Ein Jahr nach Olympia gehen bei der Nordischen Ski-WM in Planica viele deutsche Athleten mit Medaillenambitionen an den Start. Doch die Konkurrenz ist groß, vor allem die traditionelle Ski-Nation Norwegen ist auf Gold programmiert.

Berlin – Planica – mit dem Namen verbinden Sportfans vor einem eines: spektakuläre Flug-Shows auf Skiern. Von 1987 bis 2012 wurden alle offiziellen Skiflug-Weltrekorde auf den riesigen Schanzen im Nordwesten Sloweniens gesprungen, ehe im norwegischen Vikersund der „Monsterbakken" entstand. Dort wurden die letzten fünf Weltrekorde aufgestellt. Neue Bestweiten werden bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften vom 23. Februar bis 6. März im slowenischen Planica zwar nicht erzielt, denn Skifliegen ist nicht Teil des Wettkampfprogramms. Dennoch ist die Vorfreude unter den Athleten, Fans und Verantwortlichen groß. Für Slowenien ist es das größte Ski-Sportereignis seiner Geschichte, und für die Teilnehmer das Highlight im nacholympischen Winter.
In den drei Sportarten Skispringen, Langlauf und Nordische Kombination werden bei den 54. Titelkämpfen Medaillen bei insgesamt 24 Entscheidungen vergeben. Das Mixed-Event der Nordischen Kombinierer feiert dabei seine Premiere. Ungewöhnlich ist, dass die längsten Langlauf-Rennen über 30 und 50 Kilometer im italienischen Tarvis starten, der Zieleinlauf ist dann in Planica. Ansonsten stehen die Bloudkova-Schanzen im Mittelpunkt, auf denen die Skispringer und Kombinierer ihre Sprünge absolvieren. Gelaufen wird im Langlaufstadion neben der Schanzenanlage. Das FORUM-Magazin gibt einen Überblick über die deutschen Chancen in den einzelnen Wettbewerben.
Skispringen (Männer)

Karl Geiger hat an die Schanzen von Planica gute Erinnerungen, hier krönte er sich vor drei Jahren erstmals zum Skiflug-Weltmeister, mit dem Team hatte er damals auch noch Silber gewonnen. Und nach einer Schaffenspause im Anschluss an eine veritable Ergebniskrise sieht es inzwischen so aus, als könnte der Oberstdorfer immerhin wieder in den Medaillenkampf eingreifen. Der fünfte Platz beim Comeback im Heimspringen in Willingen und die Ränge acht und vier in Lake Placid deuten auf eine klar ansteigende Formkurve hin. „Gelingt es, derartige Sprünge konstanter abzurufen als in der unmittelbaren Vergangenheit", sagte Geiger, „werde ich gut vorbereitet zur Weltmeisterschaft nach Slowenien anreisen".
Lange Zeit sah es so aus, als ob Geiger in diesem Winter überhaupt in die Spur finden würde. Nach einer größtenteils enttäuschenden Vierschanzentournee mit dem blamablen Qualifikations-Aus beim dritten Springen in Innsbruck schleppte der Olympia-Dritte die Probleme auch in die folgenden Wettbewerbe mit. Nach den Plätzen 20, 22 und 34 beim Weltcup im japanischen Sapporo zog Geiger die Notbremse und verordnete sich eine Wettkampfpause. Die nutzte der 30-Jährige, um daheim in Oberstdorf abgeschottet und hart an seinen Defiziten zu arbeiten und sein Fluggefühl zurückzufinden. Es scheint geklappt zu haben. „Ich habe viel und fleißig trainiert. Das hat mich gut vorwärts gebracht und war wichtig", sagte Geiger: „Ich fühle mich besser, ich habe wieder etwas mehr Sicherheit zurückgekriegt." Seine Sprünge seien wieder „auf einem guten Niveau", auch wenn Top-Leute wie der Norweger Halvor Egner Granerud oder der Pole Dawid Kubacki noch ein Stück weit entfernt sind. Aber Geiger weiß, wie man sich für Großereignisse auf den Punkt fit bekommt. Bei der vorangegangenen WM in seiner Heimat Oberstdorf hatte er gleich viermal Edelmetall abgeräumt. Für Bundestrainer Stefan Horngacher ist Geiger auch jetzt wieder ein heißes Eisen im Feuer – aber nicht das einzige.

Zuletzt hatte sich auch Andreas Wellinger von einem soliden Top-10-Springer wieder zu einem Podestanwärter gemausert. Bei seinem überraschenden Weltcupsieg in Lake Placid stand der Ruhpoldinger erstmals seit mehr als vier Jahren wieder auf dem Podium – und das sogar ganz oben. „Es ist unglaublich, was heute passiert ist", sagte Wellinger über das fast schon vergessene Triumphgefühl: „Ich habe brutal gekämpft die letzten Wochen, Monate und Jahre. Ich habe schon länger gewusst, dass ich gut drauf bin. Dass ich heute gewonnen habe, ist einfach so geilo." In der Vergangenheit hatten den Olympiasieger von 2018 schwere Verletzungen zurückgeworfen, jetzt ist er wieder ein Medaillenkandidat. Vor sechs Jahren gewann er im finnische Lahti sowohl von der Normal- als auch von der Großschanze WM-Silber – und jetzt?
Skispringen (Frauen)
Für Katharina Althaus lief die Saison bislang fast perfekt. Fünf Saisonsiege standen bei der Olympiazweiten bis Mitte Februar schon zu Buche, vor allem ihr persönlicher Rekordsprung zum Sieg-Hattrick in Willingen auf 149,5 Meter gibt ihr viel Rückenwind für die WM. „Ich freue mich riesig, das ist megageil", sagte die Oberstdorferin nach ihrem Riesensatz völlig euphorisiert: „Ich habe im Hang gemerkt: Boah, der geht richtig weit. Ich habe es einfach gefühlt."
Auch in Planica soll es für die 27-Jährige weit gehen. Ihre größten Konkurrentinnen sind die Weltcupführende Eva Pinkelnig aus Österreich, die Slowenin Ema Klinec und die konstant stark springenden Japanerinnen. Auch die Sächsin Selina Freitag, Schwester des im Vorjahr zurückgetretenen Skispringers Richard Freitag, rechnet sich im Optimalfall kleine Medaillenchancen aus.

