. „Wir produzieren keinen Müll“, sagt er. Alles, was an Essensresten anfalle, werde innerhalb von 24 Stunden in der Kompostiermaschine zu einem Bodenersatzstoff verarbeitet und gehe zurück an die Lieferanten. Dann weist der Gastronomie-Unternehmer auf eine große, kantige Maschine, die etwas versteckt am anderen Ende der Location steht. Für das Konzept wurde die Location schon mehrfach ausgezeichnet, so unter anderem auch mit einem grünen Michelin-Stern und dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis.
Das Ambiente in dem Eckhaus zwischen Torstraße und Kleiner Hamburger Straße in Berlin-Mitte wirkt warm und einladend. Viel helles Holz und Zimmerpflanzen dominieren. Zwischen den weiß getünchten Wänden lugen Stücke unverputzten Mauerwerks hervor. Die hohen Fenster fluten den Raum mit viel Licht.Vis-à-vis zum Eingang befindet sich die Bar, die für Neugierige einen Einblick in die offene Küche bietet. Ein Eyecatcher an der Bar sind die cremefarbenen Lampen über der Bar. Sie bestehen aus Myzel, also Pilzen, und sind eine Kreation des preisgekrönten, südwalisischen Designstudio Ty Syml. Man merkt sofort, dass sich Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein im Hause Suchy auch im kleinsten Detail widerspiegeln.
An diesem Abend kommen wir in den Genuss eines mehrgängigen Menüs, bei dem man zwischen drei, vier und fünf Runden entscheiden kann. Vorab kredenzt man meiner Begleiterin und mir ein Amuse Gueule mit einem kleinen, aber feinen Dumpling aus fermentierten Steckrüben und fermentiertem Brot mit Apfelmusfüllung. Das süß-säuerliche Ensemble schmeckt vorzüglich und sorgt schon mal für die erste Überraschung. Schließlich hatte ich bei einem Dumpling eher etwas Schwereres und Teigigeres erwartet. Stattdessen bezirzt etwas Leichtes, Feines meinen Gaumen. Ein wahrer Hochgenuss ist auch das selbstgemachte Sauerteigbrot mit Shea-Butter.
Für eine weitere Überraschung sorgt die Wirsing-Roulade, ein Gemüse, vor dem ich normalerweise eher weglaufe als es goutieren würde. Doch unter der Regie des sardischen Küchenchefs Lorenzo Mele ist das Gericht ein kulinarischer Traum, schmeckt das Röllchen doch knusprig und leicht salzig. Auch die zarte Füllung mit Austernpilz, Sauerkraut und Kastanie, abgeschmeckt mit Kümmel ist ein ganz besonderer Twist. „Mega lecker“, befindet auch der uns begleitende Fotograf.
Getränke sind kleine Geschmacksfeuerwerke
Knackig und perfekt ausbalanciert in den Geschmacksrichtungen aus sauer, salzig und leicht süßlich ist auch die Rote Bete an einer Leche de Tigre-Soße aus Grapefruit, Algenöl und Rote Bete-Saft. Betörend intensiv im Geschmack gesellen sich auch die Gnocchi auf unsere Teller. Angerichtet ist das Ensemble mit einer Beurre Blanc aus Safran, Orange und Ingwer und Erbsensprossen on top. Fabulös! Selbst der in Pasta-Angelegenheiten sehr strenge italienische Fotograf ist von den Gnocchi angetan. „Super tasty“, murmelt er und genießt.
Für Begeisterung sorgen auch die Getränke. Die hausgemachten Kombuchas und Säfte entpuppen sich ebenso als kleine Geschmacksfeuerwerke wie der georgische Naturwein (Baia’s Wine). Ich nehme ein paar Schlückchen von dem tiefroten Saft aus roter Bete, Fenchelsamensirup und Bergamotte und fühle mich wunderbar geerdet.
Bei so viel gesundem Essen machen wir uns dann auch keine weiteren Gedanken beim Schlemmen der Nachspeisen. Sie sind wie
alle Speisen eine wahre Augenweide. So schnabulieren wir Pastinake mit Birne an malzig-karamelliger Schokoladen-Soße. Weiterer Star an unserem kulinarischen Himmel ist auch das Sesam-Eis an Cranberrysaft und Hisbiskustee.
Nicht zu vergessen und eine Entdeckung wert ist übrigens auch die hauseigene Bäckerei, die natürlich auch der Zero-Waste-Philosophie folgt. Wie an der Torstraße wird auch hier auf Plastik und Müll verzichtet. Vom Restaurant aus erreicht man sie in nur wenigen Minuten, wenn man die Torstraße überkreuzt und in die Gartenstraße geht. Die Bakery ist auch ein Kaffeehaus, das zum Verweilen einlädt. Mit ihrer hellen, warmen und heimeligen Atmosphäre wirkt sie ein bisschen skandinavisch. Sie ist ganz unverkennbar die kleine Schwester des Restaurants.
Es gibt warme Gerichte zum Frühstück und zum Mittag, diverse Kaffee-Varianten sowie natürlich Leckereien aus dem Backofen. Dazu zählen etwa Brioches, Croissants, Kardamomschnecken und andere süße Versuchungen. Und last but not least auch das himmlisch leckere Sauerteig-Brot, mit dem man uns schon beim Dinner am Abend zuvor verwöhnt hat.