Der Dehoga Saarland hat einen neuen Vorstand gewählt – und das zu einer Zeit, die für die Hotel- und Gastronomiebranche eine Vielzahl Probleme bereithält. Der neue Präsident Michael Buchna und Vize-Präsident Irakli Gogadze stellen sich der Aufgabe, die Branche nicht nur durch die Krise, sondern auch durch deren Folgen zu begleiten.
Herr Buchna, Herr Gogadze, Gastronomen und Hoteliers haben schwere Monate hinter sich. Wie geht es der Branche im Moment?
Michael Buchna: Das ist sehr vielfältig. Man kann da keinen geraden Strich ziehen. Es geht in der Realität sehr unterschiedlich zur Sache. Nach wie vor sind viele Betriebe in ihrer Existenz bedroht. Das sind persönliche Schicksale, um die es da geht. Das besorgt unser Präsidium sehr. Auch große Betriebe haben Probleme, große Häuser, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie jemals in finanzielle Schieflage geraten würden. Es gibt Bereiche, wie der touristische Bereich auf dem Land, die funktionieren. Zwar nicht mit der Auslastung, wie es mal der Fall war, aber dort ist eine Erholung spürbar. In der urbanen Struktur sieht es wiederum sehr bitter aus. Rund ein Drittel der Gäste fehlen in Hotels, Gaststätten und Kneipen.
Irakli Gogadze: Auch die kommende Zeit sieht nicht besser aus. Wir denken, dass dort auch noch mehr Probleme auf die Branche zukommen werden. Wir sind alle in einem Lernprozess. Die Branche muss sich umstrukturieren. So wie es einmal gelaufen ist, wird es nicht mehr laufen. Daher müssen wir alle umdenken und neue Ideen entwickeln, um nach vorne zu kommen.
Wie sieht diese Umstrukturierung aus?
Buchna: Wir lernen jetzt, wie der Kunde oder der Gast mit dieser neuen Situation umgeht. Ein Drittel ist gar nicht erst da. Manche sind vorsichtiger, andere aber auch unbedenklicher. Die handeln, als ob nie etwas gewesen wäre. Da muss man einen Mittelweg finden. Auf der einen Seite muss man für Genuss und Wohlbefinden sorgen, auf der anderen aber auch Sicherheit und Infektionsschutz gewährleisten. Es gibt aber auch andere Aspekte, in denen die Betriebe sich zukünftig verändern müssen. Das Präsidium hat sich darüber auch schon viele Gedanken gemacht und das auch auf eine Agenda geschrieben, die wir zurzeit entwickeln. Dehoga 2030 soll der Name der Agenda sein. Darin wollen wir erarbeiten, wie Gastronomie und Hotellerie 2030 im Land aussehen soll. Sie soll touristischer sein, soll aber auch die Convention-Kompetenz der Landeshauptstadt ausbauen und eine stärkere Verknüpfung des Tourismus im ganzen Land bewirken. Es sind im Prinzip viele alte Themen, aber diese müssen nun neu aufgearbeitet werden. Das ist auch unser Appell an die Politik und die Verantwortlichen. Dass wir uns gemeinsam auf eine gute Zukunft vorbereiten.
Gogadze: Was die Zeit nun auch wieder bestätigt hat, was wir aber auch vorher schon gefordert haben, ist, dass der Tourismus mehr gefördert werden muss. Urlaub zu Hause ist im Moment durch Corona sehr präsent. Das müssen wir als Chance nutzen, unser Land touristisch weiterzuentwickeln, damit uns diese Gäste erhalten bleiben, aber auch viele andere in Zukunft zu uns kommen werden. Tourismus wird die Zukunft der Hotellerie und Gastronomie sein. Davon profitieren am Ende alle.
Kann Tourismus somit auch eine Chance für das Saarland sein, Stichwort Strukturwandel?
Gogadze: Auf jeden Fall! Mit Hinblick auf den Strukturwandel erst recht.
Buchna: Das Saarland hat das große Glück, bisher ein Mauerblümchen des deutschen Tourismus zu sein. Es war immer eine Art kleiner Geheimtipp, aber verbunden mit einer ganz besonderen Leistung, die das Saarland bringt. Der Saarländer an sich hat einen besonderen, genussvollen Charme. Dazu haben wir wunderschöne Landschaften. Und ganz ehrlich: Der St. Johanner Markt oder die Saarlouiser Innenstadt, da ist es so schön. Das gepaart mit einem solchen gastronomischen Genuss und unserer Lebensart, das findet man nicht oft in Deutschland. Und langsam wird das auch von anderen entdeckt.
