Die Saar-Gastronomie ist geschrumpft – deutlich mehr als der Bundesdurchschnitt. Mittlerweile kämpft sie sich mit neuen Ideen wieder nach vorne. Der Flaschenhals eines deutlichen Aufwärtstrends: die fehlenden Fachkräfte und ein starres Arbeitszeitgesetz.
Das Hotel- und Gaststättengewerbe im Saarland leidet: Von den rund 3.000 Betrieben aus dem Jahr 2019 sind laut neuester Umsatzsteuerstatistik nur noch knapp 2.250 übriggeblieben. Mit einem Verlust von 25 Prozent der Betriebe liegt das Saarland damit im bundesweiten Vergleich einsam an der Spitze, der Bundesdurchschnitt liegt bei 16 Prozent. Und als wäre die Corona-Pandemie nicht schon genug gewesen, gibt’s jetzt noch einen wenig schmackhaften Cocktail aus Mitarbeitermangel, Inflation, überbordender Bürokratie gespickt mit Unsicherheiten obendrauf. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und so kämpft sich eine Branche, die im Saarland immerhin etwa 10.000 Arbeitsplätze stellt, wieder ein Stück weit nach vorne. „Seit 2022 ist wieder eine Aufwärtsentwicklung zu erkennen“, betont Michael Buchna, der im Juni für weitere drei Jahre vom Landesverbandstag des Hotel- und Gaststättengewerbes Dehoga Saarland zu dessen Präsidenten gewählt wurde.
„Wir brauchen mehr Flexibilität“
Vom Tiefpunkt 2021 mit 8.900 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten habe sich die Branche zwar erholt, aber es fehlten heute immer noch gut 2.000 Fachkräfte. Die Neuordnung der Ausbildungsberufe sei zwar abgeschlossen und zeige die hohe Attraktivität dieser sehr international ausgerichteten Branche mit spannenden Perspektiven, aber das Anwerben ausländischer Fachkräfte dauere mit bis zu einem Jahr aufgrund der benötigten Arbeitspapiere einfach viel zu lange, beklagt Hauptgeschäftsführer Frank C. Hohrath. „Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung und vor allem mehr Flexibilität im Hinblick auf das sehr starre deutsche Arbeitszeitgesetz, das an der Realität dieser Branche völlig vorbeigeht. Eine Orientierung an der Wochenarbeitszeit, wie es in Europa praktiziert wird, wäre für unsere Branche sehr hilfreich“, so Hohrath weiter. Damit könnte auch dem Wunsch nach familienfreundlichen Arbeitszeiten und neuen Arbeitszeitmodellen viel stärker Rechnung getragen werden.
Die Bundesregierung wird zudem aufgefordert, den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent auf Speisen unbefristet zu verlängern und auf Getränke auszuweiten. Diese Hängepartie müsse endlich beendet werden, hieß es. „Die Corona-Krise hat uns deutlich vor Augen geführt, dass besonders Klein- und Kleinstbetriebe in Familienhand gar nicht die finanziellen Mittel haben, so eine lange Durststrecke zu überleben. Die Preissteigerungen für Energie, Wareneinkauf und Personal tun ihr Übriges. Eine Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer wird vielen Betrieben die Möglichkeit nehmen, Rücklagen zu bilden, und potenzielle Gäste obendrein verschrecken“, warnt Michael Buchna vor einem weiteren Sterben der Gaststätten vor allem im ländlichen Bereich. Viele kleine Restaurants und Hotels hätten in der Krisenzeit aber auch viel dazugelernt und ihre Flexibilität unter Beweis gestellt. Diese Resilienz bei den bestehenden Betrieben gelte es für die Zukunftssicherung weiter zu stärken.
Trotz einer schwierigen wirtschaftlichen Gesamtlage gibt es aber berechtigten Grund zur Hoffnung, denn die Branche sieht auch gelungene Firmenübernahmen oder neue Konzepte am Markt. So appelliert die frisch in das zehnköpfige Präsidium gewählte Anke Schorn, die den Fachbereich „Start-ups und Unternehmerinnen“ verantwortet, an die Branche, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen. „Regionale Produkte und Shops, selbstgebrautes handwerklich gemachtes Bier etwa, das sind Dinge, die wir beherrschen und auch selbstbewusst vermarkten können“, erklärt Schorn, die die Mettlacher Abtei-Brauerei übernommen hat und dafür eigens ins Saarland zurückgekehrt ist. Trends wie veganes Essen oder Nachhaltigkeit bestimmen außerdem die Szene und würden von vielen Betrieben im Saarland ins Angebot aufgenommen und entsprechend berücksichtigt.
Berechtigte Hoffnung?
Der Wander- und Fahrradtourismus zählt zweifelsohne zu den wichtigsten Einnahmequellen der gesamten Branche, auch wenn in der Corona-Krise viele auswärtige Gäste ferngeblieben sind. „Das haben wir paradoxerweise zum Teil durch die Einheimischen selbst kompensiert, die das Saarland in dieser Zeit neu entdeckt hatten“, erklärt Angelika Hießerich-Peter vom „Hotel Haus Schons“ in Mettlach. Sie begleitet im Präsidium den Ausschuss für Tourismus, Kultur und Verkehr und legt auch gleich den Finger in eine offene Wunde: „Die Sanierung des Saarradwegs Richtung Trier im Sommer ohne Absprache oder das bereits dreijährige Befahrungsverbot der Saar-Brücke in Mettlach für Reisebusse, ohne eine adäquate Alternative anzubieten, oder die besucherunfreundlichen Öffnungszeiten des Tourismusbüros sind für eine Gemeinde mit über 200.000 Übernachtungen im Jahr nicht nachvollziehbar. Das Hotel- und Gaststättengewerbe hat eine Querschnittsfunktion und trägt zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung des Saarlandes bei. Davon profitieren auch die Kommunen, was dort in manchen Köpfen noch nicht richtig angekommen zu sein scheint“, plädiert Hießerich-Peter für eine bessere Kommunikation. Dazu passt auch die lang gehegte Forderung, in Saarbrücken endlich ein Convention-Büro für die zukünftige Kongresshalle einzurichten, das mit einer Marketing- und Vertriebsarbeit neue Gäste ins Saarland holen soll. Andere Städte in der Großregion verfügen längst über so ein Instrument und können Kongresse und viele Veranstaltungen managen.
Sorge bereitet der Dehoga Saarland zudem, dass Zug- und Flugverbindungen geplant werden, ohne das Saarland zu berücksichtigen. „Wir verpassen hier den Anschluss“, warnt Michael Buchna. Besonders im Hinblick auf das sportliche Großereignis im kommenden Jahr in Paris sei die Zugverbindung von Saarbrücken nach Paris absolut wichtig für das Saarland. Allen Unkenrufen zum Trotz gebe es aber bereits Buchungen für 2024 zum Besuch der Olympischen Spiele, sagt Christian Sersch, Geschäftsführer der „Seezeitlodge Hotel & Spa“ in Nohfelden, der im Präsidium künftig die Aus- und Weiterbildung leitet. Die schnelle Erreichbarkeit von Paris, die Lage in der Großregion mit Frankreich, Luxemburg und Belgien als Nachbarn seien Pluspunkte und Argumente für Besucher, die das Saarland noch viel stärker ausspielen müsse. Maßnahmen wie die Bewerbung zur Ausrichtung der Special Olympics im Saarland seien großartige Chancen, die genutzt werden müssen.