Nach der langen Pause können es die Unioner kaum erwarten, dass die Bundesliga wieder losgeht. Doch kommen die Berliner gut aus den Startlöchern? Können sie die kleine Ergebniskrise beenden?
Wegen der XXL-Pause von zehn Wochen herrscht bei Union Berlin eine riesige Vorfreude auf den Re-Start in der Fußball-Bundesliga. Doch in das Startfieber mischt sich auch eine spürbare Unsicherheit. Selbst Trainer Urs Fischer kann nicht genau sagen, wie sich seine Mannschaft im Wettkampf schlagen wird. „Wie fit wir sind, werden wir dann gegen Hoffenheim sehen, wenn es wieder losgeht“, sagte der Schweizer. „Wir versuchen natürlich, auf den Punkt bereit zu sein.“ Doch Training und Testkicks ersetzen keine Pflichtspiele, und so tappen nicht nur die Unioner über das eigene Leistungsvermögen ein wenig im Dunkeln.
Wunderdinge erwartet Fischer von seinem Team nicht, zumal die Profis die drei sieglosen Spiele vor der Pause mit elf Gegentoren als kleines Handicap in der Vorbereitung mitschleppten. „Du wirst ein paar Spiele brauchen, um wieder in den Rhythmus zu kommen. Das war ja jetzt schließlich eine längere Pause“, sagte Fischer. Umso wichtiger ist ein guter Auftakt im Heimspiel am Samstag (21. Januar, 15.30 Uhr) gegen die TSG 1899 Hoffenheim. Bei einem Sieg wäre die kleine Ergebniskrise beendet und die Kraichgauer, die sich ebenfalls noch Hoffnungen auf einen Europacup-Startplatz machen, schon um zwölf Punkte distanziert.
Danach geht es knackig weiter für die „Eisernen“: Am Mittwoch darauf das Auswärtsspiel bei Werder Bremen, dann am Wochenende das brisante Stadtderby bei Hertha BSC, drei Tage später das Pokal-Achtelfinale gegen den VfL Wolfsburg und weitere drei Tage darauf das Heimspiel gegen den FSV Mainz 05. Und auch das Knaller-Duell in der Zwischenrunde der Europa League gegen den niederländischen Traditionsclub Ajax Amsterdam (Hinspiel am 16. Februar, Rückspiel eine Woche später) wirft seine Schatten voraus, da will sich jeder Spieler in Position bringen.
„Entscheidend ist die Einstellung, mit der man die Spiele angeht. Die Einstellung muss top sein“, sagte Fischer mit Blick auf das Hammerprogramm zum Start. Die Belastung von englischen Wochen ist das Team aus der Hinrunde gewohnt, auch wenn darunter das Training oft gelitten hat – sehr zum Leidwesen des Trainers: „Wenn du alle drei Tage ein Spiel hast, kannst du im Training natürlich nicht immer an dein Limit gehen.“ Während der langen WM-Pause konnte Fischer dagegen intensiv an Automatismen und taktischen Feinheiten arbeiten. So haben sich die Abläufe in der Viererkette, die Fischer als Alternative zum bewährten System mit drei Innenverteidigern schon lange etablieren wollte, verbessert. „Gewisse Abläufe sind jetzt da, das sieht man“, lobte Fischer, aber: „Das kriegst du nicht in drei bis vier Wochen komplett einstudiert.“
Den Feinschliff holte sich Union im zehntägigen Trainingslager in Campoamo. Fischer zog ein positives Fazit der Schufterei unter spanischer Sonne. „Die Tage waren lang. Aber es herrschte schönes Wetter, was willst du mehr? Alle haben in diesem sehr intensiven Trainingslager toll mitgezogen“, sagte er. Der 56-Jährige wollte daraus aber partout keine Tendenzen für die Bundesliga ablesen. „In einer Vorbereitung können viele Dinge gut laufen. Und nach dem ersten Spiel könnte es sein, dass man sich getäuscht hat“, meinte Fischer. Generell sei er aber positiv gestimmt, „aber wenn es so aufgeht, wie man es gerne hätte, würden alle gewinnen. Es gäbe keine Verlierer. Wir werden es sehen.“
Klarheit herrscht dagegen in der Personalie Sheraldo Becker – zumindest vorerst. Unions Topscorer wird Medienberichten zufolge in England heiß gehandelt, doch im Trainingslager rang sich der Offensivspieler zu einem Bekenntnis mit kleiner Hintertür durch. „Ich habe einen Vertrag, ich bleibe“, sagte Becker. Man wisse im Profigeschäft zwar nie, was passiere, „aber mein Fokus liegt jetzt auf Union. Und wenn ich bleibe, gebe ich alles für Union, bei jedem Spiel, bei jedem Training.“ Sollte doch ein Premier-League-Club die ganz dicken Scheine auf den Tisch legen, könnte Union über einen Transfer noch ins Grübeln kommen. Aber je näher das Schließen des Transferfensters Ende Januar kommt, desto unwahrscheinlicher wird dieses Szenario, da die Verantwortlichen unbedingt einen Ersatz verpflichten müssten. Und der ist in der Klasse eines Sheraldo Becker im Winter nur sehr schwer zu bekommen.