Gogadze: Diese Stärke von Genuss und Lebensart, dieses Unbeschwerte. Das ist auch unmittelbar mit der Gastronomie und Hotellerie verbunden.
Gerade im urbanen Raum leben viele Hotels von Geschäftsreisenden und Tagungen – wird dieser Bereich weiter einbrechen?
Buchna: Der Geschäftstourismus und der Tagungsbereich haben eine Depression erlebt. Viele Firmen planen aktuell keine Tagungen mehr. Aber dieses gemeinsame Treffen von Menschen untereinander, um über betriebliche Dinge zu sprechen und sich gegenseitig zu motivieren, das wird nicht verschwinden. Diese Depression wird vielleicht ein oder zwei Jahre halten, aber das Bedürfnis nach persönlichem Kontakt wird bleiben.
Gogadze: Es wird bleiben, aber es wird sich verändern. Es wird nicht mehr so häufig stattfinden, wie in der Vergangenheit. Videokonferenzen und Telefonkonferenzen sind ein Teil unserer Geschäftswelt geworden.
Nun sind Sie beide Hoteliers: Wie haben Sie die Hochphase der Corona-Krise erlebt?
Buchna: Ich hatte noch nie eine so schöne und gelassene Zeit. Das sage ich als Familienvater. Ich habe noch nie so viel Zeit für meine Familie gehabt. Aber all das war auch immer von einer Bitternis begleitet, nämlich jener, dass ich mir zunehmend Sorgen um den Betrieb gemacht habe. In den ersten 14 Tagen stand ich unter einem regelrechten Glücksschock über die neu gewonnene Freizeit, aber dann fing die Grübelei an. Die Mitarbeiter waren geschockt über die Situation. Erst Stück für Stück ist einem das Ausmaß bewusst geworden.
Gogadze: Bei mir war es ein bisschen anders. Wir hatten das Haus durchgehend offengelassen und uns durch diese außergewöhnliche Zeit gekämpft. Das ist allerdings auch eine ganz andere Verantwortung gegenüber der Mitarbeiter, die zum Teil auch sehr verunsichert waren. Da gab es viele offene Fragen: Wie geht es weiter? Was ist mit unserer Gesundheit? Wie schützen wir uns, aber auch unsere Gäste?
Wie hat sich denn die Arbeit in dieser Zeit verändert?
Gogadze: Der Rest des Landes war quasi stillgelegt. Das war schon sehr außergewöhnlich. Trotzdem mussten wir unsere Mitarbeiter weiter motiviert halten und weiter gute Laune vermitteln. Wir mussten hier morgens mit einem Lächeln hereinkommen, obwohl es eigentlich nichts zum Lächeln gab. Der Mensch gewöhnt sich aber an alles. Wir haben mittlerweile gelernt, mit Corona zu leben. Allerdings müssen wir weiterhin Hygiene und Schutzmaßnahmen einhalten und dürfen da nicht nachlässig werden. Alles andere wäre kontraproduktiv, und wir wollen alle nicht mehr an diesen Punkt zurück.
Für viele Betriebe bedeutete der Lockdown große finanzielle Probleme, für nicht gerade wenige sogar die Insolvenz. Überlebt die Branche eine zweite Welle?
Gogadze: Ich denke, dass eine zweite Welle kommen wird. Allerdings haben wir in der Vergangenheit viel darüber gelernt, wie wir damit umgehen können. Wir hoffen, dass, wenn jeder die Vorschriften und Hygienemaßnahmen einhält, wir auch möglichst gut durch eine zweite Welle kommen können. Wenn wir uns aber nicht daran halten und es zu einem zweiten Lockdown kommen würde, dann wäre die Sache viel, viel schwieriger. Gäste, Mitarbeiter und Branche müssen sich gegenseitig schützen.
