Mit dem Einbruch der Wirtschaftslage hat sich die Situation für viele Kommunen massiv zugespitzt. Der Orscholzer Ortsvorsteher Manuel Kerber spricht über den Wegbruch der Tourismus-Branche, die Chancen des Heimurlaub-Booms und den Traum vom heilklimatischen Kurort.
Herr Kerber, Sie sind im vergangenen Jahr zum Ortsvorsteher in Orscholz gewählt worden und stehen in diesem Jahr bereits vor den Herausforderungen der Corona-Pandemie. Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf einen Ort, der maßgeblich auch vom Tourismus lebt?
Zunächst: Die Aussage, ein Ort „der vom Tourismus" lebt, kann ich so nicht bestätigen. Davon sind wir in Orscholz weit entfernt. Weder im Kernort noch in der Gemeindekasse kann ich erkennen, dass wir vom Tourismus positive Effekte erzielen. Damit will ich sagen: Wir haben noch viel Arbeit, dass wir aus unserem Standortvorteil in Verbindung zwischen Villeroy&Boch und der Saarschleife einen wirklichen Mehrwert in den Orten haben und die Menschen, die dort leben, auch etwas davon haben.
Zur Frage: Zum Höhepunkt der Corona-Krise hatten wir – wie überall – einen Stillstand. Die wenigen Geschäfte rund um die Cloef leben vom touristischen Zulauf und dem Saisongeschäft. Das bedeutet auch, dass die Kassen unserer Gastronomen und Unternehmen leer geblieben sind. Soweit ich das (Stand heute) beurteilen kann, haben aber „Gott sei Dank" alle die erste Phase überstanden. Welche Folgewirkungen die Corona-Pandemie haben wird, ist aber aktuell noch schwer zu beurteilen. Ein Beispiel: Hier im Cloef-Atrium haben wir seit November einen neuen Pächter – der ist nach der letzten Saison gekommen und musste zum Beginn der neuen Saison seinen Laden zulassen. Unternehmen hier vor Ort haben teilweise neu gebaut und investiert, dann kam Corona, und niemand wusste, wie lange der Lockdown anhält. Da geht es dann um Existenzen, und die Menschen machen sich viele Sorgen. Ich habe mich bemüht, für alle ein offenes Ohr zu haben, um in dieser schwierigen Situation so gut es ging zu helfen.
Bis sich die Tourismus-Branche wieder komplett erholen wird, wird auch noch einige Zeit vergehen. Welche Folgen sind langfristig zu erwarten?
Das ist eine schwierige Frage. Jede Krise birgt aber auch die Chance, etwas dazuzulernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Ich denke, dass sich viele Menschen, insbesondere während der Lockdown-Phase, zum ersten Mal intensiv mit ihrer näheren Umgebung auseinandergesetzt haben, weil es keine Alternative gab. Dabei hat sicherlich auch ein Umdenken in der Branche stattgefunden, auf dessen Konsequenzen ich sehr gespannt bin.
Dieser Sommer ist der Sommer der Inlands-Urlaube. Ist das auch eine Chance für Orscholz?
Es wäre eine Chance, wenn wir mit der Infrastruktur schon so weit wären. Das sind wir aber nicht. Wir haben hier pro Jahr über 300.000 Tagesgäste, sind aber nicht in der Lage, diese langfristig an den Ort oder an die Gemeinde zu binden, da die Übernachtungsmöglichkeiten fehlen. Die Menschen davon zu überzeugen, längere Zeit in Orscholz beziehungsweise der Gemeinde zu bleiben, wird eine der zentralen Aufgaben für die Zukunft. Dazu gibt es bereits vereinzelte Konzepte wie beispielsweise die Saarschleifen Lodge in Dreisbach. Es fehlt aber eine Gesamtstrategie, eine Vision und vor allem die Antwort auf die Frage: Warum verdienen wir mit Tourismus kein Geld? Ich kann keinem Orscholzer an der Theke erklären, dass Tourismus gut für uns ist, wenn nichts davon in Orscholz ankommt. Die Leute vor Ort stellen sich doch nur eine zentrale Frage: Was haben wir davon, dass 300.000 Menschen pro Jahr mit ihren Autos durch unseren Ort brettern und unsere Ruhe stören? Die Rechnung muss am Ende für die Menschen, die dort leben, aufgehen – erst dann werden der Tourismus und die damit verbundenen Einschränkungen akzeptiert. Ich habe genügend Ideen wie das klappen kann – das Totschlagargument aus der Verwaltung ist immer: Wir haben kein Geld. Wenn wir hier nicht dazu kommen – und das ist mein ausdrückliches Ziel – für neue Wege bereit zu sein, dann werden wir die Kurve sowohl mit dem Tourismus als auch der Haushaltslage nicht mehr bekommen! Wenn wir bereit sind, das Thema Tourismus wirklich ernst zu nehmen, dann werden die Orscholzerinnen und Orscholzer, aber auch die Bürger der Gemeinde das spürbar merken! Nicht direkt morgen, aber in naher Zukunft.
Was wären denn Ihre Pläne?
Es war schon vor Corona mein Anspruch, dass wir uns zu einem Heilklima-Zentrum entwickeln. Wir sind zertifizierter heilklimatischer Kurort – das gibt es nur rund 60-mal in Deutschland. Das ist eine Besonderheit, die wir für uns nutzen müssen. Wir sind nicht minder qualifiziert als die anderen Standorte – wir haben hier tolle Wälder und ein Naturschutzgebiet direkt vor der Tür – wir müssen es nur schaffen, das in die richtige Form zu gießen und nach außen hin damit zu werben. Damit könnten wir nicht nur zu einem Hotspot im Saarland, sondern im Südwesten Deutschlands werden. Dafür müssen wir aber beispielsweise auch Fahrrad- und Wanderwege ausbauen sowie den Ausbau von Mobilfunk und Öffentlichem Nahverkehr weiter vorantreiben. Wir sind als heilklimatischer Kurort dafür prädestiniert, hier einen Heilklima-Tourismus anzusiedeln. Am Ende könnte davon nicht nur die Gemeinde Mettlach oder der Landkreis profitieren, sondern das ganze Saarland.
Was macht einen solchen heilklimatischen Kurort denn aus?
Schauen Sie sich doch mal die Liste der anderen Kurorte an: Garmisch-Partenkirchen, Titisee-Neustadt oder Oberstdorf. Diese Orte haben es schon lange verstanden, den Gesundheitstourismus für sich zu nutzen. Stichwort: Waldbaden oder Heilklima-Wanderungen. Die Zielgruppe sind gesundheitsbewusste Menschen, die über längere Zeit ihre Akkus in der Heilklima-Region aufladen wollen. Das schafft Verweildauer, Wirtschaftskraft und eine völlig neue Gemeinschaft für einen Ort. Wenn wir hier mitspielen wollen, müssen wir handeln. Das Zertifikat „Heilklimatischer Kurort" sollte uns Aufgabe genug sein, unseren Ort entsprechend zu gestalten und somit – und das ist doch das wichtigste – insbesondere für die Menschen, die hier leben, ein Zuhause zu schaffen, in dem sich die Einwohner gleichermaßen den Gästen wohlfühlen und entspannen können. Meine Richtschnur für die Zukunft, sowohl für die Menschen vor Ort, als auch die Gäste lautet: Orscholz – da will ich hin!