Die Pandemie hatte die Reiseveranstalter hart getroffen. Die Tui als größtes Unternehmen der Branche ist jedoch zuversichtlich: Fernreisen oder Kreuzfahrten sind mit voller Kraft zurück, sagt Tui-Deutschlandchef Stefan Baumert, die Standards in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz steigen.
Herr Baumert, die Tui als größter Reiseveranstalter der Welt ist durch die Corona-Pandemie schwer getroffen worden. Wie läuft das Geschäft für diesen Sommer?
Gut, die Nachfrage nach Reisen ist groß, die Menschen haben wieder so frühzeitig gebucht wie lange nicht. Wir haben sogar in einigen Urlaubsregionen Kontingente nachbestellt, um auch denjenigen, die erst jetzt ihren Sommerurlaub buchen, noch eine schöne Reise zu ermöglichen. Gefragt sind vor allem Ziele rund ums Mittelmeer, allen voran Mallorca, die Türkei und die griechischen Inseln mit Kreta, Rhodos oder Kos. Hier sehen wir Besucherrekorde und haben unser Angebot entsprechend noch einmal kräftig ausgebaut.
Wie haben sich die Preise angesichts der hohen Inflation entwickelt? Gibt es Länder, die erheblich teurer geworden sind?
Die Inflation geht natürlich auch an den Reisepreisen nicht vorbei. Die gute Nachricht ist aber, dass sie sich unterhalb der Gesamtinflationsrate entwickeln. Auch gibt es Ziele, in denen es nur marginale Erhöhungen gibt, wie beispielsweise Fuerteventura, Tunesien, Zypern oder in der Ferne Mauritius und Thailand. Am stärksten betroffen sind Dollar-Ziele wie beispielsweise die USA. Gerade im amerikanischen und karibischen Raum beobachten wir zudem eine hohe Nachfrage von Amerikanern und Kanadiern, die auf gleiche Hotelkontingente zugreifen.
In welche Richtung geht der Trend bei Urlaubsreisen? Wird mehr gespart vor dem Hintergrund der Inflation?
Nein, am Urlaub wird nicht gespart, die Kunden geben weiterhin mehr Geld für ihre Reise aus und auch die Reisedauer ist nach wie vor länger als noch vor drei Jahren. Die Menschen reisen aber auch innerhalb ihres Budgets. Der ein oder andere bucht anstelle einer Fernreise einen Trip auf die Kanaren, nach Ägypten oder die Kapverdischen Inseln. Auch das Luxussegment rund um unsere Marke Airtours entwickelt sich hervorragend. Der Sommer 2023 zeigt den hohen Stellenwert von Reisen für die Menschen.
Besonders Fluggesellschaften und Flughäfen haben ihr Personal während der Pandemie stark zurückgefahren. Es werden lange Schlangen an den Abfertigungsschaltern der großen Flughäfen erwartet. Beteiligen sich die Reiseveranstalter an der Problemlösung?
Vieles spricht dafür, dass der Ablauf in diesem Sommer reibungsloser sein wird als vergangenes Jahr. Flughäfen, Bodenabfertigung, Sicherheitskontrollen und Wartung haben sich vorbereitet und werden die bekannten Peaks beim Passagieraufkommen besser abfedern. Auch wir sind weiterhin gut vorbereitet. Unsere eigene Airline Tui Fly hat ausreichend Flugpersonal, einen stabilen Flugplan, und konzernweit halten wir sogar elf Flugzeuge in Bereitschaft.
Auch Ihre eigene Fluggesellschaft Tui Fly hat Kapazitätsprobleme, da die Flotte während der Pandemie verkleinert wurde. Aber jetzt müssen Sie auch Fluggesellschaften aus osteuropäischen Ländern einsetzen, deren Qualitätsstandard geringer ist als bei der Tui Fly.
Nein, dies ist nicht korrekt. Wir haben die Zahl der Flugzeuge, die für die Tui Deutschland fliegen, nicht reduziert. Insgesamt 23 Maschinen setzt die Tui Fly in Deutschland ein und fliegt damit nach Spanien, Griechenland, Portugal, Ägypten, Tunesien, Zypern, die Kapverden oder an die türkische Riviera. Diese Flüge führen wir alle selbst durch und setzen nur dann externe Partner ein, wenn ein Flugzeug außerplanmäßig mal länger nicht verfügbar sein sollte. Dies ist natürlich auch im Sinne der Gäste, damit die Reise in den Urlaub trotzdem stattfinden kann.
Die Tui gehört mit „Mein Schiff“ zu den großen Anbietern im Kreuzfahrtgeschäft. Während der Pandemie waren die Buchungseinbrüche dort besonders groß. Gehören Kreuzfahrten jetzt wieder zu den großen Wachstumstreibern?