Gute Laune innerhalb der Mannschaft
Der Spieler selbst geht professionell mit der Sache um, zumal das Interesse, zum Beispiel wie kolportiert von Nottingham Forest, laut Becker bis Mitte Januar nie wirklich konkret war. „Freunde haben mir Screenshots der Nachrichten geschickt“, sagte er, „ich persönlich habe aber keinen Anruf von ihnen bekommen.“ Auch von Taiwo Awoniyi hat Becker Nachrichten aufs Handy bekommen. Der Ex-Unioner, mit dem Becker einst ein kongeniales Angriffs-Duo gebildet hatte und der seit Sommer für Nottingham auf Torejagd geht, schrieb laut des Berliners: „Wenn du kommst, wäre ich glücklich.“ Becker antwortete nach eigenen Angaben: „Ich habe nichts von jemandem gehört.“
Auf der Zugangsseite wartete Union zunächst ab, der Markt nahm angesichts der WM zur Adventszeit erst spät an Schwung auf. Und Union steht im europäischen Vergleich immer noch relativ weit unten in der „Nahrungskette“, sodass erst bei größeren Clubs Personalentscheidungen getroffen werden mussten. Zwingenden Handlungsbedarf sah Geschäftsführer Oliver Ruhnert im Kader nicht, aber auf der Außenverteidigerposition tat sich nach der erneuten Ausleihe des Polen Puchaczs eine Vakanz auf. Laut der französischen Sportzeitung „L’Équipe“ interessierte sich Berlin für den Franzosen Hakim Guenouche, der beim österreichischen Erstligisten Austria Lustenau die linke Seite beackert.
Auf der rechten Abwehrseite wird auch in der nächsten Saison Christopher Trimmel eine Planstelle besetzen. Der Kapitän hat seinen Vertrag vorzeitig um eine weitere Saison verlängert, auch wenn er seit dieser Spielzeit nicht mehr unumstrittener Stammspieler ist. Dennoch ist Trimmel sportlich weiter wichtig, als Führungsspieler ist der Österreicher in der Kabine ohnehin Gold wert. Dass sich Neuzugänge im Club meist ohne größere Schwierigkeiten einleben und die Union-DNA schnell annehmen, wird intern auch der guten Teamchemie gutgeschrieben, für die der Kapitän mitverantwortlich ist. Ist seine zweite Karriere als Trainer oder Manager also schon vorgezeichnet?
„Ich werde auf jeden Fall auch den Trainerschein machen, im Sportmanagement arbeiten“, sagte der 35-Jährige. Das sei aber vorerst nur ein grober Plan, sein voller Fokus läge zunächst weiter bei seiner aktuellen Arbeit auf dem Rasen. „Ich sehe mich die nächsten Jahre noch als Fußballer.“ Er wolle noch lange weiter spielen – mit einer kleinen Einschränkung: „Solange es mir Spaß macht.“
Und gute Laune haben sie bei Union, das bestätigte auch Rhani Khedira. „So viel Spaß wie innerhalb der Mannschaft hatte ich in meiner Karriere bisher wirklich noch nicht“, sagte der defensive Mittefeldspieler. Setzt sich jedoch die Sieglos-Serie in der Bundesliga fort, ist der Spaß auch in Köpenick schnell vorbei. Das Hauptziel Klassenerhalt kann das Team zwar praktisch nicht mehr verfehlen, aber die Ansprüche im Umfeld sind längst gewachsen.