Der frühere Jugendnationalspieler Jannis Lang will im Männerbereich Fuß fassen – beim Regionalligisten Berliner AK soll der Einstieg gelingen.
Fangfrage: Welcher dieser Fußballprofis hat (zum aktuellen Zeitpunkt) die meisten Einsätze in DFB-Jugendnationalmannschaften vorzuweisen – Karim Adeyemi, Youssoufa Moukoko (beide Borussia Dortmund) oder Jannis Lang (Berliner AK)? Allein aufgrund der Fragestellung würden findige Rätsel-Fans natürlich auf Letzteren tippen – und damit goldrichtig liegen. Von der U15 bis zur U19 kam der heute 20-Jährige unter anderem an der Seite der genannten Spieler auf insgesamt 17 Partien für den Deutschen Fußball-Bund – war also in seinen Altersklassen regelmäßig auf hohem Niveau dabei. Überhaupt lief es gut als Heranwachsender für Lang, den Traum vom Profifußballer hatte er bereits früh. Los ging es bei der SG Geltow, später spielte der gebürtige Potsdamer in seiner Heimatstadt für die Kickers – und das so gut, dass der FC Energie Cottbus auf den Teenager aufmerksam wurde. Der Ex-Bundesligist ist immerhin eine der besten Adressen in der Region, was den Jugendfußball betrifft – nicht umsonst besitzen die Lausitzer den Status eines Nachwuchsleistungszentrums. Der Wechsel brachte allerdings auch den frühen Abschied vom Zuhause in Potsdam mit sich – das nahm der 13-Jährige jedoch in Kauf für seinen Traum. Die Entscheidung sollte sich bezahlt machen: Im Alter von 14 Jahren und neun Monaten debütierte er für die U15 des DFB. Auch auf Vereinsebene sollte sich sein „Upgrade" bemerkbar machen, denn der VfL Wolfsburg holte ihn 2019 wiederum in sein NLZ, das von den Voraussetzungen national sicher auf Topniveau ist. In der Autostadt machte er parallel zur fußballerischen Ausbildung auch sein Abitur – danach aber, da war sich Lang sicher, wollte er erst einmal alles auf die Karte „Profifußball" setzen.
Begonnen hatte er noch als Offensivspieler und rückte mit fortschreitender Jugend praktisch immer weiter nach hinten – was nicht zuletzt seiner frühen körperlichen Robustheit und dem guten Kopfballspiel geschuldet war. Während der Vorbereitung auf den Männerbereich hatte sich letztlich der Posten des Innenverteidigers herauskristallisiert. Der früh verstorbene VfL-Jugendtrainer Steffen Brauer, der noch zu Zeiten beim Hamburger SV spätere Nationalspieler wie Shkodran Mustafi formte, hatte ihn dabei unter seinen Fittichen. In jedem Fall lief es weiter vielversprechend für das Talent: Der Bundesligist schloss mit ihm zum entsprechenden Zeitpunkt einen Jugendfördervertrag ab, wodurch ein Aufrücken in den Profikader in Aussicht stand. Hier allerdings sollte sich eine erste Zäsur ergeben: Lang musste erkennen, dass seine Chance auf Einsätze beim VfL in der Bundesliga nicht reell war. „Vielleicht hängt das auch mit der Position zusammen", sagt der reflektierte 20-Jährige heute, „einen jungen Stürmer schmeißt man als Trainer eher mal ins kalte Wasser als einen unerfahrenen Verteidiger." In jedem Fall war die Tür zum Bundesliga-Team praktisch zu, schließlich konnten Mark van Bommel und später Florian Kohfeldt auf Routiniers wie Sebastiaan Bornauw oder John Anthony Brooks in der Abwehrzentrale zurückgreifen. Ein kleiner Trost für Lang waren zumindest die Einsätze mit dem VfL-Team in der Uefa Youth League 2022/23 – auch wenn die Wolfsburger Talente in der Gruppe mit OSC Lille, RB Salzburg und FC Sevilla ziemlich chancenlos waren. Auch in diesem Nachwuchswettbewerb bestritt Lang zwar alle Partien, dennoch kam es im Winter nach insgesamt viereinhalb Jahren zur Trennung zwischen ihm und dem VfL Wolfsburg.
Eine reelle Chance auf mehr Einsätze
Ein neues Kapitel sollte es also werden für den Jungprofi – und den „Titel" FC Erzgebirge Aue tragen. Der langjährige Zweitligist schloss mit Lang immerhin ein Arbeitsverhältnis über dreieinhalb Jahre ab – schon zur Winterpause hatten die Auer jedoch auf einem Abstiegsplatz gestanden und die Umstände stellten sich als dementsprechend schwer vorauszusehen dar. In der Rückrunde reichte es unter Coach Pavel Dotchev so nur zu zwei Kurzeinsätzen als Einwechselspieler – immerhin: „Gerade mal im Hamburger Volksparkstadion zu spielen und die Atmosphäre zu erleben, aber auch am Böllenfalltor in Darmstadt – das waren tolle Eindrücke", bekam Lang Appetit auf mehr solcher Erlebnisse. Erzgebirge Aue aber sollte relativ sang- und klanglos absteigen, und mit Timo Rost wurde ein neuer Trainer für die 3. Liga verpflichtet, der auf einen großen Umbruch setzte. So standen die Zeichen nach nur einem halben Jahr schon wieder auf Trennung – interessante Angebote hielten sich auch aufgrund der Tatsache in Grenzen, dass viele Vereine bereits mit ihren Planungen abgeschlossen hatten. Beim Berliner AK in der Regionalliga Nordost jedoch suchten sie noch einen Verteidiger – und Jannis Lang schlug ein. Allerdings waren die Moabiter zuvor bereits mit voller Punktausbeute und ohne ein einziges Gegentor gestartet. Wenig Grund also für Trainer Benjamin Duda, gerade an seiner erfolgreichen Defensive etwas zu ändern – in der dazu mit Shawn Kauter aktuell auch noch ein erfahrener Mann verletzungsbedingt fehlt, der perspektivisch wieder zurückkehrt.
Dieser Bedingungen war sich Jannis Lang jedoch bewusst, als er den für die Saison 2022/23 gültigen Vertrag in Berlin unterzeichnete. Im Landespokal (6:1 beim zwei Klassen tiefer spielenden Frohnauer SC) erhielt er so zwar gleich eine Bewährungschance, im folgenden Punktspiel gegen seine „Jugendliebe" Energie Cottbus (2:1) wurde er hingegen erst in der 77. Minute eingewechselt. „Was soll der Trainer auch ändern, wenn die Mannschaft so erfolgreich ist?", zeigt sich der 20-Jährige jedoch geduldig, „und immerhin gibt er mir das Gefühl, eine reelle Chance auf Einsätze zu haben." So ist Lang mit dem Neustart beim BAK völlig im Reinen und will seine aktuelle Situation auch aus einem anderen Grund nicht negativ einschätzen: „Ein großer Teil meiner früheren Mitspieler in Cottbus oder Wolfsburg hat den Sprung in den höherklassigen Männerbereich gar nicht geschafft." Etwas Gutes hat der Wechsel nach Berlin außerdem noch: Lang, der frühzeitig von Zuhause wegzog, kann jetzt wieder in Potsdam wohnen und ein wenig in der Jugend verpasstes Familienleben nachholen. Was nicht heißen soll, dass er sich allzu gemütlich einrichten will und dabei noch seine Ziele aus den Augen verliert: „Zumindest 2. Liga wäre schon toll, wenn das noch mal klappt", sagt Jannis Lang – als Verteidiger hat er schließlich seine besten Jahre noch vor sich.