Für „Fridays for Future" soll der 20. September der nächste Meilenstein werden. Am „globalen Streiktag" soll sich zeigen, dass es um mehr geht als um eine Schülerbewegung. Die steht derzeit aber auch vor einigem Klärungsbedarf.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Ob Greta Thunberg dieser Dichterspruch derzeit gelegentlich durch den Kopf geht, ist nicht überliefert. Über „Fridays for Future" lag unbestritten der Zauber des Anfangs einer neuen Bewegung, in der die zuvor als unpolitisch geschmähte Jugend die Welt der Erwachsenen gehörig unter Druck setzte. Aber Zauber halten nicht ewig. Nach gut einem halben Jahr in Dauersympathie gibt es erste Kratzer. Wenig überraschend, wenn sich eine Bewegung, die sich basisdemokratisch versteht, versucht, zu organisieren.
Im Kern sind es drei Ebenen, auf denen die „Fridays" herausgefordert sind. Greta Thunberg und Luisa Neubauer sind die Gesichter der Bewegung, die eine international, die andere deutschlandweit. Intern sind die Warnungen vor einem „Personenkult" schon länger zu hören, sei es aus Neid und Rivalität im Tenor: „Die organisieren die Streiks doch nicht alleine", oder aus begründeter Sorge um die Breite der Bewegung. Begründet, weil sich naturgemäß auch mediale Kritik an solchen Führungsfiguren und ihren Widersprüchlichkeiten abarbeitet. Neubauer hat das auch selbstkritisch eingestanden, wohl nicht zuletzt nachdem Veröffentlichungen über ihre Flugreisen zu einem heftigen Shitstorm geführt haben. Und Gretas Segeltörn, eigentlich als positives Symbol gedacht, ist inzwischen in seiner Widersprüchlichkeit in die Diskussion geraten. Dabei geht es um mehr als nur die Frage zusätzlicher Flugreisen des Profi-Seglerteams, auch wenn das Team darauf hinweist, freiwillig eine Ausgleichszahlung an einen Fonds für Umweltprojekte zu leisten.
Herausforderungen auf vielen Ebenen
Die zweite Ebene ist die interne Diskussion um die Ausrichtung der Bewegung. Während der Dortmunder Sommerkongress der Bewegung in Deutschland noch weitgehend harmonisch verlief, sah das kurz danach beim Europatreffen in Lausanne anders aus. In Dortmund ging es vor allem um die Vernetzung der inzwischen weit über 500 Ortsgruppen, um die Vorbereitung des großen Streiktags am 20. September –
als Begleitmusik zum Klimagipfel der Bundesregierung – und um Bestätigung gemeinsamer Ziele („Klimakrise ist bescheuert – CO2 gehört besteuert").
In Lausanne wurden dann auch Differenzen über die grundsätzliche Strategie deutlich. Im Kern ging es wohl darum, wie konkret Forderungen mit welcher Ausrichtung formuliert werden. Die Bandbreite bewegt sich offenbar zwischen dem Appell, wissenschaftliche Erkenntnisse ernst zu nehmen und in gebotener Eile in konkrete Politik umzusetzen bis hin zu grundlegenden Forderungen einer Änderung des Wirtschaftssystems. Während Greta Thunberg selbst eher der ersten Variante zugeneigt ist, hegen nicht wenige Sympathie für einen deutlich radikaleren Weg, bis hin zu einem Abschied von einer auf ständiges Wachstum ausgerichteten kapitalistischen Wirtschaftsweise.
Diese Diskussion hängt wiederum mit der dritten Ebene zusammen, der Umsetzbarkeit. In allen Diskussionen, zu denen Vertreterinnen und Vertreter der „Fridays for Future"-Bewegung inzwischen regelmäßig als Gesprächspartner eingeladen werden, sehen sie sich mit ökonomischen und gesellschaftlichen Fragen einer radikalen Klimapolitik konfrontiert. Für eine noch recht junge Bewegung mag es ein überzogener Anspruch sein, auf alle Fragen schlüssige Antworten geben zu müssen. Schließlich ist ihr vordringliches Anliegen, Druck zu machen, wo es wider aller Erkenntnisse deutlich zu langsam vorangeht und die Zeit in rasantem Tempo davonläuft.
Wenn die Bewegung aber dauerhaft wirken und ernst genommen werden will, wird sie sich diesen Fragen nicht verweigern können. So erscheint vieles in der derzeitigen Entwicklung wie ein Rückblick auf die Anfänge der Grünen, allerdings unter erheblich anderen Vorzeichen, sowohl in der Sache selbst als auch im gesellschaftlichen Umfeld.