Ein umsichtiges Verhalten ist ja nicht nur Sache der Mitarbeiter, sondern auch der Gäste …
Buchna: Ich wünsche mir von meinen Gästen, dass sie gemeinsam mit den Betrieben diese teilweise auch aufwendigen Schutzmaßnahmen wie Registrierung, Mundschutz und Desinfektion, auch mittragen. Die meisten haben damit auch gar kein Problem. Sie machen das nicht nur für sich, sondern auch für unsere Branche. Die Leute wünschen sich ja auch, die gastronomischen Angebote oder auch die Hotellerie nutzen zu können. Die Branche hatte bereits einen Crash, nach welchem sie nun schwer verletzt ist. Nach einem zweiten schweren Unfall würde sie vermutlich den Löffel abgeben.
Draußen wird es langsam kühler und somit wird sich der Betrieb in Gaststätten auch wieder mehr in die Innenräume verlagern. Gleichzeitig gab es aber beispielsweise in Saarbrücken eine Absage für die Nutzung von Heizpilzen.
Buchna: Jetzt muss man auch mal ganz klar sagen, dass es für uns Wirte nicht allein um die Nutzung von Heizpilzen geht. Da geht es um Windschutz, um Pavillons. Da gibt es viele – auch ökologisch gute – Möglichkeiten, wie man einen Platz wärmer machen kann. Außerdem ist es so, dass auch in Saarbrücken Heizpilze aufgestellt werden dürfen. Nämlich dann, wenn der Platz privat ist oder dem Betrieb gehört. Es geht bei dem Stadtratsbeschluss nur um die öffentlichen Bereiche, die der Stadt gehören. Daher wird das in Saarbrücken sehr unterschiedlich aussehen. Das ist eigentlich der große Quatsch an dieser Entscheidung. Da müsste es doch eine gemeinsame Entscheidung aller Beteiligten geben. Andere Städte, zum Beispiel Wadgassen, haben hingegen gesagt, sie erlauben auch auf ihren öffentlichen Plätzen Heizpilze. Wie schon gesagt: Es geht nicht nur um Heizpilze! Aber wir müssen Lösungen finden, die Gäste so lange wie möglich im Außenbereich halten zu können.
Gogadze: Im Sinne der Infektionsprävention ist es ja auch besser, den Menschen Möglichkeiten zu bieten, sich länger draußen aufhalten zu können. Wir müssen aber auch an unsere Gastronomen denken, die in ihren Innenräumen nur knapp 30 bis 40 Prozent ihrer Kapazitäten nutzen können. Entsprechend fällt dann der Umsatz aus. Deswegen haben wir nicht nur für den Heizpilz oder für Pavillons appelliert, sondern dafür, dass alle Maßnahmen, die dabei helfen können, die Außensaison zu verlängern, unbürokratisch und locker umzusetzen sind.
Um Gastronomen finanziell zu unterstützen, wurde die Mehrwertsteuer für Speisen auf fünf Prozent gesenkt. Eine Senkung war ja auch schon lange vor Corona eine Forderung des DEHOGA …
Buchna: Alle Landesverbände des Dehoga kämpfen schon seit Jahrzehnten für eine Eingliederung in den günstigeren Mehrwertsteuersatz. Weil wir damals schon erkannt haben, dass die Bedeutung von Lebensmitteln, von Einkauf und von Verkauf, einem besonderen Trend ausgesetzt war. Unser ganzes System des Essengehens ist leider sehr preisorientiert. Aus diesem Grund gehen viele lieber etwas günstiger Essen. Aber die Qualität ist ja nicht nur davon abhängig, wie etwas gekocht wird, sondern auch davon, wo die Produkte herkommen. Deswegen ist es auch so wichtig, dass diese Lebensmittel aus der Region in der Gastronomie im Saarland vermarktet werden. Damit ist schon einmal sichergestellt, dass es frische Lebensmittel sind. Diese müssen handwerklich zubereitet werden und von einem Kellner serviert werden, der Gastfreundlichkeit beherrscht. Diese Wertschätzung muss sich dann aber auch in der Mehrwertsteuer wiederfinden. Daher muss diese Senkung – dabei meine ich die sieben Prozent – auch nach dem 30. Juni nächsten Jahres vorhanden bleiben. Andernfalls wird die Weiterentwicklung der Gastronomie nicht ausreichend gefördert. Die fünf Prozent dienen dazu, aufrechtzuerhalten, dass auch konsumiert wird. Das soll eine kleine Vergünstigung sein. Aber die sieben Prozent geben dem Gastronom die Möglichkeit, frische Lebensmittel einzukaufen und trotzdem ertragreich an den Kunden weiterzuverkaufen.