Skilanglauf (Männer)
Alles andere als norwegische Festspiele in Planica bei den Langlauf-Herren wären eine Überraschung. Angeführt von Ausnahmeathlet Johannes Hoesflot Klaebo befinden sich fünf Norweger unter den besten Sechs der Wertung im Gesamtweltcup. Einzig der italienische Olympiazweite Federico Pellegrino kann bei dieser norwegischen Übermacht mithalten. Und die Deutschen? Sie spielen – wenig überraschend – keine Rolle, wenn es um Podestplätze geht. Der Memminger Friedrich Moch weiß in diesem Winter dennoch zu überzeugen, als einzigem DSV-Athleten ist ihm bei der WM eine Top-Ten-Platzierung zuzutrauen. Dass er dafür die Qualitäten hat, bewies er in der laufenden Weltcupsaison bereits.
Skilanglauf (Frauen)

Bei Olympia in Peking hatten die deutschen Skilangläuferinnen völlig überraschend abgeräumt – wiederholt sich die Erfolgsgeschichte ein Jahr später bei der WM? Zu erwarten ist das nicht, aber das Team von Teamchef Peter Schlickenrieder hat sich in diesem Winter zumindest wieder in eine gute Position gebracht. Katharina Hennig sorgte bei der Tour de Ski in Val di Fiemme für den ersten Weltcupsieg einer deutschen Langläuferin seit 2009, und auch die sprintstarke Victoria Carl präsentierte sich zuletzt in guter Verfassung. Carl und Hennig hatten in Peking sensationell Olympiagold im Teamsprint gewonnen und zählen auch in Planica zu den größten deutschen Hoffnungsträgerinnen.
Eine gute Chance auf eine Medaille gibt es vor allem in der Staffel – wenn denn diesmal alles glatt läuft. Beim Weltcuprennen im italienischen Toblach wurde der zweite Platz des DSV-Quartetts nachträglich aberkannt, weil Teamchef Schlickenrieder den krankheitsbedingten Ersatz von Coletta Rydzek zu spät gemeldet hatte. „Mein Fehler", entschuldigte sich der frühere Skilangläufer für den Fauxpas. Bei Olympia hatte die deutsche Staffel Silber geholt.
Nordische Kombination (Männer)
Die Heim-WM vor zwei Jahren in Oberstdorf verlief nicht ganz nach dem Geschmack der erfolgsverwöhnten deutschen Kombinierer, die ohne eine Einzelmedaille die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen konnten. Bei Olympia in Peking lief es besser, weil Vinzenz Geiger nach Platz elf von der Normalschanze in der Loipe auf phänomenale Art und Weise noch zu Gold gestürmt war. Geiger rechnet sich auch bei der Weltmeisterschaft Siegchancen aus, allerdings war der Bayer zuletzt gesundheitlich angeschlagen und musste deswegen den Heim-Weltcup in Oberstdorf auslassen. Bundestrainer Hermann Weinbruch betonte, dass es sich bei der Pause lediglich um eine „Vorsichtsmaßnahme" handele, ein WM-Start sei nicht in Gefahr.
Selbst wenn Geiger nicht in Topform antreten kann, hat Weinbruch kein Qualitätsproblem. Julian Schmid zeigte beispielsweise bei seinem Triumph in Oberstdorf, dass mit ihm zu rechnen ist. Auch Jakob Lange, Eric Frenzel, Fabian Rießle, Johannes Rydzek und Manuel Faißt sind Top-Kombinierer, die Weinbruch die Kader-Nominierung für den Saisonhöhepunkt nicht leicht gemacht haben. Die internationale Konkurrenz ist aber auch stark, allen voran der österreichische Weltcup-Gesamtführer Johannes Lamparter. Ob der „Kombi-König" der vergangenen Jahre, der Norweger Jarl Magnus Riiber, in Planica antritt, galt zuletzt als fraglich. Der viermalige Weltmeister kämpfte wochenlang mit Magenproblemen, die durch eine Parasiteninfektion ausgelöst wurden.

Nordische Kombination (Frauen)
Nicht nur bei den Männern, auch bei den Frauen stehen die Chancen auf Medaillen für Deutschland gut. Die WM-Generalprobe beim Heim-Weltcup in Schonach war verheißungsvoll: Nathalie Armbruster sicherte sich den dritten Rang, es war bereits ihr siebter Podestplatz in diesem Winter. „Meine Beine waren einfach nur tot. Am letzten Berg wurde ich vom Publikum hochgeschrien, sonst hätte ich die Energie nicht gehabt, noch zu einem Schlusssprint anzusetzen", sagte Armbruster hinterher. Tags zuvor war Jenny Nowak gar auf Platz zwei eingelaufen und hatte den ersten Top-Drei-Rang ihrer Karriere geholt.
Viel mehr als Silber oder Bronze scheint im Einzelwettbewerb nicht möglich zu sein, denn Gold dürfte für die in dieser Saison überragende Gyda Westvold Hansen reserviert sein. Die 20 Jahre alte Norwegerin hat alle neun Weltcuprennen für sich entschieden und nimmt auch in Planica ganz klar den Titel ins Visier.