Bei der 149. und vom 15. bis 18. Juli anstehenden Auflage des ältesten heute noch ausgetragenen Golfturniers der Welt „The Open Championship", dem einzigen der vier Majors außerhalb der USA, hat sich der Spanier Jon Rahm durch seinen jüngsten Sieg bei den US Open in die Favoritenrolle katapultiert.
Sieben Jahre lang konnte sich Deutschlands Top-Golfer Martin Kaymer damit rühmen, der letzte Spieler gewesen zu sein, dem es gelungen war, die Dominanz der US-Profis auf dem Siegerpodest der US Open zu durchbrechen. Am 20. Juni dieses Jahres war es dann wieder mal so weit, dass mit dem Spanier Jon Rahm ein Star mit einem nicht-amerikanischen Pass die US-Open-Trophäe in den kalifornischen Himmel recken und einen Großteil des Preisgeldes von 12,5 Millionen Dollar, der höchsten Prämie aller Major-Turniere, mit auf die iberische Halbinsel nehmen konnte. Der Triumph eines Europäers gewissermaßen in der Höhle des Löwen könnte ein gutes Vorzeichen für die vom 15. bis 18. Juli anstehende 149. Auflage von „The Open Championship" sein, die außerhalb von Großbritannien häufig auch als „British Open" bezeichnet wird. Denn bei diesem ältesten bis heute noch ausgetragenen Golfturnier der Welt überwiegen auf der ewigen Siegerliste seit 1860 noch immer die Namen britischer Spieler.
Jon Rahm löst Martin Kaymer ab
Dies ist aber vor allem auf die frühen Dekaden zurückzuführen. In jüngster Vergangenheit konnten auch immer häufiger US-Sportler den legendären „Claret Jug", die einem Weinkrug aus Silber nachempfundene und seit 1873 verliehene Trophäe, mit nach Hause nehmen. Erst im Jahr 1907 hatte mit dem Franzosen Arnaud Massy ein Nicht-Brite triumphieren können, bis 1939 konnten nur die beiden Amerikaner Jock Hutchinson 1921 und Walter Hagen gleich viermal 1922, 1924, 1928 und 1929 die britische Siegesserie durchbrechen.
Dass der Rekord-Champion Harry Varden ein Engländer war, der zwischen 1896 und 1914 sechs Erfolge erringen konnte, erfüllt die britische Golf-Community bis heute mit großem Stolz. Zumal sich auch unter den vier Fünffach-Siegern mit dem Schotten James Braid, dem Engländer John Henry Taylor und dem Australier Peter Thomson weitere dem Commonwealth zugehörige Sportler befinden. Einzig der US-Amerikaner Tom Watson konnte sich ebenfalls fünfmal den Claret Jug sichern.
Ein deutscher Golfer konnte die British Open noch nie gewinnen, der Legende Bernhard Langer gelangen immerhin zwei zweite Plätze 1981 und 1984. Überhaupt haben bis heute nur vier Kontinental-Europäer das älteste Major-Turnier der Welt auf der britischen Insel für sich entscheiden können. Nach dem Franzosen Massy der Spanier Seve Ballesteros in den Jahren 1979, 1984 und 1988, der Schwede Henrik Stenson 2016 (der den niedrigsten Score-Rekord mit 264 Schlägen hält) sowie der Italiener Francesco Molinari 2018.
Nachdem die British Open 2020 als einziges der vier Major-Turniere Corona-bedingt abgesagt werden mussten, ist der Ire Shane Lowry als Gewinner des Jahres 2019 noch der amtierende Champion. Mit seinem bescheidenen 65. Platz bei den jüngsten US Open konnte er sich nicht gerade in die Favoritenrolle für die anstehenden British Open bugsieren. Bessere Erfolgsaussichten auf der Anlage des Royal St. George’s Golf Club, einem inmitten einer hügeligen Dünenlandschaft im englischen Sandwich in der Grafschaft Kent gelegenen Platz, der zu den neun regelmäßigen Austragungsorten der British Open zählt, werden da schon dem Nordiren Rory McIlroy eingeräumt, der die britischen Championships 2014 gewinnen und bei den US Open 2021 immerhin den siebten Platz belegen konnte. Womit ihm in der Weltrangliste (Stand: 5. Juli 2021) wieder der Sprung unter die Top Ten gelungen war.
Doch mit seinem Coup bei den US Open auf dem Torrey Pines Golf Course in La Jolla hat sich der 26-jährige Spanier Jon Rahm fraglos in die Rolle des Top-Favoriten für die British Open katapultiert. Zwar muss berücksichtigt werden, dass seinem Spiel die Anlage auf den Klippen im Norden von San Diego besonders entgegenkommt, hatte er dort doch schon vor vier Jahren sein erstes Turnier auf der PGA-Tour gewonnen und daraufhin seiner Partnerin Kelley glückselig auch gleich noch einen Heiratsantrag gemacht. Aber seine derzeit überragende Form hatte er auch schon zwei Wochen vor den US Open eindrucksvoll unter Beweis stellen können. Nach drei Runden hatte er sich auf dem Kurs des Memorial Tournament im US-Bundesstaat Ohio mit sechs Schlägen Vorsprung weit von der starken Konkurrenz abgesetzt.
