Air Defender ist die größte Luftlandeübung seit Bestehen der Nato, und das unter deutscher Führung. Dabei gibt allerdings die US Air Force den Takt vor. Kein Wunder, die amerikanische Luftwaffe hat die meisten Maschinen von allen Nato-Partnern.
Auf amerikanischer Seite ist man sichtlich bemüht, so unauffällig wie es nur irgend geht beim Pressetermin von „Air Defender“ anzutreten. Michael Loh kommt zu Fuß, zwar in Parade-Uniform, aber nur flankiert von drei engen Mitarbeitern. Sein Wagen parkt um die Ecke. Wer ihn an diesem Morgen beobachtet, würde denken, ein US-Offizier im Berliner Regierungsviertel auf Sightseeing. Doch die drei silbernen Sterne auf seinen Schulterklappen verraten, hier geht es um Größeres, denn da spaziert der Luftwaffenchef der Vereinigten Staaten an der Spree entlang, zunächst unbemerkt von der Öffentlichkeit. Der Drei-Sterne-General der US-Luftwaffe Michael A. Loh ist der eigentliche Chef der größten Luftlande-Übung seit Bestehen der Nato in Europa. Doch auf US-Seite ist man bemüht, die amerikanische Dominanz bei dieser Flugübung runterzuspielen. US-General Loh betont unermüdlich, die Flugübung der Nato stehe unter dem Kommando seines deutschen Amtskollegen, „my friend General Gerhartz“. Ingo Gerhartz ist Generalinspekteur der deutschen Luftwaffe, damit Chef der Luftverteidigung in Deutschland und leitet das größte Flugmanöver seit Ende des Zweiten Weltkrieges.
Als Nato-Partner in die Pflicht genommen
Einen in dieser Größe vergleichbaren Einsatz hat die US-Luftwaffe in Europa vor fast 80 Jahren hingelegt: Operation Market Garden im September 1944 am Rheinübergang zwischen Remagen und Arnheim. Diesmal läuft die Truppenverlegung unter deutscher Führung. Luftwaffengeneral Gerhartz muss sich da nicht ganz zu Unrecht fragen lassen, wie Deutschland dieser Führung gerecht werden will. Immer wieder gibt es auch aus der Luftwaffe Berichte von nicht startklaren Maschinen und flächendeckenden Systemausfällen. Der deutsche General gibt sich zuversichtlich: „Auch wenn nicht alle Tornados zuverlässig fliegen, werden wir alles tun, damit die Luftübung trotzdem ein Erfolg wird.“ Immerhin gibt es noch die Eurofighter, die zu großen Teilen einsetzbar sind, wenn Deutschland auch nicht viele davon hat.
Auf US-Seite nimmt man diese Zuversicht hinsichtlich des deutschen Flugmaterials freundlich zur Kenntnis. Drei-Sterne-General Michael A. Loh nickt anerkennend in der Pressekonferenz. Natürlich sind die beiden höchsten Luftwaffengeneräle bemüht, den defensiven Charakter der Übung hervorzuheben. „Ich habe Air Defender bereits vor fünf Jahren in Washington vorgestellt“, so Ingo Gerhartz im FORUM-Gespräch. Der 57-jährige deutsche Luftwaffenchef hat damit geostrategische Weitsicht unter Beweis gestellt. „Spätestens nach der Annexion der Krim war klar: Die Nato muss ihre Verteidigungsbereitschaft unter Beweis stellen.“ Doch die amerikanische Seite hat offenbar erst nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vor anderthalb Jahren an dieser von deutscher Seite vorgeschlagenen Übung Interesse gezeigt.
5.000 Mann in 24 Stunden von Übersee nach Europa verlegen, das ist auch für die US Air Force ein großer Kraftakt, für die Bundesluftwaffe ist die Übung eine Herausforderung der besonderen Art. Doch die US-Seite setzt auf Deutschland, der Nato-Bündnispartner zwischen Rhein und Oder wird mit der Air-Defender-Übung militärisch in die Pflicht genommen. Dabei wird sich ein Drei-Sterne-General der US Air Force aber nicht vorschreiben lassen, wann denn nun seine 200 Flugzeuge fliegen sollen. Das entscheidet das US-Europa-Hauptquartier in Tampa/Florida beziehungsweise in Ramstein in der Pfalz. Immerhin sind es weitgehend Flugzeuge, die dort stationiert sind.
Eine besondere Herausforderung
Aber auf US-Seite ist man um den erneuten militärischen Schulterschluss mit Deutschland bemüht. Immerhin liegt Deutschland strategisch in zentraler europäischer Lage und noch immer unterhält die US-Armee zwei große Stützpunkte in Deutschland: Grafenwöhr in der Oberpfalz und die US-Airbase Ramstein in Rheinland-Pfalz, den größten Militärflugplatz der Air Force außerhalb der Vereinigten Staaten. Darum ist man auch nachsichtig mit den deutschen Unzulänglichkeiten beim Fluggerät und allem anderen, was damit zusammenhängt.
Allerdings hat die US-Seite mit gewissem Erstaunen die CO2-Debatte um die Luftlande-Übung Air-Defender zur Kenntnis genommen. Da wollen Umweltverbände ganz ernsthaft vom deutschen Verteidigungsministerium wissen, wie das erhöhte Luftfahrtaufkommen durch die gut 2.500 militärischen Starts und Landungen während der zehntägigen Übung dann nach dem Emissionsschutzgesetz abgerechnet werden. Drei-Sterne-General Michael A. Loh lacht und raunt nur sehr leise am Rande: „Ich glaube, da haben einige Menschen in Deutschland den Ernst der Lage noch gar nicht so richtig begriffen.“ Das größte Flugmanöver seit Bestehen der Nato und das dann noch CO2-neutral? Nicht nur für die US-Seite ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke.