Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) fordert, endlich in Afrika zu investieren und faire Preise zu zahlen. Um ein Bewusstsein für globale Fairness zu schaffen, reicht allerdings auch ein Blick vor die eigene Haustür, meint die Entwicklungshilfe-Gesellschaft Engagement Global.
Ein Blick auf die politische Großwetterlage zeigt: Die Krisen in der Welt gehen uns heute immer mehr an. Die Entwicklungspolitik nimmt dadurch an Bedeutung zu. Doch Veränderungen beginnen oft schon in unserem Alltag. Das zeigte auch die ZukunftsTour von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller durch alle Bundesländer, die nach einem Jahr zu Ende ging.
Wir leben heute im globalen Dorf. Waren und Informationen gelangen rasend schnell um die Welt. Und auch die Menschen sind mobiler als je zuvor. Nicht immer freiwillig. Über 65 Millionen Menschen sind auf der Flucht, schätzt die Uno-Flüchtlingsbehörde (UNHCR). Sie fliehen vor Gewalt, Hunger und einem Mangel an Perspektiven. Das globale Dorf ist für viele Menschen ein düsterer Ort.
Die Ursachen sind vielfältig: Die Ausbeutung der Ressourcen und der globale CO2-Ausstoß bringen das Klimasystem an den Rand des Kollapses. In der Folge heizen Dürren und Unwetter die Hungerkrisen in den Ländern des Südens an. Die Weltwirtschaft produziert unfaire Arbeitsbedingungen vor allem für die Menschen am Anfang der Wertschöpfungsketten. Die Perspektivlosigkeit vieler Menschen schafft den Nährboden für Kriege und Gewalt.
Was können wir dieser Entwicklung entgegensetzen? Von 2015 bis 2016 war die ZukunftsTour auf Initiative von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller in Deutschland unterwegs. Zwischen Kiel und München erreichten die Veranstaltungen über 15.000 Bürgerinnen und Bürger in allen 16 Bundesländern. Die Teilnehmenden, darunter viele Schülerinnen und Schüler, informierten sich in Workshops, Ausstellungen und an Lernstationen über Themen wie Flucht, fairer Handel oder nachhaltiges Wirtschaften. Entwicklungspolitisch aktive Vereine und Nichtregierungsorganisationen zeigten in spielerischen Formaten, welchen Beitrag jeder einzelne für eine bessere Welt leisten kann.
Die ZukunftsTour machte deutlich: Entwicklungspolitik findet nicht länger nur in fernen Ländern statt, sondern beginnt hier bei uns in Deutschland. Und jeder kann schon im Alltag einen Beitrag leisten, zum Beispiel mehr fair gehandelte Produkte kaufen oder Ressourcen schonen und damit das Klima schützen.
Ein konkretes Beispiel lokalen Engagements gab die "Handy-Aktion" bei der ZukunftsTour in Stuttgart. Auf einem Tisch waren alte Handys ausgebreitet ausrangierte Modelle, die noch vor Kurzem als neueste Technik galten. Boris Chamani erklärte seinen jungen Zuhörerinnen und Zuhörern, welche Rohstoffe in einem Handy verbaut werden und unter welchen ausbeuterischen Bedingungen diese oftmals gewonnen werden. Die Handy-Aktion klärte nicht nur auf, sondern zeigte auch, wie es anders gehen kann: Mit kleinen Boxen unterstützte das Bündnis das Sammeln und anschließende Recycling alter Handys.
Weitere wichtige Impulse gehen von der Zivilgesellschaft aus. Bei der ZukunftsTour im Saarland fand die Auszeichnung "Faire Schulklasse" statt, die seit 2010 von der Fairtrade-Initiative Saarbrücken vergeben wird. Prämiert werden Schulklassen, die sich beispielsweise für den Verkauf fair gehandelter Schokolade oder Früchte in den Schulkantinen einsetzen.
Aber auch die Wirtschaft kann etwas tun. Bei der ZukunftsTour in Berlin zeigten Social-Start-Ups wie aus einer guten Idee Technologien entstehen können, die die Lebenssituation von Menschen weltweit verbessern. Das Berliner Unternehmen Coolar entwickelt beispielsweise Kühlschränke, die ganz ohne Strom auskommen. Diese Technologie trägt in Ländern ohne ausreichende Stromversorgung dazu bei, dass lebenswichtige Impfstoffe nicht länger verderben, weil sie nicht gekühlt werden können.
Über zehn Milliarden Menschen ein Leben in Würde zu sichern, sei die Herausforderung des 21. Jahrhunderts, sagte der Klimaforscher Uwe Schneidewind bei der ZukunftsTour in Saarbrücken. Hierzu brauche es nicht nur technologische Lösungen, sondern auch eine gesellschaftliche Diskussion über globale Wohlstandsverhältnisse und einen weltweiten Dialog auf Augenhöhe. Die ZukunftsTour durch alle Bundesländer war ein Beitrag zu dieser Diskussion. Jetzt geht es darum, nachhaltige Entwicklung umzusetzen. In jedem Bundesland, in jeder Stadt aber auch durch jeden Einzelnen.
Ein Gastbeitrag von Severin Caspari, Engagement Global
Info:
Engagement Global ist die zentrale Anlaufstelle für bürgerschaftliches Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit. Die Gesellschaft informiert zu aktuellen Projekten und Initiativen in Deutschland und weltweit, berät Einzelne und Gruppen zu entwicklungspolitischen Vorhaben und fördert diese finanziell.
Infos: www.engagement-global.de
POLITIK

Dominik Schmitz
Entwicklungspolitik beginnt in Deutschland
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