Kreuzfahrten sind mit voller Kraft zurück, das Segment ist nach wie vor ein Wachstumsfeld mit einer hohen Anziehungskraft auf die Menschen. Es ist gleichzeitig spannend und bequem. Man nimmt das Hotelzimmer mit und sieht jeden zweiten Tag etwas Neues. Unsere Schiffe sind ja all inclusive, damit ist das Preis-Leistungs-Verhältnis unschlagbar. Wir sind sehr früh in Themenkreuzfahrten eingestiegen. Dadurch können wir neue Kundensegmente erschließen. Das kann man beliebig weiterentwickeln.
Angesichts der weltweiten Umweltdiskussion stehen Kreuzfahrten häufig in der Kritik der Umweltschützer. Wie gehen Sie mit diesem Thema um?
Wir haben klare Ziele im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks bei Reisen in allen Bereichen entlang der Reisekette. Auch das Thema Kreuzfahrten spielt hier eine zentrale Rolle. Wir planen, spätestens 2030 die ersten klimaneutralen Kreuzfahrtreisen anzubieten. Zusätzlich gehen wir in die Produktion von Green Fuel, Bioenergie aus organischen Abfällen. Und Methanol, ein Wasserstoff-Derivat. Es gibt noch viele weitere Lösungen. Die „Mein Schiff 7“ wird mit emissionsärmerem Marinediesel – Schwefelgehalt: 0,1 Prozent – betrieben und ist mit Katalysatoren – Stickoxidminderung: rund 75 Prozent – sowie einem Landstromanschluss ausgestattet. Das sichert einen fast emissionsfreien Schiffsbetrieb während der Hafenliegezeit, was etwa 40 Prozent der Betriebszeit ausmacht. Ohnehin erfüllen die Schiffe von Tui Cruises höchste Nachhaltigkeitsstandards: Die Hilfsmaschinen an Bord, die im Hafen während der Liegezeit laufen, erreichen dank der eingebauten Katalysatoren schon seit 2014 mit der Indienststellung der „Mein Schiff 3“ den Tier-III-Standard für Stickoxid-Emissionen. Der auf allen Neubauten eingebaute Hybrid-Scrubber filtert bis zu 99 Prozent der Schwefelemissionen und 60 Prozent des Feinstaubs.
Zurück zum Sommer 2023: Früher hat es sich oft gelohnt, zu pokern und auf Last-Minute-Angebote zu warten. Was gilt für den Sommer 2023?
Auch in diesem Sommer wird es natürlich Last-Minute-Angebote geben, aber weniger als früher und keine Flut an Sonderpreisen. Unsere Empfehlung an die Gäste ist mehr denn je, den Sommerurlaub jetzt zu buchen. Wer zu lange wartet, riskiert, keine Auswahl mehr zu haben. Oftmals sind dann der Wunschtermin, die bevorzugte Zimmerkategorie oder der Wunschflughafen ausgebucht.
Welche Bedeutung haben tagesaktuelle Angebote?
Tagesaktuelle Angebote sind heute natürlich nicht mehr wegzudenken. Wir bieten zu jeder Zeit über sechs Milliarden verschiedene Kombinationsmöglichkeiten für Urlaubsreisen an – und das zu ganz aktuellen Preisen.
Der Online-Markt bei Urlaubsreisen wächst stetig weiter. Wie lange wird es vor diesem Hintergrund noch Reisebüros geben, und was müssen die leisten?
Reisebüros werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, weil viele Kunden den persönlichen Kontakt und die Expertise einer professionellen Reiseberatung schätzen. Auch der Reisebüro-Markt legt wieder zu. Erfolgreiche Reisebüros nutzen die Digitalisierung, um sich noch individueller auf Kundenwünsche einzustellen. So vereinbaren sie beispielsweise auf Wunsch Online-Termine und beraten Kunden per Video. Wir setzen auf die enge Vernetzung von On- und Offline. Unsere Urlauber bekommen damit alles aus einer Hand und zwar genau da, wo sie es gerade suchen.
Ein Blick über den Sommer hinaus: Wie entwickelt sich der Fernreisemarkt und wie ist dort die Preisentwicklung?
Inflation und Wechselkursschwankungen beeinflussen das Segment natürlich mehr, weil der Fluganteil hier stärker ins Gewicht fällt. Dennoch sehen wir auch für Fernreisen eine stabile Nachfrage. Für einige Destinationen wie etwa die Malediven oder auch Sansibar verzeichnen wir sogar ein Allzeithoch. Auch Mauritius, die Dominikanische Republik, Mexiko und Thailand erfreuen sich einer starken Nachfrage. Top-Fernreise-Destination bleiben die USA mit dem größten Gästevolumen.