Marcel Hirscher und Anna Veith (beide Österreich), Ted Ligety (USA) und Lara Gut (Schweiz) oder der Deutsche Fritz Dopfer: Sie alle hatten zuletzt mit Verletzungen zu kämpfen. Nun feiern sie ihr Comeback im alpinen Ski-Weltcup, der im Olympiawinter so spannend werden könnte wie lange nicht mehr.
Lange hatte Aksel Lund Svindal auf diesen Moment gewartet. Zwei Seuchenjahre lagen hinter dem fünffachen Weltmeister und Super-G-Olympiasieger der Spiele von 2010 in Vancouver (Kanada), als er im Sommer zum ersten Mal wieder auf Skiern stand, sieben Monate nach seiner Knie-OP. Und dann das: Der erste Tag sei „schrecklich" gewesen, bekannte der 34-Jährige auf seiner Facebook-Seite. So groß die Vorfreude auch gewesen war: Selbst einem solch erfolgreichen Skirennläufer wie Svindal brennen nach den ersten Einheiten die Beine. Beim Weltcup-Auftakt am 29. Oktober am Rettenbachgletscher in Sölden (Österreich) wird der Norweger noch nicht dabei sein. Svindal will erst Mitte November in Lake Louise (Kanada) wieder ins Weltcup-Geschehen eingreifen.
Es ist nicht das einzige große Comeback in dieser Saison. Rechtzeitig zum Olympiawinter kehren gleich mehrere Alpin-Asse auf die Piste zurück. Die neue Saison verspricht somit eine der spannendsten in der jüngeren Vergangenheit zu werden. Im Lager der deutschen Skifahrer freut man sich dabei vor allem auf die Rückkehr von Fritz Dopfer. Der Slalom-Vizeweltmeister von 2015 hatte sich vor knapp einem Jahr bei einem Sturz im Training im Zillertal (Österreich) einen Schien- und Wadenbeinbruch zugezogen – nach nur zwei absolvierten Rennen war die Saison für ihn gelaufen. Nun ist er wieder da, doch wann genau er wieder an den Start gehen wird, ist noch offen. „Ich kann nicht abschätzen, wann und wo und wie es losgeht", erklärte der 30-Jährige gegenüber dem „Münchener Merkur". Er habe immer noch Schmerzen und werde bei keinem Rennen starten, solange er nicht zu 100 Prozent schmerzfrei sei, so Dopfer.
Das Comeback von „Mister Riesenslalom" Ted Ligety wird dagegen definitiv in Sölden stattfinden. Der US-Amerikaner, dreifacher Weltmeister und Olympiasieger 2014 in dieser Disziplin, hatte sich ebenso wie Svindal im Januar 2016 am Knie verletzt. Nachdem er zwischenzeitlich in den Weltcup-Zirkus zurückgekehrt war, musste er sich wegen anhaltender Schmerzen Anfang des Jahres ebenfalls operieren lassen.
„Die Pause war nicht schlecht"
„Im Nachhinein war die Pause vielleicht gar nicht schlecht. So konnte ich etwas Abstand zum Skifahren gewinnen, um danach mit neuer Motivation zurückzukehren", sagte Ligety, der nun bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang sein drittes Olympiagold gewinnen will. Scherzhaft fügte er hinzu: „Statistisch gesehen hat man mit einem Kreuzbandriss eine bessere Chance, eine Goldmedaille zu gewinnen, als mit einem gesunden Knie."
Noch gar nicht lange her ist die Verletzung von Marcel Hirscher (Österreich). Der sechsmalige Gesamtweltcupsieger hatte erst Mitte August im Training einen Bruch des linken Außenknöchels erlitten und musste deshalb sechs Wochen lang einen Gips tragen. „Er hat noch Glück im Unglück gehabt. Es hätte auch eine schwerere Verletzung passieren können", sagte der österreichische Cheftrainer Andreas Puelacher. So aber blieb Hirscher auch nach dem Malheur weiter optimistisch: „Um Pyeongchang mache ich mir überhaupt keine Sorgen!", so der 28-Jährige in einem Blogeintrag.
Ursprünglich hatte er angekündigt, erst Ende Oktober wieder mit dem Training beginnen zu wollen, um Anfang Dezember mit den Rennen in Übersee wieder in den Weltcup einzusteigen. Doch dann postete Hirscher bereits am 11. Oktober ein Video, das ihn zurück auf der Piste zeigte, dazu den Kommentar „Starten statt warten". Der Österreicher kann es offenbar kaum erwarten, endlich wieder dabei zu sein. Mittlerweile ist nicht mehr ausgeschlossen, dass er schon Mitte November beim Slalomrennen in Levi (Finnland) sein vorzeitiges Comeback feiert.