Rory Mcilroy gewann die British Open 2014
Der Sieg bei diesem PGA-Event wurde ihm nur durch einen positiven Corona-Befund vorenthalten. Die folgende Quarantäne hatte er offenbar ohne Leistungsabfall durchstehen und bei den US Open auch gleich wieder voll durchstarten können. Was zusätzlich mit dem Aufstieg Rahms auf Platz eins der Golf-Weltrangliste (Stand: 5. Juli) belohnt wurde. Rahm hatte bei den US Open geschickt taktiert, sich an den ersten drei Tagen zwar im weiteren Kreis der Top-Platzierten aufgehalten, ohne jedoch die Spitze direkt zu attackieren. Erst am finalen Sonntag, an dem nur 14 Profis unter Par spielen sollten, griff Rahm an und wurde auf den letzten beiden Löchern mit zwei Birdies nach überragenden Putts belohnt, was bei den US Open letztmals Tom Watson 1982 gelungen war und Rahm eine bärenstarke 67er-Schlussrunde bescheren sollte. Mit 278 Schlägen beendete Rahm schließlich die US Open als Sieger.
Neben Jon Rahm hat sich auch der Südafrikaner Louis Oosthuizen durch seine starke Vorstellung bei den US Open in den heißen Kreis der Titelanwärter bei den Championships eingereiht, die er schon 2010 für sich hat entscheiden können. Jon Rahm und Louis Oosthuizen waren die einzigen aus den Top 6 vor dem US-Open-Finaltag, die ihren Score beisammen halten konnten, während alle anderen teils drastisch abstürzten. Auch wenn dem Star vom Kap inzwischen so etwas wie der zweifelhafte Ruf des ewigen Zweiten anhaftet, denn es war in Torrey Pines nun schon sein sechster zweiter Platz bei einem Major-Turnier mit 279 Schlägen.
Auch den US-Überflieger und Longhitter par excellence Bryson DeChambeau darf man für die British Open keinesfalls abschreiben. Der US-Open-Titelverteidiger war zwar letztlich in La Jolla nur auf einem für ihn indiskutablen 26. Rang gleichauf mit Martin Kaymer gelandet. Doch hatte sich der Muskelprotz nach einer schwachen ersten Runde immer weiter gesteigert und zwischenzeitlich nach der Hälfte der vierten Runde am letzten Tag sogar die Führung übernommen. Doch wurde ihm sein Alles-oder-Nichts-Spiel auf den Back Nine, den letzten neun Löchern, zum Verhängnis, und er büßte dabei noch acht Schläge ein. Von den üblichen US-Verdächtigen, die für einen Sieg bei Major-Turnieren infrage kommen, hatten sich bei den US Open Brooks Koepka, Collin Morikawa und Xander Schauffele unter den Top Ten platzieren können, während sich Dustin Johnson (Zweiter der Weltrangliste) und Justin Thomas (Dritter im World-Ranking) mit dem geteilten 19. Platz zufrieden geben mussten.
Als die British Open 1860 zum ersten Mal ausgetragen wurden, war der Golfsport außerhalb von Großbritannien noch kaum etabliert. Auf der Insel hingegen wurden schon 1744 von den Gentlemen Golfers of Leith erstmals feste, teilweise noch heute gültige Regeln für das Spiel niedergeschrieben. Kein Wunder daher, dass die Briten „The Open Championship" bei einer so weit zurückreichenden Tradition ehrfurchtsvoll nur als „ihr Turnier" bezeichnen. Es wird in jährlichem Wechsel nach dem sogenannten Open-Rota-Prinzip auf neun unterschiedlichen Linksplätzen in Schottland, England und Nordirland ausgetragen. Die Auswahl des jeweiligen Kurses durch den Veranstalter, den Royal and Ancient Golf Club of St. Andrews, mag für Außenstehende etwas willkürlich erscheinen. Es gibt allerdings eine Konstante, nämlich den Golfplatz The Old Course in St. Andrews, wo alle fünf Jahre – und zwar in allen mit Null oder Fünf endenden Jahren – die British Open stattfinden. Außer der Reihe wird 2022 das 150. Jubiläum der British Open ebenfalls auf dem geschichtsträchtigen The Old Course gefeiert werden, der ohnehin die häufigste Event-Location für die Championships darstellt.
Neben The Old Course gibt es in Schottland noch die Plätze Carnoustie, Muirfield, Turnberry und Royal Troon, in England die Plätze Royal St. George’s, Royal Birkdale, Royal Lytham & St. Annes sowie Royal Liverpool. Neben den gesetzten Spielern nach Kriterien wie Weltranglisten-Position oder früheren Siegen können sich für die British Open weitere Player über diverse Ausscheidungsturniere qualifizieren. Der Cut erfolgt nach 36 absolvierten Löchern, danach dürfen nur noch die 70 bestplatzierten Golfer die beiden weiteren Runden in Angriff nehmen. Bei einem Gleichstand an der Spitze nach vier Runden erfolgt ein Stechen über drei Löcher (bei weiterem Gleichstand gibt es einen Sudden Death an einem vierten Loch), ein solches Play-off hat es in der Geschichte der Championships immerhin schon 21 Mal gegeben. Und es gab natürlich jede Menge legendäre Fights um den Sieg, wobei vor allem der „Duel in the Sun" getaufte Kampf auf Augenhöhe zwischen Tom Watson und Jack Nicklaus aus dem Jahr 1977 und der Zweikampf „Duel of the Sons" zwischen Henrik Stenson und Phil Mickelson aus dem Jahr 2016 Geschichte machten.