Gogadze: Die Schulden, die heute durch die Geschäftsausfälle angehäuft werden, müssen in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, zurückgezahlt werden. Daher ist es existenziell, die Mehrwertsteuersenkung weiter fortzuführen. Das wäre eine große Hilfe, um zu vermeiden, dass viele Geschäfte schließen müssen.
Buchna: Das ist aber oftmals auch eine sehr ideologische Entscheidung der Parteien.
Wie meinen Sie das?
Buchna: Die einen finden die Senkung super. Andere sind dagegen, weil sie der Unternehmerschaft nicht so viel Gewichtung geben wollen. Die Gewerkschaften sind aber auf unserer Seite, was diese Mehrwertsteuerregelungen betrifft. Denn da geht es um das Überleben von Arbeitsplätzen.
Sie haben die geplante Agenda für die kommenden Jahre bereits zu Beginn unseres Gesprächs angesprochen. Wie soll es denn werden, das Saarland im Jahr 2030?
Buchna: Unsere Agenda stellt fünf Themen in den Vordergrund: Qualität und Ausbildung, Tourismusförderung, Nachhaltigkeit, digitale Transformation und die Würdigung der Arbeit und Branche. Qualität und Ausbildung steht für uns auf Platz eins. Das wird das Thema. Ja, das sind teilweise alte Themen, aber alle Bereiche müssen jetzt anders und neu angegangen werden. Die Ausbildung ist das Wesentlichste. Dabei geht es nicht nur darum, wie die Ausbildung ausgestaltet ist, sondern auch darum, Menschen – junge Menschen – davon zu überzeugen, dass sie bei uns eine Karrierechance haben.
Gogadze: Die Victor’s Hotelgruppe bietet zum Beispiel jungen Menschen, die die Vorqualifikationen hierfür haben, die Chance auf ein duales Studium. Es gibt auch ein sogenanntes Top-Ausbilder-Siegel, für welches bestimmte Auflagen erfüllt sein müssen. Da machen aber auch leider die wenigsten Unternehmen mit …
Buchna: Wenn wir ein touristischer Standort werden wollen, dann müssen wir generell auch weiter an der Qualität unserer Arbeit arbeiten.
Das geht ja auch ein bisschen mit dem Punkt der Würdigung der Arbeit und Branche einher, oder?
Buchna: Bei der Würdigung der Berufsbilder geht es uns insbesondere darum, dass nicht jeder einfach einen Gastronomiebetrieb öffnen kann, sondern dass es auch bei Quereinsteigern gewährleistet ist, dass diese ausreichend ausgebildet und geschult werden.
Gogadze: Wir müssen es schaffen, das Image der Branche wieder zu stärken und es schaffen, dass man stolz darauf sein kann, in einer Dienstleistungsbranche zu arbeiten. Wir müssen stolz darauf sein, Dienstleister zu sein.
Nachhaltigkeit ist ein häufig benutztes Wort. Was verstehen Sie genau darunter?
Buchna: Es geht darum, unsere Betriebe nicht nur in den Fragen Energie, Arbeitsschutz, Hygiene oder Müllproduktion zu unterstützen, sondern darum, ein gesamtheitliches Beobachtungssystem einzuführen, in welchem die Firmen sich nachhaltige ökologische, aber auch ökonomische Ziele geben. Wir müssen unsere Branche dazu bringen, dass sie auch in der notwendigen gesellschaftlichen Entwicklung nachhaltig zu denken und nachhaltig zu wirtschaften teilhat. Da darf die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen aber auch nicht außen vor sein, das muss miteinander einhergehen.
Auch von digitaler Transformation sprechen aktuell viele – was bedeutet es für die Hotellerie und Gastronomie?
Buchna: Damit meinen wir, dass wir die Gäste und auch die Mitarbeiter bei der digitalen Weiterentwicklung begleiten müssen. Wir brauchen also eine Transformation der Branche in diese neue Zeit der Digitalisierung. Wir haben Betriebe, die sind dort super aufgestellt, wir haben aber auch solche, die da noch in der Steinzeit leben. In manchen Betrieben ärgert sich der Chef, dass die Mitarbeiter ein Handy dabeihaben. Dabei sollten wir diese Instrumente soweit sie im arbeitsrechtlichen Maße möglich sind, nutzen.