Das ändert jedoch nichts daran, dass Marcel Hirscher in diesem Jahr mit einem großen Nachteil in die Saison geht. Aufgrund seiner Verletzung hatte er bislang kaum Gelegenheit, die neuen kürzeren Riesenslalom-Skier auszuprobieren. Noch kurz vor seinem Ausfall hatte er gegenüber dem Onlineportal „Laola1.at" erklärt: „Würde ich morgen einen Trainingslauf mit ihnen fahren, wäre ich Letzter." Hirscher hatte sich nach Abschluss der vergangenen Saison eine außergewöhnlich lange Pause gegönnt, um auch mal auf andere Gedanken zu kommen. Gerade als er dann anfangen wollte, das neue Material intensiv zu testen, ereilte ihn der Knöchelbruch.
Falls er jedoch auch diese Herausforderung meistern würde, dann wäre er wohl endgültig einer der größten Skifahrer aller Zeiten. Bislang, so merkte der österreichische Journalist Matthias Nemetz an, stünde Hirscher trotz seiner Erfolge – neben den sechs Gesamtweltcupsiegen auch insgesamt sechs Mal WM-Gold – in der öffentlichen Wahrnehmung hinter Hermann Maier. „Der Grund: Maiers ,Rocky‘-Story. Vom Maurer zum Ski-Star, vom Jahrhundertsturz in Nagano zu Olympia-Doppelgold und von einer nur um ein Haar verhinderten Beinamputation zurück an die Spitze der Ski-Welt. Diese bewegende Story, die damit verbundene Emotionalität fehlt Hirscher", so Nemetz in seinem Kommentar. Mit einem erneuten Triumph nach seiner Verletzung könnte er sich jedoch unsterblich machen.
Das weibliche Pendant zu Marcel Hirscher war in der Vergangenheit Anna Veith – vielen wohl eher bekannt unter ihrem früheren Namen Anna Fenninger. Die Österreicherin holte 2014 und 2015 jeweils den Gesamtweltcup, ehe sie sich kurz vor Beginn der Saison 2015/16 schwer am Knie verletzt hatte. Nach einem Jahr Pause, in dem sie unter anderem heiratete, kehrte sie Anfang 2017 zurück, doch eine Entzündung der Patellasehne zwang sie zu einer weiteren Operation. Auch für sie bedeutet die kommende Saison einen Neuanfang. Dabei will Veith allerdings nichts überstürzen. „Ich bin jetzt vielleicht bei 70 Prozent", erklärte sie Mitte Oktober. Sie will sich zunächst auf die Speed-Disziplinen konzentrieren. „Priorität ist Super-G, später dann auch Abfahrt", sagte die 28-Jährige. „Ich kann jetzt nicht drei Disziplinen gleichzeitig aufbauen. Das funktioniert nicht. Ich muss mich jetzt einmal auf was konzentrieren.Wenn das gut läuft, dann kann man weiterdenken." Vor Anfang Dezember in Lake Louise wird sie aber wohl definitiv nicht an den Start gehen.
Das Rennen in den kanadischen Rocky Mountains könnte somit zum Stelldichein der Stars werden. Auch einige andere Skifahrerinnen, die zuletzt pausieren mussten,
planen ihr Comeback am ersten Adventswochenende. Nadia Fanchini aus Italien zum Beispiel, zweifache WM-Medaillengewinnerin in der Abfahrt, oder auch Eva-Maria Brem (Österreich), die Siegerin im Riesenslalom-Weltcup 2016. Sie hatte sich im vergangenen November beim Training das Schien- und Wadenbein gebrochen und war für die gesamte Saison ausgefallen. In Kanada will sie sich nun zurückmelden.
Ebenfalls in Übersee, allerdings etwas weiter südlich und auf der anderen Seite des nordamerikanischen Kontinents, wird Lara Gut ihr Comeback geben. Am 25. November will die Schweizerin beim Weltcup in Killington im US-Bundesstaat Vermont an den Start gehen. Die Gesamtweltcupsiegerin von 2016 und Olympiadritte in der Abfahrt 2014 in Sotschi (Russland) war im vergangenen Februar bei den Weltmeisterschaften im eigenen Land schwer gestürzt: Beim Einfahren für den Kombinationsslalom zog sie sich einen Riss des vorderen Kreuzbandes im linken Knie zu, nachdem sie nach der Abfahrt noch klar auf Medaillenkurs gelegen hatte. Wenige Tage vorher hatte sie bei den Titelkämpfen in St. Moritz zudem Bronze im Super-G gewonnen.
„Mehr auf meinen Körper achten"
Seit Anfang September steht Lara Gut nun wieder auf Skiern. In dieser Saison will sie sich auch häufiger mal eine Pause gönnen und nicht mehr wie früher so viele Rennen wie möglich bestreiten. „Ich werde mir meine Pausen nehmen", sagte sie Ende September bei ihrem ersten Medienauftritt nach dem Unfall bei der WM. „Nicht wegen meines Knies, sondern dank meines Knies. Die Verletzung hat mich gelehrt, dass ich mehr auf mich und meinen Körper achten muss", so die 26-Jährige. Eines aber hat sich nicht verändert: ihre Liebe zum Skirennsport. Anders als Aksel Lund Svindal würde Gut eine Trainingseinheit wohl kaum als schrecklich bezeichnen. Gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung" verriet sie: „Nie bin ich so glücklich, wie wenn ich Ski fahre."