Die ersten Elektro-Lkw werden bald ausgeliefert. Ein Ladenetz aber steckt noch in den Kinderschuhen. Und dies ist nicht das einzige Problem eines CO2-freien Lieferverkehrs in Deutschland.
Der Straßenverkehr in Deutschland stößt laut Umweltbundesamt 144,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent aus, der Lkw- und Busverkehr hat einen Anteil von etwa einem Viertel daran. Dieser Anteil muss sinken, will Deutschland seine selbstgesteckten Klimaziele einhalten. Wie der Lkw-Verkehr dekarbonisiert werden kann, darüber laufen die Debatten. Lkw-Hersteller aber schaffen Tatsachen.
MAN beispielsweise hat den Verkauf von vollelektrischen Lastwagen für den Fernverkehr und regionale Schwertransporte gestartet. Rund 600 Vorbestellungen lägen vor, die ersten 200 E-Lkws würden nächstes Jahr an Kunden ausgeliefert, hieß es seitens MAN. Die schweren E-Lastwagen und Sattelzugmaschinen von MAN sollen Tagesreichweiten von bis zu 800 Kilometern schaffen. Die Batterien wiegen je nach Nutzlast und benötigter Reichweite zweieinhalb bis fünf Tonnen. Sie werden ab 2025 in Großserie im Werk Nürnberg gebaut. Ein Elektro-Lkw koste annähernd zwei- bis dreimal so viel wie ein Diesel-Lkw, so das Unternehmen.
Traton will Ladenetz ausbauen
Vertriebsvorstand Friedrich Baumann aber kritisierte das löchrige Ladenetz: Um die Klimaziele zu erreichen, bedürfe es eines deutlich beschleunigten Ausbaus auf mindestens 4.000 Megawatt-Ladepunkte in Deutschland und 50.000 Hochleistungs- und Megawatt-Ladepunkte in Europa im Jahr 2030, so Baumann. Die Volkswagen-Holding Traton, zu der MAN gehört, will mit den Konkurrenten Daimler und Volvo bis 2027 gut 1.700 Hochleistungs-Ladepunkte an Autobahnen und Logistik-Drehkreuzen in Europa errichten. Wo diese errichtet werden könnten, hat in diesem Frühjahr das Projekt Hola (Hochleistungsladen Lkw-Fernverkehr) ermittelt. Eine interaktive Karte des Fraunhofer-Institutes für System- und Innovationsforschung zeigt mögliche Punkte für Ladestationen an. Noch existieren kaum Ladestationen für Lkw. Im August 2022 eröffnete Aral die erste 300-Kilowatt-Ladestation für Lkw in Rheinland-Pfalz. Ziel war es, dass Fahrer in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen 45-Minuten-Fahrpause nach viereinhalb Stunden Fahrt die Batterien für weitere 150 bis 200 Kilometer aufladen können. Die Grundannahme war, dass die Fahrer ihre Gewohnheiten trotz Batterie-Lastwagen beibehalten. Die Analyse von GPS-Daten von 400.000 Lkw europaweit ergab, dass die Hälfte aller Stopps in den zehn Prozent am stärksten frequentieren Autohöfen, Raststätten, Logistikzentren oder Häfen stattfand.
Die Rahmenbedingungen für neue E-Lkw und Ladestationen aber sind mau. Beispiel: Die Förderung zur Anschaffung der Fahrzeuge, die sogenannte KsNI-Förderung, gilt in der Branche als unsicher. Der Fördertopf für die Umstellung des Lastverkehrs auf alternative Antriebe ist nach Medienberichten schon jetzt bis Ende 2024 größtenteils ausgeschöpft, die Finanzierung über 2024 hinaus unklar. Gleichzeitig steigt die Maut CO2-abhängig in den kommenden Jahren und damit auch die Transportkosten. Speditionsbranche und Lkw-Hersteller fordern deshalb gemeinsam bessere Bedingungen für die Umstellung auf klimaneutrale Gütertransporte auf den deutschen Straßen. Die Logistikverbände BGL und DSLV sowie die Nutzfahrzeugbauer MAN und Daimler Truck hatten daher kürzlich zu einer Pressekonferenz in Berlin geladen.
Mehr als 80 Prozent der Güter in Deutschland würden per Lkw transportiert, und daran werde sich in den nächsten Jahren auch nichts ändern, sagte der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt. Um den Verkehr elektrisch umzustellen, bedürfe es finanzieller Unterstützung durch den Bund. Denn ein E-Lkw koste etwa 200.000 Euro mehr als ein üblicher Diesel. Die Forderung: Die Bundesregierung solle dazu einen Runden Tisch unter Leitung des Kanzleramts mit der Branche und der Energiewirtschaft ansetzen.
Mit der Novellierung der Maut kommen erhebliche Mehrbelastungen auf die Branchen zu. Die Logistiker kritisierten daher erneut die Erhöhung der Lkw-Maut bereits zum anstehenden Weihnachtsgeschäft. Nach einem kürzlich vom Bundestag beschlossenen Gesetz soll zum 1. Dezember ein zusätzlicher CO2-Aufschlag bei der Nutzungsgebühr eingeführt werden. Zum 1. Juli 2024 soll die Mautpflicht dann auch schon für kleinere Transporter über 3,5 Tonnen gelten. Bisher greift sie ab 7,5 Tonnen. Davon ausgenommen bleiben die Fahrten von Handwerkern.
Von 2024 bis 2027 erwartet der Bund dadurch Mehreinnahmen von 30,5 Milliarden Euro. Die Einnahmen liegen in diesem Jahr voraussichtlich bei knapp acht Milliarden Euro. Das Geld soll zum Teil für das Netz der Bahn verwendet werden – sollte die Logistikbranche ihren Willen bekommen, verringert sich der für die Bahn dringend notwendige Unterstützungstopf. Bis 2027 sieht die Bundesregierung einen Investitionsbedarf von 88 Milliarden Euro.
Stellplätze für Lkw fehlen noch
Die Elektrifizierung der Lkw-Transporte und der stärkere Fokus auf die dringend notwendige Modernisierung der Schiene produzieren einen neuen Verteilungskampf um das vorhandene Geld. Darüber hinaus bleibt die Frage nach der eingesetzten Technologie. Im sogenannten Verteilverkehr, also vom Logistikzentrum in die Zentren, gelten kleinere Lkw mit Batterieantrieb als denkbar. Im Fernverkehr liebäugeln manche mit Wasserstoff. Auch Brennstoffzellen-Lkw oder Lastwagen mit Flüssig-Wasserstofftanks stehen bei verschiedenen Anbietern wie etwa Mercedes in den Startlöchern. Hier gelten die gleichen Probleme wie bei der Batterie: Es gibt kaum Tank-Infrastruktur, nicht genügend grünen Wasserstoff, um den Verkehr nachhaltig von CO2 zu befreien. Und vor allem nicht genügend Stellflächen. Schon ohne neue Lade- und Tankflächen fehlen laut ADAC 20.000 Stellplätze an deutschen Raststätten. Ohne massiven Ausbau der Flächen bleibt dieses Problem für alle Technologien, ob Wasserstoff oder die elektrische Batterie, eines der drängendsten.