Für das Projekt Aufstieg überlässt Fußball-Drittligist 1. FC Saarbrücken nichts dem Zufall. Im türkischen Belek sollen die Grundlagen für ein erfolgreiches Jahr gelegt werden.
Als die wenigen Touristen, die sich im türkischen Frühwinter im Spice and Spar Resort in Belek noch am ausgiebigen Frühstücksbuffet bedienten, waren die Platzwarte schon bei der Arbeit. Vor und nach jeder Einheit kümmerten sich vier Personen um den Zustand des satten Grüns. „Die Bedingungen sind top. Es gibt nichts zu meckern“, sagte Trainer Rüdiger Ziehl schon nach der ersten Einheit. Zu einem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt hat der saarländische Drittligist in der Türkei Quartier bezogen. „Es war eigentlich geplant, dass der neue Trainer Gelegenheit bekommt, die Mannschaft besser kennenzulernen. Daher haben wir uns für das Trainingslager im Dezember entschieden. Aber nun ist es anders gekommen, die Kennenlernphase entfällt also“, sagte Ziehl lachend.
Mit 16 von 18 möglichen Punkten hat der FCS eine gute Ausgangslage für die ersten fünf Monate des kommenden Jahres. Trainer Ziehl wird dabei nicht müde, Breite und Qualität des Kaders zu loben. Doch der Manager Ziehl muss einige Fragen beantworten: „Es ist nicht so, dass wir untätig wären. Wir haben schon ein paar Namen auf dem Schirm. Aber wenn wir personell nachlegen, müssen es Spieler sein, die uns auf bestimmten Positionen besser machen. Ergänzungsspieler benötigen wir keine.“ Doch es gibt die eine oder andere Baustelle im Kader. Linksverteidiger Tobias Schwede ist aus privaten Gründen gar nicht erst mit in die Türkei gereist. „Es sind gravierende Sachen, die nichts in der Öffentlichkeit zu suchen haben. Und es sind Dinge, die wohl nicht kurzfristig besser werden und schon länger andauern. Das erklärt halt auch manches“, sagte Ziehl mit Blick auf die rätselhaft teilnahmslosen Auftritte des Sommer-Neuzugangs. Ob Schwede überhaupt noch mal in Saarbrücken aufschlagen wird? Ziehl gibt sich schmallippig. „Im Moment ist er nicht da. Mehr gibt es von unserer Seite dazu auch nicht zu sagen.“ Die defensive linke Außenbahn ist somit eine der Baustellen, die Ziehl und Sportdirektor Jürgen Luginger zu bearbeiten haben. Doch einen Grund zur Eile sieht Ziehl nicht. „Calogero Rizzuto hat links richtig gute Spiele gemacht. Natürlich ist er kein klassischer Linksfuß, aber da musst du erst einmal einen finden, der besser ist. Tobias Jänicke hat rechts richtig gut agiert und Dominik Ernst kommt zurück. Wir müssen eben auch auf die Kader-Hygiene achten, daher sehe ich hier nicht den ganz großen Handlungsbedarf.“
„Eine gute Struktur gefunden“
Doch ganz ohne Nebengeräusche lief auch das Trainingslager nicht ab. „Dauerpatient“ Julius Biada hatte laut Ziehl einen „kleine Rückschlag“. Er soll ganz langsam an die Belastung herangeführt werden. Auch Sturmtank Adriano Grimaldi konnte nur sehr eingeschränkt trainieren. „Beide haben ihre Historie. Wir müssen es bei ihnen sehr clever steuern. Das Ziel muss es sein, dass sie im Januar wettbewerbsfähig sind“, sagte Ziehl. Auch Eigengewächs Luca Kerber tauschte aufgrund von Knieproblemen das Trainingsgelände mit dem Kraftraum. „Bei ihm ist es eine Reaktion auf die Belastung. Er hatte das im vergangenen Jahr schon mal. Damals hat man ihn durch die Verletzung geprügelt. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, dass wir ihn ein bisschen draußen lassen“, erklärt Ziehl.
Nicht in Abrede stellt der Trainer, dass es dem Team im letzten Drittel an Tempo fehlt. Immer wieder fällt der Name Nicklas Shipnoski, der im ersten Drittliga-Jahr 25 Scorerpunkte auf der Habenseite hatte. Der 24-jährige Pfälzer ist derzeit innerhalb der Zweiten Liga von Fortuna Düsseldorf an Jahn Regensburg ausgeliehen. „Es ist kein Geheimnis, dass er sich in Saarbrücken sehr wohl gefühlt hat. Aber wir müssen realistisch sein. Auch wenn er vielleicht nicht zu einhundert Prozent zufrieden ist, hat er alle 17 Spiele gemacht. Zuletzt stand er in der Startelf und hat ein Tor geschossen. Im Winter ist so eine Sache kaum zu realisieren“, sagt Ziehl, der grundsätzlich keine Namen kommentieren möchte. Auch nicht den des Hannoveraners Sebastian Stolze: „Viele Spieler werden angeboten. Und manchmal sickert dann auch von der Beraterseite etwas durch. Wir halten Augen und Ohren offen, aber wir handhaben diese Dinge seriös und professionell.“
Nach den turbulenten Herbstwochen, der Trennung von Trainer Uwe Koschinat und der Frage wie es mit Sportdirektor Luginger weitergeht, ist beim FCS wieder Ruhe eingekehrt. Die Zusammenarbeit zwischen Ziehl und Luginger läuft professionell und harmonisch. „Natürlich hat es am Anfang mal gerumst, jeder musste seinen Platz finden. Aber menschlich gibt es überhaupt keine Probleme. Wir haben die Aufgaben verteilt und eine gute Struktur gefunden“, sagt Ziehl. Von Vorteil ist natürlich, dass der 45-Jährige und Luginger in Sachen Fußball auf einer Wellenlänge funken. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Luginger Ziehl im Frühjahr 2021 als Nachfolger von Lukas Kwasniok installieren wollte. „Jürgen und ich haben, was die Struktur der Mannschaft betrifft, identische Auffassungen. Wir haben eine gute Breite im Kader und sind uns einig, dass wir die Gruppe nicht künstlich aufblähen müssen. Am Ende müssen wir eben auch berücksichtigen, dass alle Spieler zur Verfügung stehen könnten. Da muss man sich nicht unnötige Probleme machen.“ Schon jetzt gibt es einige Spieler, die nur geringe Aussichten auf Einsatzzeiten haben. Mittelfeldspieler Robin Scheu und Verteidiger Dominik Becker gehören dazu. „Wir jagen niemanden weg. Aber wenn jemand kommt und sagt, dass er sich verändern möchte, hören wir uns das an. Auf der anderen Seite haben wir eine sehr lange Vorbereitung, in der sich jeder Spieler aufdrängen kann. Kasim Rabihic war doch teilweise schon abgeschrieben und hat am Ende dann richtig gut gespielt. Manchmal geht es eben ganz schnell“, sagt Ziehl. Ein neues Gesicht gab es in Belek aber dennoch zu sehen. Mit Yannic Thiel wurde ein zusätzlicher Co-Trainer engagiert. „Er wird mit auf dem Platz sein, aber hauptsächlich ist er für die Analyse zuständig. Die Jungs, die das bisher gemacht haben, sind hauptamtlich im NLZ tätig und haben uns quasi nebenbei geholfen“, begründete Ziehl die Verpflichtung des 33-Jährigen, mit dem er schon in Halvese und Wolfsburg zusammengearbeit hatte.