Erfinden Frauen gerade die Mobilität neu? Ja, behauptet das Frauennetzwerk im Verein „Allianz pro Schiene". Es lobte deshalb in diesem Jahr erstmals den „Innovationspreis Mobilitätsgestalterin" aus.
Wenn sich der Verein „Allianz pro Schiene" präsentiert, sind fast nur Männer zu sehen. Dabei gibt es sie durchaus, die starken Frauen. Das 2015 gegründete Frauennetzwerk präsentiert sie stolz auf ihrer Webseite. Über den „Innovationspreis Mobilitätsgestalterin" sprach Regina Friedrich mit Jolanta Skalska vom Verein „Allianz pro Schiene" und mit Alexandra von Oy, Leiterin Public Affairs Deutschland bei Bombardier. Die beiden sind Sprecherinnen des Frauennetzwerkes.
Frau Skalska, Frau von Oy, wie entstand die Idee zu diesem Preis?
Skalska: Innovationspreise gibt es ja viele. Wir wollten das aktuelle Thema Innovation mit dem ebenso wichtigen Thema Frauen in der Branche zusammenbringen und zeigen, dass auch Frauen daran einen bedeutenden Anteil haben.
Finden denn Frauen im Beruf immer noch zu wenig Beachtung?
von Oy: Das kann ich so nicht sagen. Wir haben Frauen in technischen Berufen und in zentralen Innovationsprojekten. Sie sind in den Teams allerdings nicht in der Mehrheit und auch eher selten in Führungspositionen, leisten aber hervorragende Arbeit. Neu ist, dass es nun mehr Frauen sind, unter deren Namen eine Innovation eingereicht wird. Das wollen wir weiter fördern und möchten mit dem Preis den Frauen ein Podium geben.
Wie wurde der Wettbewerb aufgenommen?
von Oy: In den wenigen Wochen, in denen er läuft, wurde das begeistert aufgenommen. Viele Männer haben das vorher nicht gemacht. Nicht, weil sie etwas dagegen hätten, sondern weil sie gar nicht auf die Idee gekommen sind. Jetzt melden sie Mitarbeiterinnen zum Wettbewerb an. Und sie tun das gerne!
Dürfen sich Frauen auch selbst nominieren, wenn ihre Kollegen da etwas langsam sind?
von Oy: Natürlich, wir haben explizit hineingeschrieben: Frauen, traut Euch! Wir wollen ihnen Mut machen. Viele Frauen wissen, dass sie gut sind, sind es aber nicht gewohnt, im Rampenlicht zu stehen.
Skalska: Wir wollen auch Vorbilder schaffen gerade für die jüngeren Frauen.
Können Sie damit auch den Nachwuchs fördern?
von Oy: In der Tat. Wir als Industrie suchen dringend Nachwuchs, sowohl bei den Fach- als auch bei den Führungskräften. Leider ist der Frauenanteil an Uni-Absolventinnen wieder rückläufig. Es ist also wichtig, frühzeitig zu vermitteln, dass die Bahnbranche spannend ist und dass es dort keineswegs nur „Männerberufe" gibt. Deshalb engagieren wir uns seit 2003 beim Girls’ Day. Auch in diesem Jahr sind schon viele Angebote ausgebucht.
Skalska: Ja, das ist auch unser Fokus als Verband. Wir haben festgestellt, dass sich Frauen gern engagieren, wenn es um die Umwelt geht. Die Bahn ist der umweltfreundlichste motorisierte Verkehrsträger und bietet Frauen Jobs, in denen sie unsere Zukunft, unsere Lebensqualität und unsere Mobilität nachhaltig gestalten können.
Was Rollenbilder betrifft, hat die „Allianz pro Schiene" selbst noch einiges aufzuarbeiten – im Vorstand sind nur Männer.
Skalska: Das stimmt, leider. Wir hatten aber mal eine ganz tolle Frau in unserem Vorstand: Susanne Kortendick, ehemalige Personalchefin und im Vorstand bei Bombardier Transportation. Sie hatte übrigens die Idee zu dem Frauennetzwerk. Das ist unternehmensübergreifend, und wir bringen da Geschäftsführerinnen, Leiterinnen von Personalabteilungen, Führungskräfte aus der Kommunikation, der Strategie und viele andere zusammen.
Wie ist das in anderen europäischen Ländern?
von Oy: So ein Netzwerk hilft sehr, schließlich haben wir Frauen doch alle ähnliche Probleme oder Themen, die uns beschäftigen und über die wir uns austauschen wollen. Allerdings sind andere Länder schon viel weiter, etwa Großbritannien, Frankreich oder Skandinavien. Es hat sich gezeigt, dass die Frauen dort gemeinsam viel erreichen konnten. Netzwerke helfen ebenfalls, Coaches oder Mentorinnen zu finden, die Mut machen und anspornen. Auf einmal sagen Frauen: Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen, trotz und mit Familie und Kindern. Einiges hat sich in den vergangenen Jahren schon verändert. In unserem Unternehmen gibt es mittlerweile mehr Frauen, die wichtige Großprojekte leiten.
Aber ohne die Männer geht es auch nicht.
von Oy: Wir haben einen Chef, der erkannt hat, dass Frauen neue Perspektiven und Gedanken in die Teams einbringen. Man sagt uns Frauen eine größere emotionale Intelligenz nach. Das führt in der Teamarbeit häufig dazu, dass Frauen die Leute stärker mitreißen, dass sie flexibler sind und dass sie sich auf neue Herausforderungen besser oder anders einstellen können.
In der Ausschreibung zum Innovationspreis fragen Sie nach dem „weiblichen Blick auf die Mobilität". Was heißt das?
Skalska: In einem Bahnhof gibt es Tunnel oder schwer einsehbare Ecken. Der Bahnsteigwechsel mit Kinderwagen oder Fahrrad wird zu einem Hindernisparcours. Die Gepäckablagen in den Zügen sind sehr hoch angebracht. Männer sehen das nicht als Problem, Frauen schon. Es betrifft ja nicht nur sie, sondern auch Reisende mit Einschränkungen oder Ältere.
von Oy: Der weibliche Blick spielt auch in den Unternehmen eine große Rolle, wenn es beispielsweise um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Was tun, wenn das Kind krank ist oder Frauen wieder zurück in den Job wollen? Da fließen die Ideen von Frauen ein, aus denen entsprechende Modelle zum Beispiel für Arbeitszeitregelungen entwickelt werden.
Wie steht es denn mit Frauen in Mint-Berufen?
Skalska: Wir haben ein neues Projekt gestartet, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Im kommenden Jahr wollen wir eine Konferenz zum Thema „Mint-Einander im digitalen Wandel – Mobilität braucht Frauen" durchführen. Ziel ist es, die Bahnbranche als attraktives Berufsumfeld für Frauen darzustellen, mit Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten und dem Thema Nachhaltigkeit als Unternehmensphilosophie. Die Siegerinnen unseres Wettbewerbs werden wir übrigens im September 2018 auf der InnoTrans, der internationalen Leitmesse für Verkehrstechnik, vorstellen.